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3D-Pioniere: Digitales Design bei Hugo Boss

Von Weixin Zha

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Mode

Die Digitalisierung kommt in der Modebranche an. Das Entwerfen von Kleidung mithilfe von 3D-Software, spart nicht nur Geld. Produkte können auch schneller auf den Markt und näher zum Kunden kommen. Der Metzinger Modekonzern Hugo Boss entwickelt bereits 40 Prozent seiner Kollektion virtuell und ohne ersten handgefertigten Prototypen.

Welches ist echt und welches nicht? Schwer zu sagen, bei den zwei Bildern eines schwarzen Stift-Kleids mit transparenten Einsatz, die Jule Widmann, während ihrer Präsentation zeigt. Auch die Effekte an der Naht eines simulierten orangenen Organza-Rocks sind deutlich zu erkennen und das weiße Futter scheint durch, wie die Teamleiterin für Pattern Design Woman bei Hugo Boss auf der Bühne des Re’aD Summits herausstreicht.

Bei der Konferenz des Deutschen Mode-Instituts am 15. November haben sich Fachleute aus der Modebranche versammelt, um über die Digitalisierung der Lieferkette zu diskutieren. Im Vergleich zur Automobilbranche hat die Modeindustrie viel Nachholbedarf. Noch schicken Lieferanten wiederholt Farbmuster an Modeunternehmen, werden Prototypen manuell anstatt digital gefertigt. Inmitten der tiefgreifenden Veränderungen steht auch Hugo Boss.

Von links nach rechts: Birgit Wiech, Jule Widmann, Andreas Seidl

“Einfach umstellen auf 3D, das wird der Zeit nicht mehr gerecht. Was sich ganz klar zeigt, ist dass sich die Produktentwicklung komplett verändern muss”, sagt Birgit Wiech, Senior Head of Product Excellence Woman bei Hugo Boss, während der Präsentation mit ihrer Kollegin. “Wir befinden uns in einem massiven Umbruch, wo wir auf Geschwindigkeit setzen müssen. Und unser Ziel ist es, diesen ganzen Prozess bis in den Store raus zu digitalisieren.”

Schneller von der Idee zum Produkt

Hugo Boss hat mit der Umstellung der Produktentwicklung bereits 2013 angefangen. Zuerst wurden simple Kleidungsstücke wie Jerseys, Shirts und Strickwaren auf dem Computerbildschirm simuliert. Der Vorteil der Erstellung von 3D Modellen am Bildschirm? Es müssen nur Oberstoff-Schnittmuster für den 3D-Prototyp angefertigt werden. Am Computerbildschirm oder in Lebensgröße können Prints, Farben und Stoffe am Modell simuliert werden, was den Designern beim Entscheiden hilft – ohne das Kleidungsstück vorher als Muster herstellen zu müssen. Änderungen am Ausschnitt und an den Ärmeln sind am Computer mit wenigen Klicks möglich.

Outerwear und Sportbekleidung werden bei Hugo Boss seit 2015 mit der 3D Software simuliert und die klassische Herren- und Damenoberbekleidung seit dem vergangenen Jahr. Nach über 1000 3D-Simulationen verzichtet Hugo Boss mittlerweile bei 40 Prozent seiner Kollektion auf den ersten oder ganz auf Prototypen. In Deutschland und in der Türkei werden die ersten Samples direkt mit Hilfe des digitalen Prototypen genäht, Produzenten in Osteuropa und Portugal beginnen auch damit zu arbeiten.

Julian Jetten, Head of Materials bei Mammut Sports Group, spricht darüber, wie er den Arbeitsprozess mit Farben digitalisiert

Kosten werden gespart, wenn die Herstellung eines Musters im Designprozess entfällt. Entscheidend ist aber vor allem die Verkürzung der Zeitspanne, in der ein Produkt auf den Markt gebracht werden kann. Während das Entwickeln eines Kleidungsstücks mit einem realen Prototypen zwei bis vier Wochen in Anspruch nimmt, dauert derselbe Prozess mit einem digitalen Pendant nur wenige Tage bis zu einer Woche, erzählt Wiech. In Zeiten von Überangebot an Kleidung, wenn Konsumenten zusehends anstelle von Bekleidungsunternehmen über Trends bestimmen, sind schnelle Produktionszeiten entscheidend um auf rasant wechselnde Vorlieben und Moden zu reagieren.

Berufsbilder im Wandel

Mit dem digitalen Wandel verändern sich auch die Berufe. Die Entwicklung der Bekleidung mit 3D-Simulation-Software erfordere eine enge Zusammenarbeit zwischen Kreativen und Schnittmachern, aber auch zwischen Patterndesigner und Produktionsbetrieb und der technischen Entwicklung, sagt Wiech.

“In Summe wird sich langfristig sicher noch ein neues Jobprofil ergeben”, erwartet sie. Aber in ihrer Abteilung hält sie alles noch offen. “Wir gehen gerade über agile, crossfunktionale Teams um dann zu schauen, welche Jobs sich daraus entwickeln.”

Tobias Rausch, Global Portfolio Manager Appearance Capture bei X-Rite, spricht über das Digitalisieren von Farbe und Materialien

Die Software kann Waschungen, wie auf Jeans-Jacken, noch nicht zur Zufriedenheit der Pattern-Designerin Widmann simulieren und die Avatare könnten noch menschlicher aussehen. Aber seit den Computerabstürzen und den sechs Stunden, die ihr Team anfangs für ein rotes Plissee-Kleid gebraucht hat, ist Hugo Boss schon weit gekommen. Im Bereich der Damenoberbekleidung wurden Teile für einen US-amerikanischen Kunden komplett digital entwickelt und verkauft. Bei der Marke Hugo kommt nur noch der digitale Prototyp zum Einsatz. Auch im Vergleich zum übrigen Sektor ist der Konzern recht weit. Rund 20 Prozent seiner Kunden entwerfen Produkte mit 3D-Technologie, schätzt Andreas Seidl, der Geschäftsführer der Human Solutions Gruppe / Assyst, deren Software auch bei Hugo Boss verwendet wird. Vor zwei Jahren seien es gerade einmal 5 Prozent gewesen.

Doch die Möglichkeiten für die dreidimensionale Simulation reichen weiter. Die Vision von Birgit Wiech ist es, alles von der Skizze bis hin zum Online-Shop zu digitalisieren. Die Kunden sollen bereits beim Einkaufen auf ihrem Handy sehen, wie eine Hose oder ein Anzug an ihrem eigenen Körper sitzt. Das würde auch die Retourenquote senken, sagt sie. “Wir wollen den kompletten digitalen Prozess für die Zukunft.”

Foto: Virtual Light Booth of X-Rite, DMI

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