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Designer Aaron Esh über Londons Nachwuchstalente und Unterstützung für Markenwachstum

Von Rachel Douglass

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Mode |Interview

Aaron Esh für die NewGen-Ankündigung des BFC. Bild: British Fashion Council und Rankin Archive

Anfang dieses Jahres zeigte LVMH-Preis-Finalist Aaron Esh zum zweiten Mal in seiner Karriere eine Kollektion auf der Londoner Modewoche. Die Kollektion, bei der es sich um hochwertige Herbst-/Wintermode für die Londoner Elite handelte, schien auf den ersten Blick eine direkte Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Leben der Stadt zu sein, widergespiegelt in einer gedämpften Farbpalette und architektonischen Formen. Doch bei näherer Betrachtung wurde deutlich, dass der Kern der Kollektion das Paris der 50er Jahre war.

„Ein Großteil der Mode, die ich liebe, bezieht sich auf diese Ära der Pariser Couture”, sagte der junge britische Designer im Interview mit FashionUnited. „Es ging mir mehr darum, die Stimmung und die Struktur der Kleider zu betrachten, als direkte Bezüge aus der Zeit zu übernehmen – vor allem die Silhouette, die Verarbeitung und die Stoffe der Kleider waren mir wichtig. Es war außerdem mehr im Einklang mit einer breiteren Markenausrichtung, die Idee von Stadt und Chic zu vermischen.”

„Ich glaube nicht, dass es etwas Neues ist, sich vom Paris der 50er-Jahre inspirieren zu lassen. Es ging vielmehr um die Marke Aaron Esh und darum, woher die Kollektion stammt”, erläutert der Designer und gab damit einen Einblick in die Entwicklung seines gleichnamigen, noch relativ jungen Labels, das er 2022 nach seinem Abschluss Masterabschluss am Central Saint Martins gegründet hat.

Aaron Esh HW24, LFW. Bild: ©Launchmetrics/spotlight
Aaron Esh HW24, LFW. Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Partnerschaften und Unterstützung schaffen Raum für Markenwachstum

Seit seinem Abschluss hat sich Esh in die Modebranche hinein katapultiert. Vor seiner ersten Teilnahme an der London Fashion Week für die Frühling-/Sommersaison 2024 hatte sich der aus der englischen Hauptstadt stammende Designer bereits als Finalist des LVMH-Preises des gleichnamigen Luxusgüterkonzerns und als Preisträger des NewGen-Preises des British Fashion Council (BFC) einen Namen gemacht.

Das Programm des BFC verschaffte Esh einen Platz im Kalender der Londoner Modewoche und unterstützte ihn durch finanzielle Zuschüsse und individuelles Mentoring. Die vom verstorbenen Lee Alexander McQueen gegründete Stiftung Sarabande Foundation für junge Kreative unterstütze den Designer ebenfalls, indem sie sowohl sein Atelier als auch seine HW24-Show im eigenen Haus in der Hertford Road beherbergte.

„Ich bin ein junger Unternehmer und ein Modedesigner. In der Schule lernt man von all dem nichts. Ich habe es in der Praxis gelernt.”

Aaron Esh, Designer

Rückblickend betont Esh die „unterstützende Gemeinschaft” und die wertvolle Mentor:innenschaft der Stiftung, die ihm im Vorfeld der Show „massiv geholfen” habe. Das NewGen-Programm war nur ein Teil seiner Reise vom Studenten zum Markeninhaber, der voller Erfahrungen und Lernprozessen war. „Ich habe zwei Mitarbeiter:innen eingestellt und das ist etwas völlig Neues, denn jetzt trage ich Verantwortung und muss Löhne und Steuern zahlen”, so Esh über den Gründungsprozess. „Ich bin ein junger Unternehmer und ein Modedesigner. In der Schule lernt man von all dem nichts. Ich habe es in der Praxis gelernt”.

Obwohl er sehr viel Unterstützung durch die Branche erfahren hat, kennt Esh auch die Schwierigkeiten, mit denen aufstrebende Designer:innen wie er konfrontiert sind – insbesondere in einer so schwierigen Wirtschaftslage wie der in Großbritannien. In einem Interview mit Sarabande nach der Londoner Modewoche betonte der Designer, dass ohne Unterstützung der Stiftung eine Show in der Saison für ein kleines Unternehmen wie seines nicht möglich gewesen wäre. Finanzielle Herausforderungen hob Esh auch im Gespräch mit FashionUnited hervor und erläuterte, dass die Finanzierung derzeit ein „großes Problem” für aufstrebende Designer:innen sei.

Weitere Unterstützung erhielt Esh von der Biermarke 1664 Blanc, dem Hauptpartner der Londoner Modewoche. Das Getränkeunternehmen veranstaltete im Rahmen der LFW eine Reihe von „designorientierten” Veranstaltungen im Luxuskaufhaus Selfridges London. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen Tolu Coker und Saul Nash aus dem NewGen-Programm hielt der Designer dort einen Vortrag und entwarf außerdem in einer Partnerschaft mit der Getränkemarke einen kobaltblauen Schal aus Merinowolle, der in limitierter Auflage zusammen mit dem Bier von 1664 Blanc bei Selfridges verkauft wurde.

Blanc 1664 x Selfridges Pop-up. Bild: Blanc 1664.

Obwohl eine Kollaboration von Marken aus so unterschiedlichen Branchen auf den ersten Blick unkonventionell erscheint, hält Esh den Aufbau solcher Partnerschaften für das Wachstum einer Marke für unverzichtbar: „Ein Teil des Wachstums eines Unternehmens besteht darin, Partnerschaften mit anderen Marken einzugehen. Und manchmal erlangt die nicht naheliegendste Zusammenarbeit die größte Aufmerksamkeit. 1664 Blanc und ich haben wirklich gut zusammengearbeitet, weil unsere Standpunkte, etwas Neues mit einem Twist zu kreieren, nicht so unterschiedlich waren. Es gab eine gewisse Synergie zwischen unseren Sichtweisen, sodass es nicht allzu schwierig war.”

Diese offene Denkweise weitet der Designer auch auf seine Beziehungen zu Einzelhändler:innen aus. Mit Unternehmen wie Ssense und Selfridges hat Esh schon jetzt eine starke Basis aufgebaut, da die Einzelhändler die Kleidung des Designers bereits zu Beginn der Entstehung seiner Marke gekauft haben. „Es geht darum, mit einem Geschäftspartner zu arbeiten und ihn als Mensch zu behandeln. Selfridges ist eine seit langem etablierte Institution und hat einen langjährigen Ruf – und das ist meine wirkliche Unterstützung” antwortet der Designer auf die Frage, wie er sole Einzelhandelspartnerschaften angeht. „Meine Marke wächst vielmehr über langfristige Partnerschaften, anstatt einfach in die Regale zu kommen und verkauft zu werden.”

„Ich denke, dass die Mode an erster Stelle steht, und ob die Leute sie kaufen oder nicht ist, was es ist.”

Aaron Esh, Designer

Die typischen Kund:innen von Esh gehören der Londoner Mode-Elite an. Esh sieht die Träger:innen jedoch eher als schwer fassbare Wesen, wenn es um das Design seiner Kleidung geht und stellt das modische Konzept in den Vordergrund: „Ein Teil meiner Arbeit besteht darin, eine Welt rund um die Marke zu schaffen. Dazu gehört die Bildsprache, das langsame Konzept, die Kleidung, die Kategorien der Kleidung, die Accessoires und wie all das von den Verbrauchenden akzeptiert wird – und nicht ein bestimmtes Genre”, so der Designer. „Ich denke, dass die Mode an erster Stelle steht, und ob die Leute sie kaufen oder nicht ist, was es ist.”

London als Brutstätte für aufstrebende Talente

Auch wenn das sein Standpunkt in Bezug auf Designwerte ist, so zeigt Esh doch auch, dass er ein Gespür für die Bedürfnisse seiner Kund:innen hat. Sein Engagement im Bereich der Damenmode, das erst in der letzten Saison verstärkt wurde, war eine Reaktion auf die Interaktion der Kund:innen mit seiner Marke und so überwog die Damen- fast die Männermode. „Der Grund, warum wir in die Damenmode eingestiegen sind, ist einfach, um die Marke zu ergänzen” so Esh. „Wir hatten so viele Frauen, die unsere Kleidung kauften, also wollten wir auch mehr frauenspezifische Mode hinzufügen”.

Aaron Esh SS24, LFW. Bild: ©Launchmetrics/spotlight
Aaron Esh SS24, LFW. Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Esh gehört zu den Glücklichen, die einen Platz auf dem Programm der Londoner Modewoche ergattern konnten und das in einer Zeit, in der zahlreiche Hindernisse aufstrebenden Designer:innen in den Weg gelegt werden. Sogar der BFC ist sich dieser Herausforderungen bewusst und will daran arbeiten. Im letzten Jahr hat die Organisation eine „Übergangsphase” eingeleitet, um sich mehr in die Richtung eines „verantwortungsvollen Wachstums” zu bewegen. Die Pläne konzentrierten sich auf die Einführung von neuen Bildungs-, Beratungs- und Vernetzungsmöglichkeiten für die Mitglieder, um so lokale und aufstrebende Talente bei der Entwicklung ihrer Unternehmen zu unterstützen.

Ein Teil der neuen Strategie konzentriert sich auf die Umstrukturierung der Londoner Fashion Week. Diese Bemühungen wurden in der letzten Saison durch die Abschaffung der Männermodewoche, die sonst kurz vor der Hauptveranstaltung stattfand, deutlich. Zuvor war die Modewoche von Kritiker:innen der Branche für einen offensichtlichen Mangel an Unterstützung für junge Designer:innen kritisiert worden, obwohl dies größtenteils auf die fehlende staatliche Finanzierung des britischen Kreativ-Sektors insgesamt zurückzuführen war.

In der Ausgabe für die Herbst-/Wintersaison 2024 änderte sich die Stimmung und die Kritiker:innen erkannten die starke Präsenz von aufstrebenden Designer:innen im Vergleich zu den Modewochen in Mailand, Paris und New York – und das trotz finanzieller Unsicherheiten. Ähnlich positiv gestimmt äußerte sich auch Esh, der London als den Ort identifiziert, an dem er als junger Designer Unterstützung erhalte. „Wir haben das große Glück, dass Menschen aus aller Welt für die jungen Designer:innen nach London kommen. Ich hoffe, dass das auch weiterhin so sein wird, damit wir so Menschen, die weniger Chancen haben als andere, ihre Arbeit und ihr Talent zeigen können.”

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf hat auch Esh nicht vor, langsamer zu machen, auch wenn er im Moment keine genauen Pläne oder Details verrät. Auf die Frage, was von seinem Label im kommenden Jahr zu erwarten ist, antwortete er: „Ich möchte nichts vorwegnehmen. Ich schaue nicht allzu weit in die Zukunft. Ich möchte den Weg, den ich eingeschlagen habe, weitergehen.”

Aaron Esh. Bild: Blanc 1664 x Aaron Esh, Mitchell O'Neill.
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Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.uk. Übersetzung und Bearbeitung: Pia Schulz

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