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2023: Ein Jahr mit großen Musiktourneen, aber zu welchem Preis?

Von Rachel Douglass

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Fans warten in der Schlange vor dem Nissan Stadium vor dem zweiten Auftritt der Künstlerin Taylor Swift in Nashville, Tennessee. Bild: Seth Herald /Getty Images North America / Getty Images via AFP

Wenn etwas im Jahr 2023 herausragte, dann waren es die rekordverdächtigen Tourneen einiger der einflussreichsten Musiker:innen der Welt, die überall auf der Welt vor Hunderttausenden von Fans spielten, die sie immer wieder ins Rampenlicht rückten. Doch trotz der hellen Lichter in den größten internationalen Stadien haben solche Veranstaltungen in der Regel auch eine dunkle Seite.

Fast Fashion steht in der Nachhaltigkeitsdebatte regelmäßig an vorderster Front, da die Branche als eine der umweltschädlichsten gilt. Trotz des gestiegenen Bewusstseins für die Umweltverschmutzung im Allgemeinen, die auch von der Musikindustrie durch den weltweiten Transport von Musiktourneen verursacht wird, ist es der Branche gelungen, nicht von vornherein mit der Problematik schädlicher Modegewohnheiten in Verbindung gebracht zu werden.

Die zunehmende Besorgnis darüber wurde kürzlich von Remake, einer globalen Interessengruppe, die sich für eine nachhaltige und ethische Entwicklung der Modeindustrie einsetzt, hervorgehoben. In einem Gespräch mit FashionUnited sagte Katrina Caspelich, Chief Marketing Officer von Remake, zu diesem Thema: „Im Zeitalter der Influencer sind Konzerte und Modefestivals die Epizentren für die Erstellung von Inhalten mit dem Ziel, nie zuvor gesehene Looks zu präsentieren. Dies ist jedoch nicht ohne ökologische Nachteile.“

Die Identität der Künstler:innen wird zum zentralen Thema der Konzertkultur

Zwischen der Garderobe der Künstler:innen und der der Fans gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie sich Fast-Fashion-Giganten ins Spiel bringen können. Dies gilt insbesondere für die „Konzertkultur“ als Ganzes, die dazu beigetragen hat, dass sich immer mehr Fans zu den Konzerten so kleiden wollen wie ihre Stars. Während die Fans von Harry Styles' „Love on Tour“ in Federn und Samt gekleidet waren, trug der „Beyhive“ - so nennen sich die Fans von Beyoncé selbst - bei Beyoncés „Renaissance“-Tour von Kopf bis Fuß Glitzer, und die „Swifties" von Taylor Swift trugen all das in Kombination.

Die sich verändernde Garderobe zeigt sich auch auf der Bühne. An jedem Abend der Renaissance-Tournee hat Beyoncé ihr Publikum mit nie zuvor gesehenen Luxus-Outfits überrascht - insbesondere von Loewe und Balmain - und damit ihre Relevanz für die Popkultur unterstrichen sowie die Marken bei potenziellen neuen Käufer:innen bekannt gemacht. Bei ihrer Eras Tour wechselt Taylor Swift an einem Abend zwischen rund dreizehn verschiedenen Outfits, von denen viele auch pro Stadt wechseln. Jedes Einzelstück trägt zur Theatralik der Show bei, weckt aber auch die Sehnsucht der Zuschauer:innen nach Replikaten - die Fast-Fashion-Marken nur zu gerne liefern.

Taylor Swift trägt Etro bei der “The Eras Tour” 2023. Bild: Getty Images via Etro.

Der Kulturstratege von Fashion Snoops, Nico Gavino, sagte zu dieser Dimension der Beziehungen zwischen Künstler:innen und ihren Fans: „Musik hat eine lange Beziehung zur Kleidung, die weit in die Antike zurückreicht. In jüngster Zeit hat sich der Schwerpunkt jedoch nicht nur auf die Kleidung des Hauptinterpreten, sondern auch auf die Kleidung des Publikums als Teilnehmer:innen des Konzerts verlagert. Das Aufkommen der digitalen Medien hat dem Publikum eine neue Art von Beziehung zu den Musiker:innen ermöglicht, die eng mit deren Identität verbunden ist, so dass das Konzert zu einem Ort des hochemotionalen Selbstausdrucks und der Interaktivität wird. Dies spiegelt sich letztlich auch in dem immer aufwendigeren Look wider, den die Menschen bei Konzerten tragen."

Dieses Thema hat Remake in letzter Zeit besonders beschäftigt, um diesen oft unbeachteten Faktor von Tourneen, Konzerten und Festivals zu beleuchten. Caspelich: „Influencer-Kultur ist real. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben die Macht, Kaufentscheidungen und Werte ihrer Fans und Anhänger:innen zu beeinflussen. Diese Macht sollten sie ernst nehmen. Als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sind Musikkünstler:innen unverzichtbar, um die Trends, die wir sehen, voranzutreiben und zu diktieren; sie ermöglichen es ihren Fans, sich vorzustellen, welcher Lebensstil erreicht werden könnte, wenn sie ihn nur auch tragen würden. Die Konzert- und Festivalkultur hat das Konsumverhalten und die Konsummuster eindeutig beeinflusst. Kritiker:innen behaupten sogar, dass es beim Besuch eines Konzerts oder eines Musikfestivals wie Coachella heutzutage weniger um die Musik geht als vielmehr um die Instagram-Modekultur des Sehens und Gesehenwerdens, die die Besucher:innen durch die Wahl ihres Outfits bedienen.“

Einfluss über die Bühne hinaus

In Caspelichs Augen geht der Einfluss auf den Konsum jedoch weniger von der Garderobe der Künstler:innen aus, sondern vielmehr von den Künstler:innen oder Influencer:innen selbst. Der große Einfluss, den diese Personen ausüben, ist auch außerhalb von Musikveranstaltungen zu beobachten. So führte Swifts kurzer Auftritt bei einem Spiel der National Football League (NFL) inmitten von Dating-Gerüchten mit Spieler Travis Michael Kelce zu einem 400-prozentigen Anstieg der Trikotverkäufe des Spielers innerhalb von 24 Stunden. Kritiker:innen waren besorgt über diese Zahl, da jede Möglichkeit, dass das Duo doch nicht zusammen kommt, zu einem Haufen weggeworfener American-Football-Trikots führen könnte.

Ein ähnlicher Gedanke wurde von Gavino von Fashion Snoops geäußert: „Heutzutage ist die Beziehung zwischen Konzertkultur und Fast Fashion nicht so sehr darin begründet, was Künstler:innen auf der Bühne tragen, sondern vielmehr darin, dass sich das Publikum von den neuesten Werken der Künstler:innen inspirieren lassen und spezifische Bezüge zur Karriere der Künstler:innen herstellen. Diese kollektiven kulturellen Phänomene beeinflussen zwar die Fast Fashion, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass die Konzertbesucher:innen die Hauptverantwortlichen für das Fast-Fashion-Problem sind."

Beyoncé in Agent Provocateur während ihrer Renaissance World Tour. Bild: Parkwood Entertainment via Agent Provocateur

Was also können Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens tun, um die Konsumkultur, die sich um ihren Status herum gebildet hat, zu umgehen oder gar zu beseitigen? Für Caspelich von Remake sind öffentliche Veranstaltungen die perfekte Gelegenheit, um für Nachhaltigkeit und ethische Kleidung einzutreten: “Prominente haben heute einen so großen Einfluss in den Mainstream-Medien, dass es sinnvoll wäre, eine Verhaltensänderung zu fördern, beispielsweise indem man ein Outfit mehrmals trägt und die Fans zu ermutigt, bei der Wahl ihrer Konzertkleidung kreativ zu sein. Man könnte sie auffordern, Teile, die sie bereits besitzen, zu verändern oder zu recyceln. Oder die Musiker:innen könnten sich dafür entscheiden, keine neuen Konzertartikel zu kreieren und zu verkaufen. Das kann viel bewirken und sogar neue Trends setzen, die die Umwelt und das Leben der Frauen, die unsere Kleidung herstellen, verbessern können."

Wie Caspelich erwähnte, sind es nicht nur Musiker:innen und ihre Tourneen, die zu solchen Verhaltensweisen beitragen. Festivals sind zu einer Brutstätte für aufsehenerregende Mode geworden und damit zu einem Drehkreuz für Marken, die darauf bedacht sind, die Wahrnehmung der Verbraucher:innen zu beeinflussen. Viele Händler planen monatelang im Voraus für die erwartete Umsatzsteigerung, die die Festivalsaison typischerweise mit sich bringt, wobei viele Festivalbesucher:innen oft nach einer völlig neuen Garderobe suchen, nur um die Kleidungsstücke womöglich nach einmaligem Gebrauch wieder wegzuwerfen. Daher müssen natürlich auch die Marken kritisiert werden, die diesen übermäßigen Konsum fördern, um von diesem Verhalten zu profitieren.

Wegwerf-Mentalität von Festivalkollektionen geben Anlass zur Sorge

Diesen Aspekt sieht Caspelich besonders kritisch: „Die Festivalsaison hat sich mehr zu einer Modenschau als zu einem Musikfestival entwickelt. Die Marken machen sich das zunutze und bringen 'Festival-Linien' heraus, in denen sie eine große Menge an schneller Mode produzieren, die selten mehr als einmal getragen wird oder schnell auseinanderfällt. Selbst wenn sie gespendet wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Stücke auf einer Mülldeponie landen. Und da die meisten Fast Fashion-Teile heute aus Polyester, Elasthan, Nylon und Acryl bestehen, dauert es fast 200 Jahre, bis sie sich vollständig zersetzen. In der Zwischenzeit setzen die Kleidungsstücke gefährliche Chemikalien, Mikroplastikfasern und Treibhausgase frei, was sowohl den Planeten als auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Gemeinden in der Nähe von Mülldeponien, vor allem im globalen Süden, gefährdet."

Auf die Frage, was Marken und Einzelhändler tun können, um zu helfen, kam Caspelich direkt auf den Punkt: Marken müssen aufhören, so viele Produkte zu produzieren, vor allem, wenn die entsprechenden Produkte zu dieser umweltschädlichen Art des Konsums beitragen. In ähnlicher Weise hat sich auch Remake selbst auf den Weg gemacht, um die Verbraucher:innen zu ermutigen, sich von diesen Prozessen zu lösen, eine Mission, die das Unternehmen durch ihre #NoNewClothes-Challenge vorantreibt.

Die Teilnehmer:innen müssen sich verpflichten, 90 Tage lang keine neuen Kleidungsstücke zu kaufen, also entweder gar nichts zu kaufen oder die Wiederverwendung und den Wiederverkauf zu bevorzugen. Ziel der Initiative ist es, dass die Verbraucher:innen einschätzen können, was sich bereits in ihren Kleiderschränken befindet, um „ihren CO2-Fußabdruck zu verringern, gesunde psychologische Verhaltensmuster zu entwickeln, die Abfallmenge zu begrenzen, die sie auf die Mülldeponie schicken, und ihr hart verdientes Geld von Unternehmen fernzuhalten, die ihre Werte nicht teilen", so Caspelich weiter.

Die Lösung, um der Verschwendung durch die Konzertkultur entgegenzuwirken, liegt für Gavino in Mietlösungen. Ein Konzept, das beispielsweise schon im Bereich von Hochzeiten genutzt wird. Ebenso hob der Trendexperte die Bedeutung nachhaltiger Materialien hervor - beispielsweise aus verantwortungsvollen Quellen oder biologisch abbaubar - die seiner Meinung nach von Marken, die Konzertbesucher:innen bedienen, integriert werden sollten. Abschließend fügte Gavino hinzu: „Schließlich würde ich die Verbraucher:innen auch dazu ermutigen, sich einen Secondhand-Look zuzulegen oder sich für besondere Anlässe sogar etwas von Freunden und Familie auszuleihen. Insgesamt sollten Marken ihre Wirkung ganzheitlich betrachten, von der Saat bis zum Regal."

Harry Styles trägt Gucci bei den Grammy Awards 2023. Bild: Gucci

Dieser übersetzte und bearbeitete Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.uk.

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