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Balaclavas oder auf den Spuren des Trends zum Verhüllen

Von Weixin Zha

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Mode

Balaclava im Kleid inbegriffen. Bild: Juun.J HW22 via Catwalkpictures

Während der Pandemie und mit Tragepflicht von einem Mund-Nasen-Schutz haben Menschen verhüllende Accessoires für sich entdeckt. So ließe sich der jüngste Trend zu Balaclavas erklären, aber im Trend zum Verhüllen steckt noch mehr Potenzial für die Mode, wie das Modehaus Balenciaga und die Kollektionen für Herbst-Winter 2022 zeigen.

Der Komfort der Anonymität

Das Accessoire wird über den Kopf gestülpt getragen, umhüllt Haupt und Hals, lässt ein Fenster für das Gesicht frei oder nur noch einen Sehschlitz. Was früher als funktionelle Vermummung im Wintersport oder beim Bankraub dienlich war, ist plötzlich unter dem Namen Balaclava straßentauglich.

Haben sich die Menschen an den Komfort der Anonymität beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gewöhnt? Das war eines der Erkenntnisse von der Mode-Beratung Hachmeister + Partner und den Marktforschern von Concept M, als sie das Einkaufsverhalten der Menschen nach den Lockdowns in tiefenpsychologischen Interviews untersuchten.

„Durch die Maske entsteht bei Konsumenten ein Gefühl der Unsichtbarkeit. Seine Mimik ist für andere nicht sichtbar. Wenn ich für andere unsichtbar bin, bleibe ich in meiner Komfortzone”, sagte Tobias Humpert, geschäftsführender Gesellschafter bei Hachmeister + Partner.

Foto: Jil Sander x Arc’teryx

Schick mit Strick

Jetzt sind die Balaclavas voll im Mode-Mainstream angekommen. In flauschiger Woll-Version sind sie Teil der Winter-Kollektion von Arket, einer Modekette, die zum schwedischen Modekonzern Hennes & Mauritz gehört. Mit ihrer Kollaboration bewiesen das Mailänder Modehaus Jil Sander und das Outdoor-Label Arc’teryx, dass das Accessoire auch seinen festen Platz im Gorpcore-Trend hat.

Die Herrenmode-Kollektionen für den kommenden Herbst zeigen, dass der Balaclava-Trend gerade erst in Schwung kommt. Gerne kommen die Kopfbedeckungen auch im Set, im passenden Muster zu Schals oder anderen Kleidungsstücken – wie bei den HW22-Kollektionen der Modelabels Ernest W. Baker, Sankuanz oder Dolce & Gabbana. Manche Modelle erlauben auch verschiedene Tragearten, zum Beispiel als Mütze oder Schal.

Balaclavas im Mainstream: Aus Wolle von Arket (links) und mit Leopardenmuster bei Jet Set (rechts). Bild: Arket / Jet Set

Ein Accessoire, das nicht ganz neu ist

Der Name der Kopfbedeckung Balaclava sollte auf keinen Fall mit dem süßen Gebäck Baklava verwechselt werden. Die im englischsprachigen Raum gebräuchliche Bezeichnung stammt noch aus den Zeiten des Krimkriegs, als britische Soldaten die Kopfbedeckung bei der Schlacht von Balaclava als Schutz gegen die Kälte trugen. Bei der Armee oder im Sport ist das funktionelle Accessoire also schon lange im Einsatz.

Überhaupt sind die Vergangenheit und Verwendung des Accessoires äußerst vielseitig. In der peruanischen Folklore werden Waq’ollo genannte Maskenmützen zu Kostümen getragen; ebenso erinnert die Form der Balaclavas an die Kettenhauben der Ritter aus dem europäischen Mittelalter. In den vergangenen Jahrzehnten diente das Accessoire oft zur Vermummung, war zur Identitätsverschleierung bei Terroristen beliebt, bei den Ultras aus der Fußballszene oder bei Demonstranten, die lieber unerkannt bleiben.

Balaclavas bei den Herrenmodeschauen HW22. Bild: Louis Vuitton, Sankuanz und Loewe via Catwalkpictures

Ein subversives Kleidungsstück im Trend

Es ist dieser Hauch von Radikalität, Gewalt, Protest und Subkultur, der dieser Kopfbedeckung anhaftet, der sie letztlich interessant für die Mode macht. Das Upcyling-Label Bean Baby präsentiert beispielsweise eine weiße Balaclava mit Sehschlitz und langen Hasenohren, und damit ein subversives Accessoire, das zugleich seine Verniedlichung ist. Beim Luxusmodehaus Loewe bekommen die Balaclavas eine herzförmige Öffnung.

Angesichts der Diskussionen über Gesichtsschleier-Verbote, stellt sich mit dem Im-Trend-Liegen der Balaclavas insgeheim die Frage danach, inwiefern das Verhüllen des Gesichts und letztendlich der Identität kulturell akzeptiert ist und politisch erlaubt sein sollte. Wäre das Tragen einer Balaclava mit Sehschlitz auf der Straße vor dem Eingang zu einer Modenschau "in Ordnung", aber das Anhaben einer Niqab-Burka an demselben Ort inakzeptabel?

Subversiv, niedlich und aus Reststoffen: Bunny Bali von Bean Baby. Bild: Bean Baby, Isaac Lamb for the Ragged Priest

Die vielen Namen – schon alleine im Deutschen – wie Biwakmütze, Sturmhaube oder Roger-Staub-Mütze, sind ein weiterer Beweis für die vielfältigen Einsatzbereiche. Aber für ein aufkommendes It-Piece klang doch ein neuer Name wie Balaclava besser, das bereits zur Saison Herbst-Winter 2018 auf dem Laufsteg der Designerin Marine Serre in Paris auftauchte. Die Kopfbedeckungen der Models trugen ihr Markenzeichen, Mondsicheln, als Muster. Das maskierende Accessoire wurde auch gerne von Designer Demna Gvasalia eingesetzt, der in seinen Kollektionen für Balenciaga und Vetements mit Fantasien von Weltuntergang und Fetisch spielte.

Marine Serre AW18, Vetements SS19 und Balenciaga SS22. Bild: Catwalkpictures

Das Verhüllen weiter gedacht

Die Tendenz zum Verhüllen kulminierte spätestens im vergangenen September als Promi Kim Kardashian mit einem schwarzen Ganzkörperanzug bei der Met Gala auftrat – begleitet von keinem geringeren als Gvasalia. Die Frau, die vormals durch ihren Körper auffiel und bekannt wurde, verschwand plötzlich einschließlich ihres Gesichts hinter ihrer schwarzen Silhouette,… oder doch nicht?

Denn trotz ihrer “Unsichtbarkeit” verriet ihre Körperform, wer dahinter steckte. „Die Leute würden aufgrund ihrer Silhouette sofort erkennen, dass es Kim ist. Sie müssten nicht einmal ihr Gesicht sehen, wissen Sie?“, erklärte Demna Gvasalia sein Konzept in der Modezeitschrift Vogue Anfang Februar. „Und ich denke, das ist die wahre Macht ihrer Berühmtheit, dass die Leute ihr Gesicht nicht sehen müssen, um zu wissen, dass sie es ist."

Kleidung, die das Gesicht hinter dem Blitzlicht verschwinden lässt. Bild: Balr. x Ishu

Sichtbar verborgen

So viel zu physischen Körperbedeckungen. Wer genug von Balaclavas und Masken hat, aber Möglichkeiten sucht, in der digitalen Welt anonym zu bleiben, wird bei der niederländischen Modemarke Balr. fündig.

Das von einem Fußballertrio gegründete Label kooperierte mit der Londoner Tech- und Fashionmarke Ishu für eine Kollektion, die Sonnenlicht-Technologie nutzt, um den Blick des Betrachters abzulenken und das Bild verzerren. Beim Fotografieren reflektieren die Oberstoffe der Jacken oder Ponchos – die Tausende von nanokugelförmigen Kristallen enthalten – das Blitzlicht zurück in die Kamera, sodass das Gesicht der Träger:innen im Dunkeln bleibt.

Wer außer den Promi-Fußballern kann besser nachvollziehen, warum es Kleidung braucht, um dem Blitzlichtgewitter zu entgehen?

Dieser Beitrag entstand mithilfe von Ole Spötter.

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