Das Leben als Model: Eine Businessperspektive – Teil V
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“Für weniger als 10.000 Dollar pro Tag stehen wir gar nicht erst auf”, lautet das wohl berühmteste Zitat von Linda Evangelista. Die Ära der Supermodels liegt zwar weit hinter uns, doch auch in dieser Generation gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Einkünften eines ‚Top Models’ und jenen eines ‚normal arbeitenden Models’. Die Tagespauschale eines Models variiert je nach Talent, Erfahrung, Ruf und Berühmtheit. Zum Glück ist die Modelindustrie sehr vielseitig und es gibt große Unterscheide zwischen verschiedenen Agenturen. Eine Handvoll Agenturen arbeitet exklusiv mit internationalen Top-Namen, aber es gibt genügend Agenturen, die mit lokalen Models zusammen arbeiten und rein ihre Region bedienen.
‚Top’ ist nicht nicht immer gleichbedeutend mit ‚lukrativ’
Die Höhe der Bezahlung hängt von der Art des Auftrages ab. Insbesondere unterscheiden Modelagenturen zwischen Tagessätzen für Magazine und für kommerzielle Arbeiten. Eine Modestrecke für ein Magazin hat natürlich einen kommerziellen Aspekt: es werden Kleidungsstücke beworben. Aber weil ein Magazin die Kleidung nicht selbst verkauft (und weil es Geld kostet, eine erfrischende Modestrecke zu produzieren) ist solch ein Fotoshoot in erster Linie ein künstlerisches Abenteuer. Diese Fotostrecken laufen deshalb unter ‚Editorial’. Für Models bedeutet das, das der Tagessatz geringer ausfällt als bei Unternehmen, die auf einen Profit abzielen. Ein Arbeitstag für ELLE – bei dem eine sechsseitige Fotostrecke herauskommt, ist deshalb normalerweise schlechter bezahlt als bei Werbeaufnahmen, in denen man in der unteren rechten Hälfte auf Seite zehn der Broschüre zu sehen ist. Noch dazu in Briefmarkengröße. Dafür wird die Broschüre anber in acht verschiedenen Ländern erscheinen. Das alles kann für Außenstehende sehr verwirrend sein. Als ich frisch mit dem Modeln anfing, sagten die Leute zu mir: “Glückwunsch zu dem Cover und dem großen Fotoshooting. Dafür hast du bestimmt viel Geld bekommen.“ Natürlich sind diese Art Jobs hervorragend für Deine Reputation und dein Portfolio. Schließlich führen diese Bilder auch zu neuen Aufträgen - aber sie sind ganz sicher nicht die lukrativsten Jobs. Ich kenne genug Models, die nach Monaten aus Mailand oder Barcelona mit großen ‚Tear Sheets’ (Veröffentlichungen in Magazinen) zurückkehrten, aber es gerade so geschafft hatten, bei Null heraus zu kommen, weil sie so hohe Kosten hatten.
“Um vom Modeln leben zu können, muss man es schaffen, sowohl für kommerzielle Arbeiten als auch für Magazinshoots und Cover gebucht zu werden, dazu gehören Kataloge, Mode- oder Kosmetikkampagnen, Lookbooks, Fernsehreklame und Printwerbung. Manchmal werden auch Stunden, Tages- oder Halbtagessätze gezahlt. Die meisten Agenturen haben ganz klare Richtlinien für jedes individuelle Model. Ein Extra-Zuschlag kommt bei Lingerie- oder Bademodenshoots hinzu. Ein sogenannter Buy-Out ist die Vergütung für die kommerzielle Nutzung des Gesichts eines Models. Wenn Dein Close-Up in einer kommerziellen Produktion genutzt wird, hast du das Recht auf einen Buy-Out. Die Bezahlung basiert wiederum darauf, um welche Art kommerzielle Arbeit es sich handelt: Fernsehen, Poster oder Prospekt. Der Buy-Out wird nur gezahlt, wenn das Produkt auch wirklich genutzt wird und falls Du aus dem Endprodukt rausgeschnitten wirst, ist auch dein Anteil futsch.
Verhandle deine Angelegenheiten im Voraus
“Nicht alle kennen diese Rechte. I wurde einmal von einer Cateringfirma gebucht, die vorher noch nie mit Models gearbeitet hatte. Der Fotoshoot dauerte einen halben Tag und die Bilder sollten für ihre Broschüre genutzt werden. Als ich im Studio ankam, begrüßte mich die Kundin enthusiastisch und erzählte mir, dass sie in der Nacht zuvor eine brillante Idee gehabt hatte. Wie cool wäre es eigentlich, die Fotos vom Shoot auf die Lieferwägen der Firma zu drucken? Schließlich fahren die Wägen durch das ganze Land, um Produkte zu liefern. Die Sketches dafür lagen bereits auf dem Tisch. Um die Idee zu visualisieren, hatte sie mein Bild von der Website der Modelagentur runtergeladen und es mit Photoshop auf einen Lieferwagen aufgebracht. Offenbar war es niemandem bei der Firma bewusst, dass es nicht Teil der Standardvereinbarung und der Vergütung für einen halben Arbeitstag war, mein Gesicht riesengroß auf Lieferwägen zu drucken. Ihre Offenheit war natürlich ein Zeichen für ihre guten Absichten, bewies aber auch ihre Naivität. Ich reagierte also ebenfalls enthusiastisch, machte aber klar, dass ich die Situation mit meiner Agentur besprechen müsste. Später hörte ich dann, dass sich die Cateringfirma gegen die Idee entscheiden hatte, als sie hörte, was für Extrakosten auf sie zukommen würden. Nach kurzem Nachdenken hatten sie entscheiden, dass die alten Lieferwägen mit verschiedenen Nahrungsmitteln darauf wohl noch ein paar Jahre ihren Dienst tun würden.
“In der Welt der Mode sind Begriffe wie ‚Buy-Outs’ oder ‚Rechte’ eher Gang und Gäbe, obwohl man auch dort solche Geschichten hört. Eine Kollegin hatte für ein bekanntes Versandhaus gearbeitet und fand ihr Bild ebenfalls auf einer viel größeren Fläche als vereinbart wieder, als sie auf der Autobahn an ihrem eigenen Antlitz vorbeifuhr. Als ich einmal für eine Broschüre gemodelt hatte, erhielt ich ein paar Wochen später den Anruf eines Freundes, der mit erzählte, dass er mein Bild im Fernsehen zur Prime-Time gesehen hatte. Ich drehte auch einmal einen Werbefilm, der laut Vertrag ein Jahr lang ausgestrahlt werden durfte. Ich fand aber beim Zappen heraus, dass diese Frist stillschweigend verlängert worden war. Zum Glück hat man in solchen Fällen eine Agentur, die sich für einen einsetzt und diese Dinge in Ordnung bringt. Aber natürlich ist es am Besten, solche Angelegenheiten im Vornherein zu regeln, so dass später niemand eine unerfreuliche Überraschung erleben muss. Dasselbe gilt für Modenschauen. Eine Show wird oft auch genutzt, um gleich das Lookbook zu fotografieren. Die Models sind schließlich bereitgemacht, Haare und Make-Up perfekt - eine perfekte Kulisse - und oft genug Zeit zwischen den einzelnen Läufen, ein paar Bilder zu schießen. Aber ganz egal, wie effektiv du arbeitest – dies sind zwei unterschiedliche Aufträge für das Model. Deshalb, vergiss nicht die Portrait-Rechte im Vornherein mit der Agentur zu klären.
Transparenz und Vertrauen
Manchmal läuft ein Job nicht so, wie du gehofft hast. Dieser eine großartige Shoot im Studio mit tollen Requisiten endete für mich mit einem fahlen Nachgeschmack: Zu meiner Überraschung rief der Kunde nach getaner Arbeit bei meiner Agentur an und beschwerte sich, dass mein Haar fettig gewesen wäre. Das war unmöglich, denn ich hatte meine Haare am morgen vor dem Termin gewaschen und danach keine Pflegeprodukte benutzt. Darüber hinaus war der Kunde erst um 11 Uhr erschienen, obwohl ich bereits für 9 Uhr gebucht war. Mein Haar war daher bereits gestylt worden, als der Kunde auftauchte. Und ich hatte mich zuvor freundlich mit der Haarstylistin unterhalten, ohne dass sie ein Wort zum Zustand meiner Haare verloren hatte. Leider sind solche Situationen nicht selten. Die Leute sind am Tag des Fotoshootings nett zu Dir und am nächsten Tag ruft der Kunde deine Agentur an und beschwert sich über Dein ‚unprofessionelles’ Verhalten, weil er nicht den vollen Betrag zahlen will - und das obwohl die Bilder hervorragend sind und benutzt werden. Dabei geht es nur um einen Rabatt. Eine gute Partnerschaft basiert auf Transparenz und Vertrauen. Natürlich ist der Kunde König. Wenn ein Model merkbar anders aussieht, als auf den Bildern in ihrem Portfolio, hat der Kunde jedes Recht, unzufrieden zu sein. Er sollte damit aber nicht warten, bis das Shooting im Kasten ist, sondern sofort bei der Agentur anrufen und erklären, dass die Bilder nicht mit dem Model übereinstimmen. Außerdem sollte er seine Wünsche und Erwartungen gegenüber der Agentur klar kommunizieren. Beide Parteien profitieren von einer klaren, vorhergehenden Definition dessen, was während des Shootings passiert und welche Resultate erwartet werden, was die Bilder angeht. So verhindert man spätere Probleme und kann sich ganz auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: Eine spektakuläre Kampagne zu kreieren.
Foto 1: Photography Joost Konings
Foto 2: In Spijkers en Spijkers während einer Modeaufnahme
“Foto 3: Backstage bei einem Modeshoot für das Magazine Vriendin
Natasja Admiraal ist als freie Journalistin seit 2008 für FashionUnited tätig. Sie schreibt auch über verwandte Themen wie Schmuck und Design. Gelegentlich finden Sie Natasja auch auf dem Cover eines Magazins – sie arbeitet seit zehn Jahren auch als Model.