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Wie China Mode neu definiert: Jiao Pei über CHIC, Technologie und Marktstrategien

Von Diane Vanderschelden

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Messen|Interview
Interview mit Jiao Pei, Vizepräsident des chinesischen Bekleidungsverbands. Bild: Diane Vanderschelden, FashionUnited. Mit freundlicher Genehmigung von CHIC Shanghai

Beim Aufenthalt in Shanghai im Rahmen der China International Fashion Fair (CHIC), hatte FashionUnited die Gelegenheit, ein persönliches Gespräch mit Jiao Pei, dem Vizepräsidenten des Veranstalters China National Garments Association (CNGA), zu führen. Er bot fachkundige Einblicke in die chinesische Textilindustrie und beleuchtete aktuelle Trends, Markteintrittsstrategien für ausländische Marken und den disruptiven Einfluss chinesischer Unternehmen, insbesondere im Bereich Technologie und KI.

Könnten Sie die China International Fashion Fair kurz vorstellen?

Die CHIC wurde 1993 in Peking mit dem Ziel gegründet, den Aussteller:innen der Bekleidungsindustrie eine Plattform zu bieten, um ihre Märkte zu erweitern. Ursprünglich war Peking der ideale Standort, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Als die Veranstaltung jedoch wuchs, erkannten wir, dass viele unserer Aussteller:innen in den Regionen des Jangtse-Flussdeltas und des Zhujiang-Deltas ansässig waren. Um ihren Bedürfnissen besser gerecht zu werden, verlegten wir die CHIC 2016 nach Shanghai. Heute ist die CHIC eine der weltweit wichtigsten Modeveranstaltungen, die oft zusammen mit anderen Messen wie der Intertextile abgehalten wird.

Die Textil- und Bekleidungsindustrie Chinas hat sich gewaltig weiterentwickelt. Es geht nicht mehr um „Made in China“, sondern vielmehr um aufstrebende nationale Designer:innen und Marken. Was können Sie beobachten?

Die chinesische Bekleidungsindustrie hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark gewandelt. Obwohl wir im Vergleich zu europäischen, amerikanischen und sogar südkoreanischen und japanischen Unternehmen noch einiges an Boden gewinnen müssen, ist China zu einer treibenden Kraft der Bekleidungsherstellung geworden. Tatsächlich sind wir jetzt die Stärksten in diesem Bereich. 

Besonders beeindruckend sind auch die jüngsten Fortschritte in den Bereichen kreatives Design, Materialien und kulturelles Empowerment. Unser Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, diese Stärken zu nutzen, um nicht nur den heimischen Verbraucher:innen qualitativ hochwertige Produkte anzubieten, sondern auch erfolgreich in internationale Märkte einzudringen. Viele chinesische Bekleidungsunternehmen sind bestrebt, ein globales Publikum zu erreichen.

„In China gibt es zahlreiche intelligente Produktionsunternehmen, die die Produktionseffizienz internationaler Marken erheblich steigern können,”

A Jiao Pei, Vizepräsident der China National Garments Association

Wie kann eine Veranstaltung wie die CHIC Unternehmen bei der Expansion helfen, sogar weltweit?

CHIC bietet Unternehmen eine bequeme Plattform für die Teilnahme an internationalen Messen. Wir haben Partnerschaften mit Veranstaltungen wie der Pitti Uomo in Italien und der Who's Next in Paris, und wir veranstalten auch unsere eigenen Messen in New York. Diese Partnerschaften ermöglichen es chinesischen Unternehmen, ein globales Publikum zu erreichen. Um diese Unternehmen weiter zu unterstützen, arbeiten wir mit chinesischen Botschaften in aller Welt zusammen, um Einkäufer:innen und Einzelhändler:innen einzuladen, chinesische Marken kennen- und schätzen zu lernen. Mit diesen Bemühungen wollen wir die globale Expansion chinesischer Bekleidungsunternehmen fördern.

CHIC Show, „Tennis Court“, Designer:innen aus dem Kreis Sanmen. Bild: Diane Vanderschelden / FashionUnited

Was sind die aktuellen Trends auf dem chinesischen Bekleidungsmarkt?

Generell denke ich, dass der chinesische Bekleidungsmarkt immer modischer und vielfältiger geworden ist. Die Verbraucher:innen haben jetzt eine größere Auswahl und bevorzugen zunehmend Funktionalität und Komfort. Dieser Trend erstreckt sich nicht nur auf Sportbekleidung für den Outdoor-Bereich, sondern auch auf Anzüge für Männer und Röcke für Frauen, bei deren Gestaltung zunehmend auf Komfort geachtet wird. Mode ist auch erschwinglicher geworden und damit für eine breitere Masse von Verbraucher:innen zugänglich. Früher wurde Mode oft mit hohen Preisen assoziiert, aber heute ist sie für alle Einkommensschichten zugänglich. Darüber hinaus haben internationale Styles in China an Popularität gewonnen, während der „Neue Chinesische Stil“ entstanden ist, der traditionelle Elemente mit modernem Design verbindet.

Welche Empfehlungen haben Sie für ausländische Marken, die in den chinesischen Markt eintreten wollen?

Meine Ratschläge für ausländische Marken, die in China Fuß fassen wollen, stimmen mit den Empfehlungen überein, die ich chinesischen Marken gebe, die global tätig werden wollen. Es ist entscheidend, den lokalen Markt zu verstehen. Die Erforschung der Präferenzen der Verbraucher:innen und der Marktdynamik wird ihnen helfen, ihr Angebot effektiv zu gestalten. Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen können wertvolle Einblicke und Unterstützung bieten. Sie können ausländische Unternehmen auch bei der Produktauswahl unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede beraten und ihnen helfen, sich in den komplexen Gegebenheiten des chinesischen Marktes zurechtzufinden. 

Darüber hinaus kann die Einrichtung von Produktionsstätten in China erhebliche Kostenvorteile bieten, die es ihnen ermöglichen, chinesischen Verbraucher:innen Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten. Wenn man diese Strategien befolgt, können ausländische Marken erfolgreich in den chinesischen Markt eintreten und von seinen Wachstumschancen profitieren.

Welche Vertriebskanäle gibt es für ausländische Unternehmen in China?

Für internationale Unternehmen, die in den chinesischen Markt eintreten wollen, gibt es verschiedene Vertriebskanäle. Eine Möglichkeit ist die Zusammenarbeit mit heimischen Vertreter:innen. Viele chinesische Spitzenmarken stellen nicht nur ihre eigenen Produkte her, sondern arbeiten auch als Agent:innen für internationale Unternehmen. Einige von ihnen führen beispielsweise ihre eigenen Marken und arbeiten gleichzeitig mit Weltmarken wie Fila zusammen. 

Eine weitere Möglichkeit ist die Zusammenarbeit mit Handelsunternehmen. Diese können dabei helfen, ausländische Marken mit verschiedenen Vertriebskanälen in Verbindung zu bringen, oft durch die Teilnahme an Branchenveranstaltungen und der Möglichkeit zur Vernetzung. Schließlich können internationale Unternehmen auch direkt mit Einkaufszentren und Großhändler:innen zusammenarbeiten, um ihre Präsenz auf dem Markt zu etablieren.

„Wir haben einen RFID-Chip, der bald unsere Produktionspläne optimieren und sicherstellen wird, dass wir die richtigen Artikel zur richtigen Zeit produzieren.

CNGA-Vizepräsident Jiao Pei

The Bund, Shanghai.  Bild: Diane Vanderschelden.

Ich konnte hier auf der CHIC eine starke Präsenz von Technologieunternehmen beobachten, einschließlich eines Vortrags über die Integration von künstlicher Intelligenz mit 3D-Technologie, was den unaufhaltsamen Innovationsdrang unterstreicht. Wie könnten diese hoch entwickelten Unternehmen Ihrer Meinung nach die globale Bekleidungsindustrie beeinflussen?

Die Technologieunternehmen in China haben in den letzten Jahren in der Tat bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Ihr Einfluss auf die globale Bekleidungsindustrie könnte tiefgreifend sein, insbesondere in zwei Schlüsselbereichen. Erstens, in der Produktion: In China gibt es zahlreiche intelligente Produktionsunternehmen, die die Produktionseffizienz internationaler Marken erheblich steigern können. So hat beispielsweise der chinesische Bekleidungsverband (CNGA) eine Branchenallianz gegründet, die sich auf die intelligente Fertigung konzentriert. Diese Allianz bringt führende einheimische Hersteller:innen zusammen und stattet sie mit modernster Software, Geräten und Produkten aus, um die fortschrittlichsten in China verfügbaren Lösungen zu liefern. 

Zweitens, Design: China ist führend in der Designtechnologie, insbesondere mit der Einführung von Artificial Intelligence Generated Content (AIGC). Diese Technologie, die wir als AIGC-gesteuertes Design bezeichnen, revolutioniert den Designprozess, indem sie die Effizienz steigert. Mehrere Unternehmen, die sich auf AIGC spezialisiert haben, sind in Shanghai, Zhujiang, Xiangfu und anderen Regionen ansässig. Die Produkte befinden sich zwar noch in der Entwicklung, aber wir sind zuversichtlich, dass die laufenden Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen bald zu bedeutenden Ergebnissen führen werden.

CHIC Show, Designer:innen aus dem Kreis Sanmen.  Bild: Diane Vanderschelden.

Darüber hinaus verändert die Technologie auch die Entscheidungsfindung im Vertrieb. Die Zentrale kann nun rasch auf Marktdaten aus verschiedenen Niederlassungen reagieren, was eine schnellere Marktanpassung ermöglicht. Unsere technologischen Fortschritte erstrecken sich auch auf die Lagerverwaltung. So verfügen wir beispielsweise über einen RFID-Chip, der in Kleidungsstücke integriert werden kann und es Geschäften, Lagern und Unternehmen ermöglicht, in Echtzeit auf Daten zu jedem einzelnen Artikel zuzugreifen. Mit dieser Technologie können Unternehmen sogar nachverfolgen, wie oft Kund:innen ein Kleidungsstück tragen, was unschätzbare Erkenntnisse für die künftige Produktion liefert. Die rasante technologische Entwicklung in diesen Unternehmen wird nicht nur das Design, sondern auch die Produktion und Fertigung auf globaler Ebene revolutionieren.

Könnten Sie auch einen Einblick in den aktuellen Stand der chinesischen Textil- und Bekleidungsindustrie geben?

Die chinesische Textil- und Bekleidungsindustrie ist riesig, was es schwierig macht, ein vollständiges Bild allein durch offizielle Statistiken zu erfassen. Wir verfügen zwar über Daten der nationalen Ministerien und des Statistikamtes, aber diese Zahlen berücksichtigen nicht in vollem Umfang die zahlreichen KMU und Start-ups, deren Daten oft schwieriger zu verfolgen sind. Innerhalb des Bekleidungsverbands verwenden wir jedoch ein Prognosemodell, um die Leistung der Branche einzuschätzen. Für das Jahr 2023 zeigt unser Modell, dass der Inlandsumsatz etwa 4,5 Billionen Yuan (570 Milliarden Euro) erreicht hat. Im Export erwirtschaftete die Branche rund 170 Milliarden US-Dollar (rund 153 Milliarden Euro). Diese Zahlen spiegeln den immensen Umfang und die Auswirkungen der Branche wider, auch wenn sie nicht jedes Unternehmen erfassen.

„Die zwischen 1995 und 2000 geborenen Verbraucher:innen sind nicht nur die treibende Kraft hinter den Bekleidungstrends, sondern verfügen auch über die größte Kaufkraft“.

CNPA-Vizepräsident Jiao Pei

Was sind die weiteren Pläne für CHIC?

Mit Blick auf die Zukunft hat CHIC mehrere Hauptziele. Erstens wollen wir unsere Marke weiter ausbauen und aufwerten und gleichzeitig das Profil unserer nationalen Marken schärfen, indem wir sie jugendlicher und stilvoller machen. Außerdem planen wir, unseren Einfluss im mittleren Marktsegment zu erhöhen. Traditionell lag unser Schwerpunkt auf der Stärkung unserer Präsenz in den Business-Segmenten, aber jetzt verlagern wir unsere Aufmerksamkeit darauf, auch die Verbraucher:innen im mittleren Segment zu erreichen und anzusprechen.

Sie haben während unseres Gesprächs mehrmals erwähnt, dass Sie sich auf die jüngeren Generationen konzentrieren. Warum liegt der Schwerpunkt so sehr auf jungen Verbraucher:innen?

Unser Fokus auf junge Konsument:innen rührt von der Überzeugung her, dass ein Produkt umso trendiger ist, je jünger es ist. Derzeit werden die Trends weitgehend von der jüngeren Generation bestimmt, so dass die Anziehung dieser Bevölkerungsgruppe entscheidend ist, um in der Mode an der Spitze zu bleiben. Aber auch die älteren Generationen - die 50- und 60-Jährigen - streben zunehmend nach einem jugendlicheren Erscheinungsbild, nicht nur in Bezug auf ihre Kleidung, sondern auch in Bezug auf ihre allgemeine Einstellung. Dieser Mentalitätswandel in allen Altersgruppen ist der Grund, warum wir uns vorrangig an junge Verbraucher:innen wenden. Wenn wir ihre Aufmerksamkeit nicht erwecken können, wird es schwierig, Trends zu setzen.

Die Ausrichtung auf jüngere Generationen hat sicherlich Auswirkungen auf Ihre Branche, insbesondere in Bezug auf die Produktion und die Preisspanne. So könnte es beispielsweise erforderlich sein, sich aufgrund der geringeren Kaufkraft auf ein niedriges bis mittleres Preisniveau zu konzentrieren, um dieses Segment zu bedienen. Welche wirtschaftlichen Überlegungen stehen hinter Ihrer Strategie, und inwieweit ist sie sinnvoll?

Ihr Argument, dass die jüngeren Generationen die Trends vorgeben, ist richtig, aber es steckt mehr dahinter. Wir haben innerhalb unseres Verbandes eine Umfrage durchgeführt, und die Daten haben gezeigt, dass die zwischen 1995 und 2000 Geborenen nicht nur die Bekleidungstrends bestimmen, sondern auch über die größte Kaufkraft verfügen, zumindest in China. Diese Erkenntnis prägt unsere Strategie, da wir unsere Marken auf eine jugendlichere Art und Weise präsentieren wollen, um diese einflussreiche Bevölkerungsgruppe anzusprechen.

Saint Joy, eine hochwertige chinesische Marke, ist ein Beispiel für das Aufkommen des „New Chinese Style“. Bild: Diane Vanderschelden, FashionUnited.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.

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