Der "Messy Girl"-Trend: Zwischen Rebellion und Kommerzialisierung
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Zerzaustes Haar, verlaufener Eyeliner und ein zerknittertes T-Shirt: Seit einigen Monaten prägt der „Messy Girl“-Look nicht nur die sozialen Netzwerke, sondern auch das Straßenbild. Was auf den ersten Blick wie ein Ausdruck von Befreiung wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als weit weniger spontan, als es scheint.
Im Kontrast zum „Clean Girl“, das in den vergangenen Jahren mit makelloser Haut, geglättetem Haar und einem durch und durch perfekten Erscheinungsbild samt aufgeräumter Wohnung dominierte, steht nun eine bewusst unperfekte Ästhetik im Mittelpunkt. Das „Messy Girl“ – wörtlich das „schlampige Mädchen“ – wirkt, als käme es direkt von einer durchtanzten Nacht. Der Stil erinnert an eine rockigere, unkonventionellere Interpretation weiblicher Selbstdarstellung.
Prominente Vertreterinnen wie die britische Sängerin Charli XCX, die den verwandten „Brat“-Trend prägte, oder die US-Künstlerin Billie Eilish transportieren diese Ästhetik auf Bühnen und in sozialen Medien. Der Hashtag #messygirl verzeichnet mittlerweile Tausende Aufrufe – nicht zuletzt durch den Song „I’m too Messy“ von Lola Young, der sich zur inoffiziellen Hymne des Trends entwickelte. Auf TikTok sorgt zudem das virale Quiz „Clean Girl oder Messy Girl?“ für Aufmerksamkeit und lädt dazu ein, sich selbst einem der beiden ästhetischen Lager zuzuordnen.
Ganz neu ist der Look allerdings nicht. „Zwischen den zerrissenen Strumpfhosen einer Courtney Love in den 1990er-Jahren, dem verwischten Eyeliner von Amy Winehouse und den Festival-Gummistiefeln einer Kate Moss in den 2000er- und 2010er-Jahren bewegt sich diese sublimierte Lässigkeit“, erklärt Sophie Abriat, Mode- und Luxusexpertin, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
„Der Trend liegt irgendwo zwischen dem 'Soft Grunge' der 2010er und dem 'Indie Sleaze' der 2000er-Jahre – also einer Mischung aus rockigem und bohemian Stil. Der Unterschied: Heute wird jeder Trend durch den Filter der Algorithmen gejagt und in Form eines Hashtags neu verpackt“, so Abriat weiter.
Inszeniertes Chaos als Kommentar zur Leistungsgesellschaft
Doch der „Messy Girl“-Trend geht über bloße Optik hinaus – er inszeniert einen Lebensstil, der auf Loslassen und Selbstakzeptanz setzt. „Es ist eine Ästhetik, die das Unvollkommene, das Emotionale, das Chaotische feiert – als bewusste Gegenbewegung zu den Schönheitsidealen und Kontrollmechanismen des 'Clean Girl'“, analysiert Abriat. „Man könnte es als eine Art stilisiertes Burnout bezeichnen.“
Dieses Burnout folgt allerdings seiner eigenen Dramaturgie. So authentisch und ungekünstelt der Look erscheinen mag, so sorgfältig ist er oft kuratiert. Tutorials auf TikTok und Instagram zeigen Schritt für Schritt, wie das vermeintlich spontane Make-up oder Outfit eines „Messy Girls“ nachgestylt werden kann.
„Auf die durchinszenierte Kontrolle des 'Clean Girl' folgt eine ebenso inszenierte Form von Authentizität“, erläutert Claire Roussel, Journalistin und Expertin für modische Strömungen. Auch Sophie Abriat bestätigt: „Das scheinbare Chaos ist häufig wohlüberlegt – eine ästhetisierte Unordnung mit Kalkül.“
Dieses orchestrierte Durcheinander, das befreiend sein soll, scheint zudem nicht für alle zugänglich zu sein. „Man stellt keine große weibliche Emanzipation fest, weil dieser Trend von weißen, sehr dünnen, hyperheteronormativen Frauen repräsentiert wird, von Berühmtheiten wie Kate Moss", betont Claire Roussel. „Es ist kein Trend, der an Vielfalt denkt. In diesem Sinne ist er nicht besonders feministisch", meint sie.
Vereinnahmung
Auch wenn sich das „Messy Girl“ dem Diktat vorherrschender sozialer Normen entziehen will, entgeht es nicht der Gefahr, von der Mode- und Schönheitsindustrie vereinnahmt zu werden. „Das ist das Paradoxe: Selbst Unvollkommenheit lässt sich stilisieren, vermarkten und redaktionell inszenieren – und das haben Modehäuser sehr gut verstanden“, erklärt Sophie Abriat.
Insbesondere während der jüngsten Pariser Fashion Week für Damenmode zeigte sich der Einfluss des „Indie Sleaze“-Stils deutlich: Leder, die Rückkehr der Slim-Fit-Hose sowie Statement-T-Shirts, darunter eine Neuinterpretation des ikonischen „J’adore Dior“-Shirts von Ex-Kreativdirektor John Galliano, dominierten zahlreiche Kollektionen.
Trotz dieser Kommerzialisierung bringt der „Messy Girl“-Trend eine nicht zu unterschätzende Frische in eine Zeit, die zunehmend von reaktionären Tendenzen geprägt ist. „In einer Phase, in der Trends wie der der ‚Tradwives‘ – also traditioneller Hausfrauenrollen – sowie das Wiederaufleben von Pro-Anorexie-Inhalten zu beobachten sind, kann das ‚Messy Girl‘ ein wichtiges Gegengewicht darstellen“, betont Claire Roussel. „Wenn Menschen einen Stil finden, mit dem sie solchen hyperkonservativen und unterschwellig frauenfeindlichen Normen entgegenwirken können, ist das äußerst positiv“, resümiert sie.
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