Pitti Uomo stellt sich Gesamtsituation sportlich entgegen
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Die Pitti Uomo lässt sich nicht unterkriegen und zeigt wieder einmal, wie wichtig das Zusammenkommen der Branche bei der florentinischen Herrenmodemesse ist, während Kriege sowie Handelsstreitigkeiten das Weltbild bestimmen und die Konsumstimmung gedrückt ist.
Auch wenn der Start etwas langsamer erschien, zeigte sich die Pitti Uomo spätestens ab dem zweiten Messetag in voller Strahlkraft und mit guten Frequenzen. Darüber freute sich auch Pitti Immagine-Geschäftsführer Raffaello Napoleone, der bereits am ersten Tag vergleichsweise mehr nationale und internationale Buyer wahrnahm, als in den vergangenen Saisons.
Branche trifft sich in Florenz
Der vom Messechef wahrgenommene Anstieg bestätigt sich auch in den Zahlen. Laut Prognosen des Messeveranstalters, die am Donnerstag veröffentlicht wurden, dürfte die Messe mit 11.500 bis 12.000 Fachbesucher:innen abschließen und insgesamt über 15.000 Besucher:innen verzeichnen. Damit läge die 108. Ausgabe der Pitti Uomo auf Augenhöhe mit der Juni-Ausgabe 2024.
„Pitti Uomo ist ein Symbol und ein konkretes Instrument zur Förderung und Entwicklung des Handels – und das in jeder Konjunkturphase, selbst in Zeiten des Wandels, wie wir sie wahrscheinlich gerade erleben“, so der Messechef. „ Die Resonanz der Einkäufer aus über hundert Ländern auf fünf Kontinenten ist die beste, die wir uns erhoffen konnten.“
Philippe Celeny zeigt sich zufrieden mit den Besucher:innen auf der Messe. Auch wenn der erste Vormittag etwas schwächer erschien und besonders die Frequenz auf den Gängen zurückhaltend auf den Digel-Vertriebschef Digel wirkte, habe man ähnliche Zahlen wie in der Januar-Ausgabe der Pitti verbucht. Rund 600 Buyer bekamen an den dreieinhalb Tagen einen Einblick in die Kollektionen der Marke, die mit 100 Quadratmetern Standfläche deutlich mehr Platz als in der Vorversion hatte, ihre Casualwear und klassischeren Looks zu präsentieren. Besonders Einkäufer:innen aus Deutschland und Italien, aber auch aus Frankreich, England und den USA waren zu Besuch.
Für Büro und Freizeit
Die Menswear setzt im Casual-Bereich zunehmend auf einen hybriden Ansatz. Die Einkäufer:innen suchen nach einer Alternative zum Sakko, wie bei Digel, aber auch bei dem Hemdenspezialisten Olymp zu hören ist. Overshirts aus Leinen und weichere Mischungen für Blazer kommen gut an. AlphaTauri, die Casualwear-Marke des österreichischen Mischkonzerns Red Bull, zeigt derweil einen sportiven Ansatz für das hybride Sakko mit integrierter Kapuzenjacke.
Die Hose wird nun auch im Mainstream immer weiter, um den lässigen Look für das Büro und die Freizeit zu vereinen. Der deutsche Bekleidungsanbieter Drykorn setzt in der Casualwear auf eine leichte Jacke mit Reißverschluss und kombiniert sie mit einer Anzughose mit weitem Bein. In der Konfektion präsentiert sie einen solchen Schnitt mit einem engen Blazer.
Diese Silhouetten zeigt die Marke unter dem Schirm des “Harbour Clubs”, bei dem der imaginäre Hafenarbeiter auf den Geschäftsmann und damit Workwear auf Businesswear trifft. Mit diesem Ansatz enterte die Marke mit Sitz in Kitzingen die richtigen Gewässer, sodass die Stimmung durchaus positiv war, berichtet Chief Sales Officer Benny Jandl.
Dabei dürfen natürlich auch die maritim-typischen Streifen nicht fehlen, die für SS26 in lässiger Form und verschiedensten Breiten bei einigen Marken einen Platz auf Hemden gefunden haben, darunter bei der Streetwear-Marke Icecream, beim Denim-Spezialisten Replay sowie bei Olymp. Das Muster rundete gerade für die klassicheren Marken den Übergang zwischen Job und Freizeit ab.
Dass Spaß auch immer mehr Teil der ursprünglichen Formalwear sein darf, zeigen vor allem junge Marken mit ihrer Neuinterpretation der Krawatte. Ob nun bei der spanischen Streetwear-Brand Ssstufff, die sie als voluminösen Eyecatcher als Teil einer vom Businesshemd inspirierten Puffer Jacket, als lederne Optik in überlänge beim jungen englischen Label Śilpa oder als Cut-out-Variante bei der koreanischen Gastmarke Post Archive Faction, finden die Marke einen individuellen Weg das klassische Accessoire neu zu interpretieren.
Bei den Qualitäten öffnet sich der Mainstream auch mehr für hochwertigere Strickpolos mit höheren Preislagen, erklärt Elias Banai, Area Sales Manager für Olymp Signature in Norddeutschland. Für das Unternehmen steht der Umsatzerhalt im Vordergrund, da die Gesamtsituation schwierig bleibt und auch der Hemdenspezialist sich in der aktuellen Ausrichtung hin zum Strick anpassen muss. Einige der Händler:innen hatten einen nicht so guten Start ins aktuelle Jahr. Dennoch bleibt Olymp optimistisch und hofft auf eine bessere zweite Jahreshälfte.
Sportsfreund:innen
In der letzten Saison setzte die Messe den Laufsport in ein Spotlight, nun ist es das Zweirad. Mit der Integration der Fahrrad-Messe Becyle, die im vergangenen Jahr zum Tour de France-Start in Florenz lanciert wurde, stand die aktuelle Ausgabe mit Pitti Bikes ganz im Zeichen des Fahrrads.
Innerhalb des Outerwear-Segments fanden sich dementsprechend einige Fahrradspezialisten wieder. Aber auch einige andere Marken ließen sich von dem Thema inspirieren. Darunter die deutsche Streetwear-Marke Prohibited, die ein Lifestyle-Radtrikot – ohne Performance-Anspruch – in einem knalligen Pink präsentierte und zwischen fünf bis zehn neue Partner:innen für Ordertermine gewinnen sowie bis zu 30 Interessent:innen aus dem deutschsprachigen Raum, Italien und dem Vereinigten Königreich für sich begeistern konnte.
Insgesamt spielt die sportliche Betätigung überall auf dem Messegelände eine große Rolle. Die Mode rücke immer näher an das Wellness-Thema und die Menschen wollen einfach gut gekleidet sein, wenn sie Sport treiben, so Napoleone. Selbst die traditionellen Bekleidungsanbieter öffnen sich immer mehr für den Bereich und nutzen die Activewear-Stoffe für ihre Kollektionen.
Ob nun bei der Installation der italienischen Sportswear-Marke Ellesse, bei der Besucher:innen mit XXL-Tennisschläger zum Match eingeladen worden, Champions Zeitreise durch die eigene Geschichte in Sportarten wie Basketball und Boxen oder Bikkembergs Zusammenarbeit mit dem russischen Designer Gosha Rubchinskiy zur wiederbelebung der Fußball inspirierten Markenwurzeln, war der Sportsgeist allgegenwärtig.
Auch Ex-Fußballprofi Luis Figo war mit von der Partie. Seine gleichnamige Marke widmete sich in dieser Saison mit einer vom Golf inspirierten Casualwear-Kollektion, aber einem deutlich kleineren Ball als noch zu seinen aktiven Spielzeiten.
Die in Italien ansässige Marke des Portugiesen setzt besonders auf zurückhaltende Farben wie Beige und Cremetöne. Ein Bild, das sich an vielen Ständen abzeichnete. Auch verschiedene Grünnuancen, Brauntöne und verschiedene Abstufungen von Blau prägten das Bild. Bei Drykorn setzte man unter anderem zudem auf ein “Burned Red”. Insgesamt schien die Farbpalette eher aus dem Herbst zu stammen, als aus einem fröhlichen Frühjahr.
Von Skandinavien bis Korea
Wie die Marken ist auch die Messe in einem stetigen Wandel, um mit der Zeit zu gehen. So löste der Sport in diesem Jahr die Haustiermarken ab, die noch im vergangenen Jahr Teil der Pitti waren und die Vierbeiner mit modischen Accessoires und Pieces ausgestattet haben. Doch am Lenker des Pitti Bikes wolle man auch in der nächsten Saison vorerst festhalten.
Dazu kommen immer mehr internationale Kooperationen, die ihre lokalen Talente nach Florenz bringen und so das globale Flair stärken, zu dem natürlich auch die Buyer aus fast 50 verschiedenen Ländern beitragen.
Zur Halbzeit des dritten Veranstaltungstags lag die Zahl der registrierten ausländischen Einkäufer:innen bei 4.400 – ein Anstieg von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der italienischen Buyer, die die Messe besuchten, blieb auf dem Niveau der vorherigen Sommerausgabe, teilte der Messeveranstalter mit. Von den rund 740 Marken, die auf der Messe ausstellten, waren 46 Prozent aus dem Ausland.
So war in dieser Saison erstmals neben den gesonderten Bereichen für chinesische sowie skandinavische Marken eine kuratierte Fläche von koreanischen Marken Teil der Messe. Mit Code Korea präsentieren sich Brands wie Ordinary People und Ajobyajo, die ihre Kollektionen bisher meist bei Modenschauen in Seoul zeigten und sich nun dem europäischen Markt öffnen wollen.
Der Messeveranstalter Pitti Immagine könnte sich derweil nicht vorstellen, sich mit einer italienischen Delegation auf einer ausländischen Messe zu präsentieren, so Napoleone. Man wolle den Festungsmauern des Messegeländes Fortezza da Basso mit ihrer einzigartigen Atmosphäre treu bleiben und sich aus der Masse abheben. Zwar hätte man auch schon zahlreiche Angebote von New York bis Paris bekommen, aber Pitti setzt lieber den Fokus auf das eigene Format und versucht sich so auch in schwierigen geopolitischen Zeiten treu zu bleiben.