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Berlin Fashion Week: SF1OG verwebt Familiengeschichte und Flucht

Von Weixin Zha

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Mode

Upcycling mit Großmutters Fellmänteln und roten Sofabezügen. Bild: Kowa Berlin

Am Anfang ist die Ungewissheit, dann kommt der Aufbruch, die Angst, Verstörung, Trauer, schließlich die Resignation, dass man schon so lange unterwegs ist. All diese Emotionen von Menschen auf der Flucht hat Rosa Dahl versucht in ihrer Kollektion aufzufangen, die sie beim vielversprechenden Debüt ihres Streetwear-Labels SF1OG während der Berliner Modewoche vorgestellt hat.

Die Show beginnt mit einem Model, knapp mit einem übergroßen weißen Hemd bekleidet. Das nächste trägt eine abgewetzte weiße Jacke, es folgt ein Model im schwarzen V-Neck-Pulli, der mit hellroten Leder-Fransen durchsetzt ist. Die düstere Atmosphäre wird mit der angespannten Musik noch verstärkt, zwischendrin heulen Sirenen.

Das Debüt von SF1OG bei der Berliner Modewoche. Bild: Kowa Berlin

Das Thema der Flucht ist angesichts der russischen Invasion in der Ukraine brandaktuell, aber die Idee zur ihrer Kollektion "PP1P" trug Dahl schon lange in sich. „Die Kollektion handelt von Flucht und Krieg, das war von Anfang an das Thema, weil das die Geschichte meiner Oma ist”, sagte Dahl am Donnerstag in Berlin nach ihrer Show in einem ehemaligen Fabrikgebäude im Berliner Stadtteil Neukölln.

Familie und Flucht

Ihre Großmutter flüchtete während des Zweiten Weltkriegs aus ihrem Dorf, das im heutigen Polen liegt. „Viele Menschen haben gedacht, sie kommen zurück, aber das sind sie nicht”, erzählt sie über die Geschichte der Deutschen, die damals vor der Roten Armee flüchteten.

Für ihre Kollektion hat sie Fotos von ihrer Großmutter analysiert und Dokus geschaut. „Ich mag immer sehr gerne Linien, ich habe die Linien, die ich dort gesehen habe – und teilweise Silhouetten und Muster nachgezeichnet – und in den Schnitt eingearbeitet”, erzählt sie.

SF1OG bei der Berliner Modewoche. Bild: Kowa Berlin

Eine große Rolle spielen auch wiederverwendete Materialien, denn diese haben bereits eine Geschichte – “das ist eine Geschichte zu erzählen, im übertragenenen Sinne”, erklärt die Designerin. Eine kurze Jacke wurde aus 150 Jahre alten Weizensäcken gefertigt, alte Fellmäntel ihrer Großmutter vernähte sie zu einem langen Patchwork-Mantel.

Nach einem Fußmarsch nach Berlin und Aufenthalten in Heimen kam auch die Großmutter von Rosa Dahl am Ende in einer deutschen Kleinstadt an, wo sie zur Schule ging. Aber sie fühlte sich fremd und nachhause konnte sie nicht mehr. „Trauer, Freude, Resignation, du weißt nicht, wie du dich fühlen sollst”, beschreibt Dahl die Emotionen von Flüchtenden nach ihrer Ankunft, die sie im letzten Teil ihrer Show mit den Zuschauenden teilen möchte.

SF1OG bei der Berliner Modewoche. Bild: Kowa Berlin

Nächste Schritte

Mit verschiedenen Konzepten hat Dahl schon in der Vergangenheit gearbeitet, als sie einzelne Outfits für Künstler entworfen hat. Die Aufträge haben anfangs kurzfristig finanzielle Sicherheit gegeben. Dann kam der Gedanke den nächsten Schritt zu gehen. Sie wollte nun mit einer Kollektion auch mal “ein komplettes Bild, eine komplette Vision zeigen.”

Ihr Label SF1OG hat sie bereits 2019 während des Studiums an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin gegründet. Seitdem sie ihr Studium 2021 abschloss, konzentriert sie sich voll auf ihr eigenes Label.

Im vergangenen Jahr stieß auch Jacob Langemeyer dazu, die beiden kennen sich noch aus der Schulzeit in Lüneburg. Er kümmert sich seitdem um die wirtschaftlichen Fragen und das Marketing.

Rosa Dahl & Jacob Langemeyer. Bild: FashionUnited

Mittlerweile haben die beiden auch mit kleinen “Serienproduktionen” begonnen. Diese Longsleeves oder Westen kosten im eigenen Onlineshop zwischen 120 und 390 Euro, und sind günstiger als die Einzelstücke, die meist aus upgecycelten Materialien bestehen und schon mal 700 Euro oder mehr kosten.

„Wir wollen solchen Materialien einen Nutzen geben. Solche Produkte kann man nicht als Serienpodukte machen, das sind One-offs”, erklärte Langemeyer.

Noch wird die Kollektion von Rosa Dahl selbst in Berlin genäht, in der Zukunft möchten die beiden die Produktion ausweiten und auch eine komplette Kollektion verkaufen. Verkaufspunkte außerhalb des eigenen Onlineshops gibt es noch nicht, aber das Label ist bereits mit ersten Modehandelsunternehmen im Gespräch.

Bei Interesse von Handelsseite könnten zum Beispiel Teile aus der derzeitigen Kollektion als Kapsel hergestellt werden, sagt Dahl. Sie will aber insgesamt “mit dem Flow” gehen. „Wir sind ein Team aus zwei Leuten, da kann man sehr gut reagieren. Wir sind sehr flexibel.”

FashionUnited nahm auf Einladung der Veranstalter an der Berlin Fashion Week teil.

Berlin Fashion Week
SF1OG