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IFCO: Türkische Modeindustrie begreift Europa als Markt mit zahlreichen Chancen und Herausforderungen

Von Sylvana Lijbaart

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Die sechste IFCO-Ausgabe fand vom 7. bis 9. August statt. Credits: FashionUnited / Sylvana Lijbaart

Die türkische Modeindustrie steht seit Jahren im Wettbewerb mit den größten Akteuren wie Bangladesch und China. Die Türkei weiß jedoch, wie sie ihre Position in einer Zeit verteidigen kann, in der dies nicht selbstverständlich ist. Das Land macht dabei keine Kompromisse bei den Preisen, denn Qualität geht vor Quantität, so die Überzeugung der türkischen Modeindustrie, und darauf beharrt sie mit Nachdruck.

Die Türkei ist strategisch günstig gelegen, verfügt über eine starke Infrastruktur, attraktive Preise, diversifizierte Produktionskapazitäten und großes Designtalent. Das Land fungiert als Bindeglied zwischen Europa und Asien, was es zum Epizentrum der Mode machen könnte.

Diese Erkenntnis wurde auch auf der sechsten Ausgabe der Istanbul Fashion Connection (IFCO) geteilt, zu der FashionUnited eingeladen war. Die führende Modemesse fand vom 7. bis 9. August in der türkischen Hauptstadt statt. Die Türkei hofft, dass die Veranstaltung das Volumen der türkischen Exporte steigern und in der globalen Modeindustrie immer mehr an Boden gewinnen wird.

Großer Andrang bei der sechsten Ausgabe der IFCO. Bild: IFCO

Sechste IFCO-Ausgabe lockt Besucher:innen aus aller Welt

Die Türkei wurde 2023 von Erdbeben heimgesucht und hat seit etwa zwei Jahren mit einer explodierenden Inflation zu kämpfen. So erreichte die Inflation 2023 64,77 Prozent, wie aus den Zahlen der türkischen Statistikbehörde Tüik hervorgeht. Vor kurzem ist die Inflation im Juli auf 61,78 Prozent gesunken, was den stärksten Rückgang seit 2022 bedeutet. Es wird erwartet, dass die Inflation in diesem Jahr weiter sinkt und Ende des Jahres bei 40 Prozent liegen wird.

Die IFCO will die wirtschaftliche Lage verbessern und die hohe Inflation senken. Ziel der Messe ist es, herzliche Beziehungen zwischen türkischen Produzent:innen und globalen Modehändler:innen herzustellen.

Dieses Ziel wurde bei der jüngsten Frühjahr/Sommer-Ausgabe der türkischen Modemesse erreicht. Wie üblich zogen die ersten beiden Messetage die meisten Besucher:innen an und erreichten am zweiten Tag ihren Höhepunkt. Der dritte Tag wurde hauptsächlich von den Aussteller:innen genutzt, um sich untereinander zu vernetzen.

FashionUnited hat Statistiken über die Besucherzahlen angefordert und wartet immer noch auf eine Antwort von der Organisation.

Besucher:innen auf der IFCO. Credits: IFCO

Türkische Modeindustrie setzt auf Qualität und macht keine Kompromisse bei den Preisen

Die IFCO, die dieses Mal wieder im Expo Centre stattfindet, erweitert ihre Ausstellungsfläche auf 30.000 Quadratmeter, die sich auf vier Hallen verteilen. Die Ausstellungsfläche wird 300 Aussteller:innen aus verschiedenen Segmenten, darunter Damen-, Herren- und Kindermode, Sportbekleidung, Accessoires und Denim, eine Bühne bieten. Wer die Messe vor einem Jahr besucht hat, stellt jedoch fest, dass die Zahl der Aussteller:innen um etwa 100 zurückgegangen ist.

Das breite Angebot macht es schwer, sich zu entscheiden, welchen Stand man zuerst besuchen soll. Jeder Stand hat sein eigenes Produkt und seine eigene Geschichte, aber was sie alle gemeinsam haben, sind hohe Qualität und relativ niedrige Preise.

Über Letzteres herrscht auf der Messe Uneinigkeit. Die Aussteller:innen berichten, dass sie Kunden verloren haben, weil die Preise nicht mehr so niedrig waren wie vor der Corona-Krise. Einerseits spielen hier die Kriege zwischen Russland und der Ukraine sowie Gaza und Israel eine Rolle, andererseits ist es die wachsende Konkurrenz aus China, Bangladesch und Ägypten, die die türkischen Exporte beeinträchtigt.

Der Denim-Hersteller Vinci beispielsweise konzentriert sich auf den europäischen Markt, aber da europäische Marken und Einzelhändler:innen auf wettbewerbsfähige Preise achten, versucht der Hersteller:innen, auch in andere Märkte wie Kolumbien und Amerika zu expandieren. „Wir konzentrieren uns immer auf die Qualität und gehen beim Preis keine Kompromisse ein", sagt Hasan Demir, internationaler Verkaufsleiter. „Deshalb müssen wir in neue Märkte expandieren.“ Die USA stehen ganz oben auf der Liste von Vinci. „Die USA bekommen 50 Prozent aus Bangladesch und 50 Prozent aus Italien und der Türkei. Italien ist die Nummer zwei, was die Qualität angeht, während die Türkei nur zwei Prozent nach Nordamerika exportiert.“

Auch Machinist, ein neues Unternehmen auf der türkischen Modemesse, verweist auf das Streben nach Qualität. Ceyhan Olgun, Verkaufsexperte der Marke, sagt: „Wir wollen kein Produktionsland sein, wir wollen Marken mit der besten Qualität ausstatten, schöne Marken aufbauen. Die wirtschaftlichen Bedingungen sind schwierig, aber Qualität steht über Quantität. Diese Situation gibt uns auch die Möglichkeit, unsere Designs auf ein noch höheres Niveau zu bringen.“ Machinist präsentiert sich als "High-End-Mid-Range-Streetwear-Marke" und ist auf der Messe, um die Marke zu verkaufen, obwohl viele Besucher:innen auf der Suche nach Lieferant:innen sind. Am dritten Tag habe Machinist bereits über 100 neue Kontakte geknüpft, "ein paar" Aufträge geschrieben und werde demnächst ein Geschäft mit einer großen türkischen Einzelhandelsgruppe abschließen.

An den Ständen von Intersivin und Joy in Joy, die gemeinsam mit der Firma Nefise ausstellen, ist zu hören, dass vor allem europäische Marken und Einzelhändler:innen die Preise zu hoch finden. Die europäischen Modehändler:innen weichen nach Asien aus, wo die Produkte oft billiger zu bekommen sind. Darüber hinaus werden beide Anbieter:innen regelmäßig gebeten, Partnerschaften mit Ägypten einzugehen. Sowohl Intersivin als auch Joy in Joy halten diese Möglichkeit aus Qualitätsgründen zurück. „Wenn man die Qualität hoch hält, behält man die richtigen Kund:innen. Wir wissen, dass es viel Konkurrenz gibt, aber wir wollen nicht dieses ängstliche Gefühl haben. Wir glauben, dass türkische Qualitätsmode uns aus dieser schwierigen Situation retten wird“, erklärt Sahinaz Zahariou, eine Vertreterin von Intersivin.

Ein Überblick über The Core Istanbul. Credits: IFCO

Hochwertige Qualität und Designertalente bei The Core Istanbul

Auf der Plattform "The Core Istanbul" wurde der hohen Qualität eine besondere Bühne auf der Ausstellungsfläche eingeräumt. Im Mittelpunkt dieses Bereichs stehen 22 Designer:innen, neue und altbekannte Namen, die nicht zu Unrecht ins Rampenlicht gerückt werden. Namen wie 2BE4A, A Piece Of Work, Alaii, Arzu Kaprol, Be Oz, Bianco E Nero, Denim Heads, Elara Esmer, Esin Barriş, Eynaco, Helin Aydoğan, Heva, Majura by Özlem Erkan, Meltem Özbek, Mert Erkan, Ryderact, Safarah World, Shyz Wear, Syga, Tuba Ergin, Urban Muse, Viola&Vesper nahmen an dieser Veranstaltung teil.

Die Arbeit von Arzu Kaprol erregte viel Aufmerksamkeit. Die gleichnamige Marke profiliert sich als eine nachhaltige Marke, die Leder und lederähnliche Materialien verwendet. Die Designerin ist Vegetarierin, erklärt aber, dass sie die Reste von Tierhäuten verwendet, weil dieses Material sehr lange hält. „Meine Produkte bleiben für immer in sehr gutem Zustand und das ist nachhaltig", sagt sie. Kaprol verwendet alte Techniken, um Drucke von Hand auf ihre Kleidung zu stempeln. Außerdem sind ihre Taschen mit einem NFT ausgestattet. Jeder, der sein Handy an der Tasche vorbeiführt, wird automatisch auf die Website weitergeleitet, um weitere Informationen über das Produkt zu erhalten. Die Designerin sagt, sie erhalte viel Interesse aus Russland. „Sie sehen Nachhaltigkeit als den neuen Luxus", sagt sie.

Incubator Studio - der Showroom und das Studio von A Piece Of Work, Esin Bariş und Shyz Wear. Credits: FashionUnited / Sylvana Lijbaart
Shyz Wear im Showroom.Credits: FashionUnited / Sylvana Lijbaart

A Piece Of Work, Esin Bariş und Shyz Wear werden an einem gemeinsamen Stand ausgestellt. Das ist kein Zufall, die Designer:innen hinter den Marken sind miteinander befreundet und haben auch einen gemeinsamen Showroom und ein gemeinsames Studio in Istanbul. FashionUnited wurde eingeladen, einen Blick in ihr zentrales Designerstudio, das Couveuse Studio, zu werfen. Ezgi Karayel, Seydullah Yilmaz und Essin Bariş sagen, sie teilen sich das Studio aus wirtschaftlichen Gründen. Die drei jungen Designer:innen präsentieren drei verschiedene Stile. A Piece Of Work hat einen edgy Touch, während Shyz Wear in die Richtung Streetwear geht und markante Prints verwendet. Essin Bariş setzt auf Couture. Die ausgestellte Kollektion handelt von ihrem Vater, der selbst Couturier ist, und dem Prozess, den ein Kleidungsstück durchläuft. Barriş fügt hinzu, dass sie kürzlich auch personalisierte Anzüge für Basketballer, Volleyballer und Fußballer, darunter Hakim Ziyech, angefertigt hat.

Der Vater von Esin Bariş im Atelier.Credits: FashionUnited / Sylvana Lijbaart

Europa: Ein Markt mit vielen Möglichkeiten für türkische Modehändler

Türkische Modemarken sind seit Jahren in der arabischen Welt, Nordafrika und Russland erfolgreich, aber die Türkei möchte auch außerhalb dieser Märkte Fuß fassen. Die Messe zielt darauf ab, türkische Modehändler mit den USA, Südafrika und Europa zu verbinden. Was Europa betrifft, so haben die IFCO-Aussteller:innen vor allem den deutschen, französischen, spanischen und britischen Markt im Blick.

Dass Europa ein Markt mit vielen Möglichkeiten ist, wurde auch in der Eröffnungsrede von Mustafa Paşahan, dem Vizepräsidenten des Istanbuler Bekleidungsexporteursverbandes (IHKIB), deutlich. Er rief Europa dazu auf, die Türkei zu unterstützen.

Die Aussteller:innen sagten FashionUnited, dass vor allem auch das Vereinigte Königreich ein interessanter Markt sei. Erstens, weil die Kommunikation (in englischer Sprache) einfach ist. Zweitens, weil die Kaufkraft höher ist als im übrigen Europa, erklären Vertreter:innen bei den Ständen von Intersivin und Setre. Auch die Marken Parkhande, Riversmell und Machinist geben an, dass sie England für den interessantesten Markt in Europa halten.

Die türkischen Modehändler:innen haben auch Frankreich, Spanien und Italien im Visier. Hier kommt die türkische Mode zur Geltung und diese Länder sind bereit, Qualität über Quantität zu stellen, erklärten It's Basic und Gizia. It's Basic setzt auf Fast Fashion und präsentiert jede Woche eine neue Kollektion. Die Marke zählt unter anderem niederländische Einzelhändler:innen wie Van Tilburg und Nikki zu ihren Kund:innen. Gizia, eine Prêt-à-porter-Marke mit Couture-Touch, setzt auf das Gesamterlebnis, indem sie ihre Geschäfte mit Restaurants kombiniert. Letzteres geschieht nicht nur, um das Kund:innenerlebnis zu professionalisieren, sondern auch, um die Möglichkeiten der Marke zu erweitern.

„Es ist eine schwierige Zeit. Der Großhandel hat es derzeit schwerer als der Einzelhandel, weil wir 'teuer' sind. Um sich in wirtschaftlich schwierigen Situationen zurechtzufinden, muss man über das Kerngeschäft hinausschauen", erklärt Batuhan Kutlu, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands von Gizia. Deshalb hat die Marke Gizia neben einigen Geschäften auch Restaurants eröffnet. Zudem ist die Eröffnung einer neuen Fabrik in Istanbul geplant, und innerhalb von fünf bis zehn Jahren will Gizia unter anderem Geschäfte in England, Frankreich, Italien und Dubai eröffnen.

Obwohl die Nachfrage nach europäischen Modehändler:innen steigt, waren diese auf der türkischen Modemesse noch rar gesät. Die Aussteller:innen berichten FashionUnited, dass es vor allem viele Interessent:innen aus Russland, den arabischen Ländern und den Golfstaaten gibt.

Der Eingang der IFCO. Credits: FashionUnited / Sylvana Lijbaart

Hochwertige Produktion

Man kann davon ausgehen, dass die türkische Modeindustrie das Kriegsbeil in den kommenden Jahren nicht begraben wird. In der Tat scheint die Türkei in Russland, den Golfstaaten und Afrika immer mehr an Boden zu gewinnen. Obwohl das Land aufgrund der gestiegenen Preise Schwierigkeiten hat, europäische Marken und Einzelhändle:innen für sich zu gewinnen und mit einem Rückgang der Exporte zwischen zehn und 13 Prozent konfrontiert ist, ist es entschlossen, diesen Markt zu stärken, so Paşahan in einem Interview mit FashionUnited.

„Es gibt weltweit wirtschaftliche Schwierigkeiten, nicht nur in der Türkei. Nach der Corona-Krise hatten wir mit zwei schweren Erdbeben zu kämpfen. Ich weiß, dass unsere Preise gestiegen sind, und sie sind für europäische Händler:innen ziemlich hoch. Die Türkei macht keine Kompromisse bei den Preisen. Wir setzen nur auf die beste Qualität, und das sichert letztlich auch die besten Partnerschaften“. Der IHKIB-Vizepräsident hat eine klare Botschaft: „Europa, arbeitet mit uns zusammen und erkennt, dass Qualität vor Quantität geht.“

Paşahan sieht die Türkei als ein starkes Land. Er sagt, das Land exportiere Konfektionsware im Wert von 30 Milliarden US-Dollar. „Besonders unter diesen Umständen kommt die Türkei zusammen und gemeinsam sorgen wir dafür, dass wir stärker werden. Siebzig Prozent unserer Konfektionsexporte gehen nach Europa. Der Anteil der europäischen IFCO-Besucher:innen liegt zwischen 16 und 20 Prozent. Unser Ziel ist es, diesen Anteil auf 50 Prozent zu erhöhen.“

Der Vizepräsident der IHKIB bekräftigte, dass die Türkei kein Massenproduktionsland sei, sondern sich für die Aufrechterhaltung von Qualitätsstandards einsetze. Das Land muss in der kommenden Zeit flexibel bleiben und sein kulturelles Erbe, seine geografische Lage und sein Designtalent sowie neue Technologien und Innovationen nutzen, um mit der Konkurrenz aus Asien mithalten zu können.

Dieser Artikel kann zu einem späteren Zeitpunkt mit zusätzlichen Informationen über die Besucher:innenzahlen ergänzt werden. FashionUnited wartet noch auf die Statistiken.

Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl

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