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Berlin Fashion Week: Fünf Highlights aus der Hauptstadt

Von Jan Schroder

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Mode

Den Berliner Modenschauen eine Zäsur bevor: Im Frühjahr hatte Mercedes-Benz angekündigt, sich als Sponsor der von IMG veranstalteten Laufstegveranstaltungen zurückzuziehen. So gab die Mercedes-Benz Fashion Week in der vergangenen Woche ihre Abschiedsvorstellung in der Hauptstadt. Künftig will der Autobauer in Berlin zusammen mit dem Fashion Council Germany den deutschen Modenachwuchs fördern.

Bei der letzten Ausgabe der Mercedes-Benz Fashion Week herrschte bereits eine gewisse Endzeitstimmung: Das Programm der Veranstaltung, die lange synonym für die Berliner Catwalk-Shows gestanden hatte, war auf eine Rumpfbesetzung zusammengeschrumpft. Die meisten Schauen fanden anderswo statt. Marken wie Marc Cain und Michalsky gehen ohnehin schon länger eigene Wege, vor allem aber hat der Berliner Mode Salon, der schon seit mehr als zwei Jahren für gehobene Qualitätsansprüche steht, weiter an Bedeutung gewonnen: Er organisierte diesmal unter anderem die aufsehenerregenden Shows von Hugo Boss und Marina Hoermanseder. Für die Berliner Modewoche ist er längst zum unentbehrlichen Eckpfeiler geworden, auf dem die Hoffnungen für die Zukunft des Modestandorts ruhen. Was die Relevanz angeht, konnte er der Mercedes-Benz Fashion Week ohnehin bereits den Rang ablaufen.

Trotzdem bleiben Fragen, wie es mit den Modenschauen in Berlin in Zukunft weitergehen wird. In der vergangenen Woche wurden immerhin erste Erwartungen geweckt. So machte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries dem Fashion Council Germany ihre Aufwartung. Die deutsche Modebranche kann nun darauf hoffen, dass entscheidende Aspekte wie Nachwuchs- und Exportförderung endlich die nötige politischen Unterstützung bekommen. Noch überwiegen allerdings die Unklarheiten: Fraglich ist derzeit, wie es mit den Berliner Catwalks organisatorisch und inhaltlich weitergehen wird. Außerdem blieb bislang offen, was für einen größeren Erfolg der deutsche Mode eigentlich genau getan werden muss. Eine stärkere Unterstützung von Talenten ist ein Fortschritt, was aber die gewünschten Resultate solcher Initiativen sein sollen, gilt es noch zu konkretisieren.

Der Berliner Modewoche könnte bei solchen Bemühungen eine wichtige Rolle zukommen. Dafür muss sie aber ein klareres Profil bekommen als die verblichene Mercedes-Benz Fashion Week. Auf der drohten die starken einheimischen Teilnehmer zuletzt in einem wenig stringenten Potpourri aus modisch kaum relevanten Marken, Modeschulabsolventen und willkürlich ausgewählten internationalen Gästen unterzugehen. Ein Neustart bietet nun Chancen, den Fokus stärker auf wirklich ambitionierte deutsche Mode zu legen – zumal grundsätzlich genug Qualität vorhanden ist. Denn die war bei aller Umbruchstimmung auch in der vergangenen Woche durchaus vorhanden.

Smart: Hugo Boss

Die Rückkehr von Hugo Boss nach Berlin setzte ein Ausrufezeichen. Eine echte Leistungsschau der deutschen Mode ist ohne den weltweit wichtigsten hiesigen Modekonzern kaum denkbar. In den vergangenen Jahren hatten die Metzinger der Hauptstadt den Rücken gekehrt, um in New York und Shanghai ihre neuen Kollektionen vorzuführen. Nun waren sie wieder da – ganz programmatisch nicht auf der Mercedes-Benz Fashion Week, sondern im Berliner Mode Salon. Eine eigene Schau veranstaltete der Konzern auch. Die verriet eine neue Ernsthaftigkeit: Hatte Hugo Boss früher bombastische Schauen für Hunderte von Gästen veranstaltet und dafür ganze Zirkuszelte angemietet, wurde nun nur eine kleine, eigens für den deutschen Markt entworfene „Gallery Collection“ in der beeindruckend kargen Sichtbetonhalle der ehemaligen St.-Agnes-Kirche gezeigt. Dass die ansonsten als Kunstgalerie genutzt wird, passte ins Bild. Einen Laufsteg gab es nicht, lediglich eine schlichte, aber eindringliche Präsentation. Mit seiner kleinen Damenkollektion zeigte der Weltkonzern beispielhaft, wie sich ästhetischer Anspruch und Markttauglichkeit verbinden lassen: Mit klaren geometrischen Drucken und strengen Plisseefalten war sie von strenger Klarheit, ohne allzu schroff auszufallen.

Clever: Marina Hoermanseder

Zur erfolgreichen Marke hat sich in recht kurzer Zeit auch Marina Hoermanseder entwickelt. Die gebürtige Wienerin entwirft von Berlin aus unter anderem Uniformen für die österreichische Post oder Saftkartons mit ihrem prägnanten Riemenmotiv. Auf der Baustelle des Humboldt-Forums konzentrierte sie sich wieder auf das Kerngeschäft, die Damenmode.

Der Lederriemen, einst das Thema ihrer noch sehr avantgardistischen Abschlusskollektion an der Berliner Modeschule Esmod, ist als Markenzeichen weiter allgegenwärtig: in seiner Urform, als geprägte Struktur, Applikation oder Print. Angereichert wurde das Repertoire diesmal um traditionelle russische Motive und großvolumige Volants, die nicht nur dekorative Funktion hatten, sondern abstrakte Silhouetten formten. Manche Entwürfe sind nahe an der Selbstparodie, viele aber in ihrer Originalität einfach überzeugend. Dass die Marke Hoermanseder inzwischen schon funktioniert wie internationale Weltmarken bewiesen neben den allgegenwärtigen Accessoires diesmal auch zahlreiche lässige Sportswear-Teile, die durch ein geschickt platziertes Riemenmotiv eindeutig dem Kosmos der Designerin zuzuordnen sind.

Spannungsvoll: Vladimir Karaleev

Nicht nur die Berliner Fashion Week ist im Umbruch, auch in der weiten Welt sind zuletzt einige vermeintliche Gewissheiten obsolet geworden. In der Mode spiegelt sich das auf unterschiedliche Weise: Manche Labels setzen auf klare politische Statements, andere auf abstraktere Antworten. Um die gesellschaftlichen Brüche in Kleidungsstücken zu reflektieren, greifen viele Designer wieder zu dekonstruktivistischen Ansätzen. Traditionelle Motive werden zerlegt und spannungsvoll neu zusammengefügt, das Resultat ist kunstvolle Disharmonie. Zu sehen war dies in Berlin unter anderem bei Antonia Goy und der „Designer for Tomorrow“-Siegerin Lara Krude. Besonders gekonnt arbeitete der Berliner Designer Vladimir Karaleev mit bewussten Brüchen und Kontrasten – was auch kein Wunder ist, schließlich entwirft er schon seit Jahren nach diesen Grundsätzen und musste nicht extra auf einen Trend aufspringen.

Selbstbewusst: Steinrohner

Der schnelllebige Außenwelt, die immer neue Statements einzufordern scheint, lässt auch mit einer konträren Strategie begegnen: dem Rückzug auf den eigenen Weg. Viele Designer sind inzwischen nicht mehr bereit, sich dem Diktat der Trends zu beugen oder mit plakativen tagesaktuellen Statements gesellschaftspolitische Relevanz vorzuspiegeln. Stattdessen arbeiten sie in aller Ruhe an der Verfeinerung der eigenen ästhetischen Vision. In Berlin haben sich Michael Sontag oder Perret Schaad diese Zurückhaltung auferlegt. Auch das Label Steinrohner arbeitet so. Ganz programmatisch fasst es seine Entwürfe nicht in saisonalen Kollektionen, sondern in Editionen zusammen – und bewegt sich tatsächlich an der Grenze von Mode und Kunst.

Ausgehend von einem Leitthema, das von modischen Trends bestimmt wird, sondern der Natur entstammt, entwickeln die beiden Designerinnen ihre prägnanten Drucke und Schnitte. Nachdem sie in den vergangenen Jahren bereits Kakteen, Gesteinsformationen und Eiskristalle als Ausgangspunkte für ihre Entwürfe gewählt hatten, waren es für die aktuelle „Édition Flora“ nun historische Stiche mit Blumenmotiven.

Dass es dabei auf die Essenz und nicht auf Nebengeräusche ankommt, wurde bei der Modenschau im ehemaligen Kaufhaus Jandorf überdeutlich: Hier gab es keine inszenatorischen Mätzchen, keine krampfhaften Versuche, die unsichtbare Wand zwischen Models und Publikum aufzubrechen, wie sie auf der Fashion Week ansonsten des Öfteren unternommen wurden. Ein paar geschmackvolle Blütenarrangements reichten, um die passende Atmosphäre zu schaffen. Oft sind die kargen Räumlichkeiten, die von der Mercedes-Benz Fashion Week zum zweiten Mal genutzt wurden, kritisiert worden – hier erwiesen sie sich einmal mehr als angemessen neutrale Kulisse, vor der die Mode umso besser zur Geltung kam.

Maskulin: Ivanman

Männermode gab es in Berlin auch zu sehen. Im Vordergrund stand sie nicht, obwohl mit Ivanman wieder einmal ein Menswear-Label den Schauenreigen offiziell eröffnen durfte. Das zeigte eine solide, von klassischer Arbeitskleidung inspirierte Kollektion in Schwarz und kräftigem Blau. Ansonsten gab es zwar vereinzelt Herrenoutfits auf den Laufstegen zu sehen, aber insgesamt dominierte Damenmode. Menswear findet während der Berliner Modewoche vornehmlich abseits der Catwalks statt – vor allem auf den Messen Seek, Bright und Selvedge Run. Doch da geht es weniger um künstlerischen Anspruch als um coole Marken, um Street- und Casualwear, Denim oder Handwerkskunst. Avantgardistische Männermode mit klarer künstlerischer Handschrift fristet in der Hauptstadt weiter ein Schattendasein. Aber was das angeht, reflektiert die Modewoche immerhin das Berliner Straßenbild.

Fotos: FashionUnited(1),Hugo Boss(1), Getty Images für Der Berliner Mode Salon(3), Mercedes-Benz Fashion (6)
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