Das Leben als Model: Eine Businessperspektive - Teil I
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Exotische Orte, schöne Kleider, Glamour und ein fetter Gehaltsscheck. Das Leben als Model beflügelt die Phantasie vieler - vor allem junger Mädchen, die davon träumen, ein Leben im Scheinwerferlicht als Model oder Schauspielerin zu führen. Selten jedoch haben sie eine Vorstellung von dem, was der Beruf tatsächlich abverlangt.
Die Modelindustrie ist hart. Es ist eine Welt, in der die Konkurrenz nicht schläft, in der Ablehnung und sexuelle Einschüchterung zum Alltag gehören, wie auch das britische Model Cara Delevingne kürzlich bestätigte. Was musst Du als aufstrebendes Model über die Branche wissen? Wie baut man sich ein Netzwerk und ein aussagekräftiges Portfolio auf? Was sind die Vor- und Nachteile für eine Modefirma, die ein ‚New Face’ bucht?
Prüfe kritisch, mit wem Du Dich geschäftlich einlässt
Als ich vor zehn Jahren mit dem Modeln begann, das war ein Jahr, bevor ‚Holland’s Next Top Model’ an den Start ging und der Hype richtig einsetzte, entdeckte ich, wie faszinierend das Thema für viele Menschen ist. Ich verliebte mich sofort in das Business und dachte, es wäre ein wunderbarer Nebenjob, aber ich wollte mich nie in Vollzeit darauf einlassen. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum es mir immer noch Spaß macht: weil ich finanziell nie voll davon abhängig war. So wurde eine Ablehnung zwar zur Enttäuschung, aber nicht zur Frustration. Ich bemerkte aber, dass, wenn ich jemanden kennenlernte und erzählte, dass ich an der Kunstakademie studierte, als Modejournalistin arbeitete und „ab und zu einen Modeljob“ annehme, sich die Leute meistens an den letzten Teil erinnerten, wenn wir uns wieder trafen.
Leider gibt es zahlreiche halbseidene Modelagenturen und Fotografen, einfach deshalb, weil es so viele naive jungen Mädchen und Jungs gibt, die vom Beruf Model träumen. Sie locken die unerfahrenen Jugendlichen mit falschen Versprechungen, unzuverlässigen Verträgen oder Schlimmerem. In den vergangenen Jahren hat der Verbraucherschutz diesen irreführenden Praktiken viele Beiträge gewidmet.
Nichtsdestotrotz schießen neue Modelagenturen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden und es ist weiterhin unerlässlich, den möglichen Vertragspartnern gegenüber kritisch zu bleiben. Models werden immer wieder darauf hingewiesen, den Agenturen keine Aufnahmegebühr zu zahlen. Es ist wichtig zu wissen – vorausgesetzt Du bekommst genug Aufträge – dass das Modelbusiness ein beiderseitiges Geschäft ist. Das Model generiert Einnahmen aus seinen Aufträgen und die Modelagentur bekommt einen vorher ausgemachten Prozentsatz (20 bis 25 Prozent ist die Norm) pro Job als Vermittlungsgebühr.
Manche Agenturen stellen auch das Drucken von Set Cards (die Set Card ist Aushängeschild eines Models in A5-Format mit dem Namen und den Maßen des Models, sowie den besten Bildern) oder das Management auf der Website in Rechnung. Diese Kosten werden üblicherweise von erfüllten Aufträgen abgezogen.
Die Vor- und Nachteile eines ‚New Face’
Es hat auch Vorteile ein ‚New Face’ zu sein. Das Modebusiness ist schließlich immer auf der Suche nach den ‚Next Big Thing’, also haben die Modelagenturen eine spezielle Kategorie auf ihren Webseiten, in der sie ihre neuen Talente vorstellen. Als neues Talent wirst Du daher von möglichen Klienten eher wahrgenommen.
Auch für Modelabels kann es von Vorteil sein, ein neues Gesicht zu buchen. Vor allem deshalb, weil das Model noch jung und formbar ist. Außerdem zahlen sie weniger, weil es dem Model noch an Erfahrung mangelt und es sein Portfolio erst aufbauen muss. Natürlich gibt es aber auch Nachteile, ein ‚New Face’ zu sein. Vielleicht ist es nicht die beste Idee, ein sechzehnjähriges Ding für einen Lingerie-Shoot zu buchen, in dem es verführerisch in die Kamera schauen soll – auch wenn das oft gemacht wird. Das Risiko, dass das Model sich unwohl fühlt ist hoch, auch weil es sich erst noch an das Posieren vor der Kamera gewöhnen muss – und dadurch verliert die Strecke an Glaubwürdigkeit. Man sollte auch in Frage stellen, ob ein blutjunges Model schon bereit ist, einen Shoot zu tragen, bei dem für vierzig Outfits verschiedene Posen verlangt werden. Es ist daher nur logisch, dass unerfahrene Models nicht für jede Art von Auftrag in Frage kommen.
Ein solides Portfolio aufbauen
Ein Testshoot ist definitiv das Investment wert, um Erfahrung zu sammeln und ein Netzwerk aufzubauen. Es könnte sein, dass ein möglicher Klient schon seit einiger Zeit ein Auge auf Dich geworfen hat und dass ein Portfolio-Update genau das ist, was ihn dazu bewegt, den Entschluss zu fassen, Dich zu buchen. Außerdem lernst Du bei einem Testshoot ein ganzes Team an Leuten kennen: einen professionellen Fotografen, einen Stylisten, einen Make-Up Artisten, die alle bereits für Magazine und Modelabels arbeiten. Wenn Du bei ihnen gut ankommst, zeigen sie vielleicht Dein Portfolio einem ihrer Kunden. Außerdem wirst Du bei einem Testshoot oft in verschiedenen Stilen fotografiert, das kann ‚Fashion’ sein, ‚Lingerie’, ‚Lifestyle’ oder ‚Business’ – so kannst Du Deine Wandelbarkeit unter Beweis stellen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass kommerzielle Kunden gerne schöne Modefotografien in den Portfolios sehen, umgekehrt ist dies aber nicht der Fall. Kommerzielle Strecken sind daher meist nicht Teil eines Portfolios eines Fashionmodels, auch wenn kommerzielle Aufträge meist die größte Einkommensquelle sind. Ein Showreel (ein Video, in dem Du Dich vorstellst) ist eine großartige Ergänzung zu Deinem Portfolio und zeigt den Labels, die an Dir interessiert sind, wie Du Dich bewegst. Polaroids und Snapshots, auf denen wenig Make-Up verwendet wird und die üblicherweise nicht digital bearbeitet werden, sollen Dich dem Kunden so natürlich wie möglich präsentieren und die Chance auf eine direkte Buchung erhöhen.
Investment und Empathie
Du hast nur eine Chance auf einen guten ersten Eindruck bei einem Casting oder Go-See (das erste Treffen mit einem Kunden). Es gibt kein besseres Investment, als in der Nacht zuvor früh schlafen zu gehen, die richtige Ernährung und ein Personal Trainer im Fitnessstudio, um in Form zu bleiben. Stelle sicher, dass Du Dein eigenes Make-Up richtig aufträgst (auf Youtube gibt es dazu genügend Tutorials). Auch Dein Outfit kann ein ‚Dealmaker’ oder ein ‚Dealbreaker’ sein. Trage keine abgelaufenen Schuhe (wenn möglich, investiere in ein Paar High-Heels, die Du nur zu Jobs und Castings trägst). Trage nicht die Jeans von der Konkurrenz, wenn Du zu einem Go-See mit einer Denim-Brand gehst, das könnte peinlich werden. Wenn Du zu einem ausgefallenen Brand eingeladen bist, kann es helfen, ein etwas farbenfroheres Outfit zu wählen. Im Zweifelsfall bist du aber mit sicheren Alternativen gut beraten. Halte Dich an Kleidung ohne auffällige Labels und lass die Finger von zu schreienden Prints. Ein paar skinny Jeans und ein weißes Shirt sind immer eine sichere Wahl.
Größe 38 ist kommerzieller als Größe 36
Es ist ein allgemeiner Irrglaube, dass Models immer superdünn sein müssen. Das ist einfach nicht realistisch. In meiner Erfahrung ist die Kleidung bei einem Shoot meistens zu groß für Models mit Größe 36. Die Hosenklammer, die genutzt wird, um die Hose hinten am Bund enger zu machen, hat schon zu vielen lustigen Situationen geführt, weil ich mich beim Posieren so gedreht habe, dass sie auf dem Bild zu sehen war. Obwohl ich Größe 36 habe, setzen die Modelagenturen gerne eine 38 auf meine Setcard, weil das kommerziell erfolgversprechender ist. Viele Kleidungsstücke in Größe 38 passen einer 36 perfekt, so erhöht das unsere Buchbarkeit. Natürlich weichen französische und italienische Größen von den Britischen ab, das sollten Models, die in Paris und Mailand arbeiten immer im Gedächtnis behalten.
Die Annahme, dass alle Models sich zu Tode hungern, ist ebenfalls oft falsch. Ich kenne Models, die stolz darauf sind, mehr essen zu können als Ihre männlichen Freunde – nicht um jemandem etwas zu beweisen, sondern weil es stimmt. Sie sind von Natur aus dünn und praktizieren dazu einen gesunden Lifestyle mit viel Sport – das Letztere geben sie aber ungern zu. Natürlich gibt es auch Mädchen, die extreme Maßnahmen ergreifen, um die begehrten 90-60-90 zu erreichen und zu halten, aber es ist unmöglich, diese für lange Zeit durchzuhalten und es kann sehr ungesund sein. Wenn das bei Dir der Fall ist, solltest Du in Dich gehen und Dich fragen, ob Modeln wirklich das Richtige für Dich ist.
Ganz abgesehen davon, gibt es tolle Beispiele für Plus-Size-Models die als ‚skinny’ Models unglücklich waren und sich jetzt vor Aufträgen kaum retten können. Also, bevor Du Dich aufs Modeln stürzt, denke gut darüber nach, ob Modeln wirklich etwas für Dich und Deinen Lifestyle, Deinen Körperbau und Deine Ambitionen ist.
Natasja Admiraal ist als freie Journalistin seit 2008 für FashionUnited tätig. Sie schreibt auch über verwandte Themen wie Schmuck und Design. Gelegentlich finden Sie Natasja auch auf dem Cover eines Magazins – sie arbeitet seit zehn Jahren auch als Model.
Geschrieben für FashionUnited NL von Natasja Admiraal, übersetzt und bearbeitet von Barbara Russ
Foto 1: Während eines Modeshootings für Parool Mode mit RVDA
Foto 2: Fotoshoot in Malaga