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Première Vision: Nachhaltiges Sourcing und Aufklärung im Angesicht der Marktrealitäten

Von Florence Julienne

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Première Vision HW 2024/2025 Bild: Florence Julienne

Fortan wird die internationale Sourcing-Messe Première Vision als engagierter und wegweisender Mitstreiter für den ökologischen Wandel im Dienste der Modeindustrie auftreten. Dies bewies die aktuelle Ausgabe, die vom 4. bis 6. Juli 2023 in Paris stattfand.

Anlässlich der Präsentation der Stoffe, Leder, Accessoires für Herbst/Winter 2024-2025 und der Fertigung, wurde die Messe Première Vision einem großen Facelifting unterzogen.

Das Forum Sourcing Solutions in Halle 6 erstreckte sich über die gesamte Länge und zeigte die wichtigsten Themen der Saison anhand von Stoffmustern, die wie auf einem Stand angeordnet und nach Produktbereichen wie Stickereien, Seide und Hemden sowie nach Marktsegmenten wie Casual Wear, Sport & Outdoor und Denim unterteilt waren. Wenn man bedenkt, dass auf der Messe mehr als 11.000 Muster ausgestellt werden, wird deutlich, wie vielfältig das Angebot ist.

Première Vision HW 2024/2025 Bild: Florence Julienne

Im Anschluss daran folgte der Höhepunkt der Messe: das neue Forum für Öko-Innovation. Die Präsentation der Stoffe wird hier durch große erklärende Tafeln ergänzt, die den Besucher:innen die Möglichkeit bieten, sich über die Innovationen im Bereich der Forschung zu informieren. Denn was gestern noch revolutionär erschien, kann heute neu sein, morgen aber wahrscheinlich schon wieder out sein.

Première Vision HW 2024/2025 Bild: Florence Julienne
Première Vision HW 2024/2025 Bild: Florence Julienne

Die Stände mit Dead Stock sind prall gefüllt

Reicht dieser vielfältige Lehransatz aus, um Designer davon zu überzeugen, auf nachhaltiges Sourcing umzusteigen? Rein intellektuell gesehen, ja. Konkret ist es komplizierter, wie der junge Designer Benjamin Benmoyal erklärt. „Mein Mehrwert entsteht durch exklusive Webarten. Mit dieser neuen Generation von Stoffen, die für 25 bis 70 Euro pro Meter verkauft werden, kann ich keinen Gewinn erzielen. Ich ziehe es daher vor, auf Dead Stocks zurückzugreifen, wie sie von Nona Source angeboten werden.“

Première Vision HW 2024/2025 Bild: Florence Julienne

Am Stand von Nona Source, einem Unternehmen, das zum Luxusgüterkonzern LVMH gehört, erklärte der Mitbegründer Romain Brabo: „Wir reagieren auf eine echte Marktnachfrage: kleine Mengen – wir verkaufen pro Rolle, zwei, fünf, zehn Meter und so weiter –, keine Produktionszeit und Qualität zu Preisen, die 70 Prozent unter den Marktpreisen liegen.“

„Die Häuser haben Überschüsse – 15.000 Stoffrollen mit 2.500 Artikeln lagern in unserem Lager in der Nähe von Tours –, und das ist die Gelegenheit für junge Leute, sie zu verwerten und aus vorhandenen Abfällen etwas zu schaffen“, fügt er hinzu, während sich sein Stand immer weiter füllt. Für Première Vision also eine erfolgreiche erste Übung, auch wenn sich die Industrie bis dato dagegen gewehrt hatte.

Première Vision HW 2024/2025, Romain Brabo Bild: Florence Julienne

Woolmark: Fokus auf Wolle

Es stellt sich auf der Messe auch die Frage, welches natürliche Material, das bereits existiert, keine teuren Innovationen erfordert und die geringsten Auswirkungen auf die Umwelt hat, Eine der Antworten ist Wolle, die von der Woolmark Company, einem in Australien ansässigen gemeinnützigen Unternehmen für technologische Expertise und Forschung, hergestellt wird.

Die meisten Menschen fragen sich, wie es um die Tierhaltung und insbesondere um das Mulesing von Merinoschafen bestellt ist. „Wir sind sehr sensibel für dieses Thema“, sagt Damien Pommeret, der für Woolmark in Westeuropa zuständig ist. „Wir bemühen uns, Tiere auszuwählen, die gegen Parasiten resistent sind, und es werden Impfstoffe entwickelt, um dieses Tierleid zu vermeiden.“

Première Vision AH 2024/2025, Woolmark Bild: Florence Julienne

Woolmark präsentiert Wollmaterialien, die so dünn sind, dass sie für Badeanzüge (Vilebrequin) verwendet werden können, aber dennoch strapazierfähig sind. Ein Beispiel dafür ist ein Sneaker der Marke Circle, dessen Obermaterial zu 65% aus Merinowolle besteht. Zu beachten ist, dass manche Herstellungen chemische Behandlungen erfordern, andere wenig oder keine, wie Optim. Das hängt von dem angestrebten Verwendungszweck ab.

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Première Vision AH 2024/2025, Solar Vision Bild: Florence Julienne

Bei Solar Vision geht es darum, aus einer alternativen Ressource, einer sauberen Energie, Kapital zu schlagen. Dies zeigt sich in dunklen Ketten und Rastern, aus denen helle, goldene Lichtblitze hervorgehen. Die Wand aus orangefarbenen Stoffen aller Qualitäten erinnert an diese strahlende Intensität.

Première Vision AH 2024/2025 Bild: Florence Julienne

Nouvelle Élégance hebt die Qualität von Materialien hervor, die lange halten und dem philosophischen Streben nach "weniger produzieren, teurer kaufen, aber dafür besser" entsprechen. Einfarbige Stoffe heben die raffinierte Art und Weise hervor. Es ist die Sehnsucht nach einem neuen Understatement, das dem Bling-Bling-Trend entgegengesetzt ist.

Das dritte Thema, der Dialog zwischen Natur und Digitalem, wird durch die Szenografie des Raumes angedeutet, die zeigte, wie die Natur durch digitale Werkzeuge verändert werden kann. Hier werden außerdem Stickereien, Jacquards aus Seide oder Maschenware, Moire Effekte, Flock auf Samt, Reliefs, Rippen, Zellbewegungen oder mikroskopische Visionen von Elementen aus der Natur präsentiert.

Ein besserer Weg für die Verbreitung von Informationen über die klimatischen und sozialen Herausforderungen in der Modebranche

In Halle 3 findet sich eine Übersicht über das Programm A Better Way, das von Première Vision mit 290 von 1313 teilnehmenden Aussteller:innen ins Leben gerufen wurde. Ein Piktogramm - zwei Hände, die eine Mitgliedskarte umschließen - kennzeichnet die Hersteller:innen, die den Fragebogen beantwortet haben, um sie als Akteur:innen einer nachhaltigen Produktionskette zu identifizieren. Zugegebenermaßen weichen viele vor Ort den diesbezüglichen Fragen aus, da sie "nicht die richtigen Ansprechpartner:innen sind und die betreffende Person leider nicht anwesend ist". Das erleichtert die Nachforschungen nicht sonderlich.

Am Stand des spanischen Unternehmens Texless Ecofabrics, das alle Kriterien erfüllt, ist jedoch jemand bereit, ein Zeugnis abzulegen. Er stellt recyceltes Polyester aus Garnen aus Alicante her. Sein Lieferant bescheinigt ihm zwar, dass die Fasern recycelt sind, aber er hat keinen direkten Einfluss auf diese Information.

„Wir empfangen eine neue Kategorie von Besuchern: die CSR-Verantwortlichen der Marken“, erklärte Gilles Lasbordes, Generaldirektor von Première Vision. „Sie kommen, um ihre potenziellen Lieferant:innen zu identifizieren. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, dass qualifizierte Personen an den Ständen anwesend sind und ihre Fragen beantworten können. Sie müssen ihre Vorgehensweise erklären und die Botschaft an die Verkaufsteams weitergeben. Wir können diese Ausbildungspflicht leider nicht ersetzen“.

Ist die Wiederverwertung von Altkleidern eine Lösung für die Zukunft?

Tatsächlich scheint der Weg zum Ursprung - der Entstehung des Garns - der beste Weg zu sein, um einen nicht zu technischen, aber dennoch informativen Diskurs über nachhaltige Materialien zu führen. Der erste Aussteller mit dem besagten Piktogramm war Hirasim & Simsan aus der Türkei. An seinem Stand sind die Garne mit den Bezeichnungen PES für Polyester und Baumwolle, PAN für Acryl (Erdölderivat) und PP für Polypropylen (Kunststoff) zu finden. Die einzige umweltverträgliche Faser hier ist, wie sich herausstellte, Leinen, was keine Neuigkeit ist.

Première Vision HW 2024/2025. Hirasim & Simsan Bild: Florence Julienne

Es würde weit mehr als drei Tage dauern, um alle Aussteller:innen, die eine engagierte Haltung für sich beanspruchen, abzuklappern und objektiv über die Realität ihres Angebots zu berichten. In Wirklichkeit wird es Jahre dauern, bis das Thema für alle selbstverständlich geworden ist. „Ähnlich wie bei Holz können wir alte Baumwollkleidung in Zellstoff umwandeln, um daraus eine Tencel-Faser herzustellen. Das Problem ist, dass die meisten Kleidungsstücke Mischungen sind, insbesondere Polyester und Baumwolle“, fasst Johannes Stefan, Senior Sales Manager für den österreichischen Riesen Lenzing, zusammen. „Bisher ist es uns technologisch nicht möglich, die Zusammensetzung der Materialien zu identifizieren, vor allem, wenn die Verbraucher:innen die Etiketten abreißen.“

Außerdem ist es ein zeitaufwändiger Prozess, da Knöpfe manuell entfernt und Nähte aufgeschnitten werden müssen. Lenzing verwendet daher vorzugsweise alte Hotellaken, Uniformen oder Stoffreste aus Schnittmustern. Die Herstellung von Neuem aus Altem ist mühsamer und kostspieliger als ein Neuanfang. „Ohne gesetzliche Vorschriften geht es nur langsam voran“, sagt der Experte.

Première Vision HW 2024/2025. Lenzing Bild: Florence Julienne

„Die Ambitionen der Europäischen Union sind relativ hoch und können nur durch die Entwicklung von Technologien für Forschung und Entwicklung erreicht werden", schließt Gilles Lasbordes. Die Industrie muss hohe Produktionskapazitäten aufbauen, um die Preise zu senken. Das ist die Herausforderung für die Branche, die wir begleiten.“

Dieser übersetzte und bearbeitet Text erschien ursprünglich auf FashionUnited.fr.

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