Berlin Fashion Week: Fünf Marken mit frischem Wind

Die Berliner Modewoche erkämpft sich als Underdog mehr und mehr eine Position zwischen den großen Fashion Weeks in Paris, Mailand und London. Bekannte Namen wie GmbH und Marie Lueder sind auch in dieser Saison wieder dabei und zeigen ihre aktuellen Kollektionen. Die deutsche Hauptstadt lebt aber auch von einem wandelnden Angebot aus etablierten und neuen Marken, die frischen Wind in die Metropole bringen.

Einige der Newcomer haben schon internationale Erfolge gefeiert, während andere gerade ihre erste Laufstegkollektion bei einer großen Modewoche präsentieren werden. Im Gepäck haben die aufstrebenden Marken eine ordentliche Portion Do-it-Yourself-Ästhetik mit einer Prise Upcycling sowie frische Ideen und Kreativität.

Colrs

Colrs wurde 2017 von Zec Elie-Meire gegründet. Der haitianisch-deutsche Designer startete mit einfachen Upcycling-Projekten in seinem Kinderzimmer und studierte später Men’s Tailoring an der Modeschule Esmod in Paris.

Bei Colrs ist es immer Sommer. Ein Gefühl von Leichtigkeit und Fröhlichkeit zieht durch jede Kollektion. Dafür bringt Elie-Meire seinen multikulturellen Hintergrund mit einem von Fröhlichkeit und Punk inspirierten Stil zusammen, der eine gewisse Naivität ausstrahlt.

Seine erste Laufstegkollektion präsentierte Elie-Meire in Lagos, Nigeria. Außerdem war Colrs in der vergangenen Saison beim New Wave Showroom der Berliner PR-Agentur Reference Studios während der Berliner Modewoche vertreten, gefolgt vom Berlin International Sales Showroom in Paris im September. Nun kehrt die Marke auf den Laufsteg zurück und zeigt ihre Kollektion erstmals in Form einer Show in Berlin

Für die aktuelle Kollektion lässt sich der Designer vom “mühelosen Coolness-Faktor” des früheren Fiat-Chefs Gianni Agnelli und dem Selbstbewusstsein von Rennfahrern der 50er Jahre wie Stirling Moss und Juan Manuel Fangio inspirieren.

Kasia Kucharska

Die Berliner Marke Kasia Kucharska wurde 2021 gegründet. Sie interpretiert traditionelles Handwerk mit technologisch fortschrittlichen Fertigungstechniken neu. Statt genähten Stücken setzt die Marke auf Latexprodukte, die mit einer speziellen Drucktechnik gefertigt werden. Dafür verarbeitet Kasia Kucharska das flüssige Latex, fügt Farbpigmente hinzu und druckt dann die finalen Schnittteile. Durch diese Herangehensweise sollen Produktionsabfälle vermieden werden.

Kasia Kucharska bringt das natürliche Gummimaterial in verschiedene Muster, die sich in den jeweiligen Stücken wie Bodys, Tops, Leggings und auch Kleidern wie eine zweite Haut um den Körper legen. Dabei sieht es teilweise aus, als hätte man die Träger:innen mit einem Hochdruckgebiet von einer Wetterkarte oder einem Blumenmeer bemalt.

Die Marke wurde kürzlich mit dem Fashion Fund des Modemagazins Vogue und des deutschen Modeverbands Fashion Council Germany ausgezeichnet.

Andrej Gronau

Der in Deutschland geborene Modedesigner Andrej Gronau erwarb seinen Master in Mode an der Mode- und Kunsthochschule Central Saint Martins in London. Er wurde für seine Abschlusskollektion mit dem Isabella Blow Award ausgezeichnet, der vom britischen Modeverband verliehen wird. Einen Tag nachdem er seine Abschlusskollektion bei der Londoner Modewoche präsentierte, kontaktierte ihn der Onlinehändler Ssense, um eine Kapsel-Kollektion in Auftrag zu geben. Dies sei der Startschuss für seine eigene Marke gewesen, erklärte Gronau.

Die 2022 gegründete Ready-to-Wear-Marke vereint spielerisches Design mit Handwerkskunst wie Strickwaren und traditioneller Schneiderei. Aufwändige Details und ausdrucksstarke Silhouetten runden die von kindlicher Fantasie geprägten Kollektionen ab.

Gronaus Kollektionen werden zwei Mal im Jahr im Pariser Showroom von Branchenexpertin Angela Farrugia vorgestellt. Neben Europa ist die Marke besonders in Japan und Südkorea beliebt, wo Andrej Gronau bei drei “wichtigen Händler:innen” vertreten ist. Auch werden seine Stücke immer wieder von koreanischen Pop-Bands wie Illit und NewJeans in Musikvideos und bei Auftritten getragen.

Palmwine IceCream

Kusi Kubi, Gründer von Palmwine IceCream (PWIC), bringt die lebendige Energie Accras ins graue London. Der Startschuss der Marke geht ins Jahr 2018 zurück, als sich Kubi auf eine Reise zu seinen Wurzeln nach Ghana begibt und sich dort wieder mit der Kultur, der Traditionen und dem Kunsthandwerk annähert. Ein Jahr später gründete er die Marke, bei der besonders der Kantamanto-Markt für Secondhand-Kleidung in der ghanaischen Hauptstadt im Mittelpunkt der Inspiration und Beschaffung steht, der kürzlich von einem Großbrand zerstört wurde.

Der Designer nutzte den Markt, um Kleidung und Materialien für seine Kollektionen zu finden und aus ihnen geschlechtsneutrale Stücke zu entwerfen. Eine Mischung aus modernem Tailoring, raffiniertem Handwerk und avantgardistischer Ästhetik vereint PWIC zu Stücken, die sich zwischen lässiger Streetwear, königlicher Opulenz und kulturellen Einflüssen bewegen.

PWIC sei die erste afrikanische Marke, die als Gewinnerin des BFW Konzeptwettbewerbs in der Kategorie ‚Berlin Contemporary‘ ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig ist es auch das Berlin-Debüt der Marke.

„Schon immer, noch bevor ich die Gelegenheit hatte, hier zu präsentieren, habe ich eine besondere Zuneigung für Berlin empfunden. Die Stadt besitzt diese unglaubliche Fähigkeit, die eigene Identität formen zu lassen, was ich wirklich inspirierend finde“, sagte Kubi. „Derselbe Sinn für Individualität prägt auch die Berliner Modewoche und macht sie so einzigartig. Berlin und PWIC sind wie füreinander geschaffen. Die Energie der Stadt und die Vision der Marke harmonieren perfekt.“

Laura Gerte

Laura Gerte baut die Marke auf den zwei Säulen Nachhaltigkeit und Selbstbewusstsein auf. Das in Berlin ansässige Label stellt kraftvolle Weiblichkeit in den Mittelpunkt. Die Upcycling-Stücke sind eine Mischung aus Drama, Verspieltheit und Future Punk, erklärt Laura Gerte. Die aktuelle HW25-Kollektion „Looped & Bound“, die bei der Fashion Week vorgestellt wird, wurde von Cyborg-Theorien und der Verschmelzung von Mensch und Maschine inspiriert.