European Bridal Week: Weiße Träume und das Geschäft mit der Liebe
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Bereits beim Betreten der Messe Essen wurden Besucher:innen der European Bridal Week von opulenten Roben begrüßt – ein Trend, der drei Tage lang in den zwei prall gefüllten Hallen der Ordermesse präsentiert wurde. Nicht nur Stimmengewirr und lautstarke Musik begleitete von Stand zu Stand, auch in Brautkleider gehüllte Models taten ihr Bestes, Blicke auf sich zu ziehen und möglichst viele Einkäufer:innen an die Stände zu locken.
Während die Besucher:innenzahlen auf der Ordermesse für Brautmode am Samstag bei einigen der über 500 Ausstellenden noch Wünsche offen ließ, wuselte es – besonders in der vorderen der beiden Hallen – am Sonntag und Montag dafür umso mehr. Manche Stände, gerade im Eingangsbereich der Messe, hatten zwischen Treffen mit der Kundschaft, Ordern und den mehrmals am Tag veranstalteten Mini-Modenschauen kaum Zeit für ein Gespräch.
Dass der erste Messetag für einige Ausstellende jedoch etwas langsamer anlief, sei aber das nicht weiter verwunderlich, denn nur die wenigsten Einzelhändler:innen könnten es sich leisten, ihren Brautmodengeschäfte an einem Samstag zu schließen, erklärt Jasmin Dornsiepen. Die gelernte Lehrerin lancierte 2019 das Boho-Brautmodenlabel Malee und bringt nun eine Zweitlinie auf den Markt bringt. Sie startete ihre Laufbahn in der Hochzeitsbranche jedoch mit einem eigenen Laden, Calee, der all das bietet, wonach sie bei ihrer Suche nach dem perfekten Kleid in 2016 vergeblich suchte – eine Entstehungsgeschichte die des öfteren auf der Messe zu hören ist.
Wie viele Besucher:innen letzten Endes tatsächlich durch die weißen Hallen schritten, gab United Fair, der Messeveranstalter der European Bridal Week nicht bekannt, zeigte sich aber zufrieden. In dem Abschlussbericht war von „Einzelhändler:innen aus nicht weniger als 48 Ländern” die Rede. Die Messe ist zugleich auch eine Premiere, denn die European Bridal Week fand in dieser Form vom 01. bis 03. April zum ersten Mal statt.
Im Juli gaben die Düsseldorfer Interbride Bridal Fashion Fair und das Organisationsteam der European Bridal Week bekannt, dass die beiden Messen sich zu einer Veranstaltung zusammenschließen. Diese Entscheidung sollte die Brautmodenindustrie stärken, für zukünftige Marktentwicklungen bestmöglich positionieren und den Standort Deutschland stärken, denn pandemiebedingte Herausforderungen und die aktuelle Inflation sind auch an der Hochzeitsindustrie nicht spurlos vorbeizugehen – und doch scheint das Geschäft mit der Liebe ein standhaftes.
Liebe, ein sicheres Geschäft?
„Es gibt drei Dinge, die in diesem Leben garantiert sind – man muss essen, man muss auf seine Gesundheit achten und Menschen heiraten”, sagt Designerin Manon Pascual, die bereits seit mehr als 18 Jahren Hochzeitskleider entwirft. Es ist ein Eindruck, der sich auf der Messe bestätigt, denn inmitten von opulenten Kleidern und dem Versprechen von ewiger Liebe scheinen die Probleme der Außenwelt tatsächlich für einen Moment vergessen. Sollte das nicht reichen, gibt es immer noch eine Champagner-Bar und eine Candy-Stand, an dem Messegäste mit zuckrigen Leckereien versorgt werden.
Preissensitivität ist dennoch ein Thema, nicht nur für werdende Bräute, sondern auch für Brautausstatter:innen, die auf der Messe nach Roben für ihre Geschäfte suchen. An den meisten Messeständen wird von steigenden Kosten gesprochen, sowohl in der Produktion als auch für den Transport der Träume in Weiß, die zu einem großen Teil in China hergestellt werden. Auf eine genaue Zahl will sich keiner einigen, doch meist ist von einer Preissteigerung zwischen zehn und 15 Prozent die Rede. Das hängt jedoch stark vom Modell des Kleides und dem damit verbundenen Produktionsaufwand ab, denn umso aufwendiger und opulenter das Kleid, desto mehr kostet es nicht nur die werdende Braut, sondern auch die Brautläden.
Auf die Pandemie sowie auch die aktuelle Inflation und die damit verbundenen Komplikationen angesprochen, zeigten sich viele Ausstellende relativ entspannt. Dem statistischen Bundesamt zufolge haben noch nie so wenig Paare geheiratet wie in 2021, doch eine Hochzeit wird laut den Brautmodemarken, wie auch Ausstatter:innen im durchschnitt mindestens 18 Monate vor dem großen Tag geplant. Dieser Annahme zufolge hatten die meisten Bräute, deren Hochzeiten pandemiebedingt verschoben wurden, ihr Kleid bereits im Schrank – oder zumindest bestellt. Jene, die sich während der Pandemie verlobten – und davon scheint es einige zu geben – seien jetzt auf der Suche nach dem richtigen Outfit. Inwieweit Boutique-Besitzer:innen mit Ladenschließungen zu kämpfen hatten, wurde auf der Messe selbst wenig thematisiert, doch Eventlocations und Florist:innen seien weitaus schlimmer von der Krise getroffen worden, als die Mode, sagen einige Ausstellende.
Der geschäftigen Stimmung an den einzelnen Ständen nach zu urteilen, verlief die Messe durchaus positiv und auch die Marken bestätigen, dass sowohl einige Neukund:innen als auch bereits bekannte Einkäufer:innen den Weg auf die Messe fanden. Bei der Frage, ob die Ordermenge wieder auf dem Stand von vor der Pandemie ist, hielten sich die Ausstellenden eher bedeckt. „Auch wenn – bedingt durch die aktuelle Marktsituation bei unseren Kund:innen – die Brautkollektionen nicht wie im Vorjahr geordert wurden, haben wir im Brautmutter-Bereich und beim Mix- und Match-Thema zulegen können“, so Zoran Banozic, Geschäftsführer der Braut- und Abendmodeherstellers Weise im Abschlussbericht der European Bridal Week und gab einen Einblick in die Geschäftslage. „Insgesamt konnten wir somit erstmals die Vorjahreszahlen halten.“
Plus-Size-Markt für Bräute ist unterversorgt doch bietet viele Chancen
Beobachtet man die Einkäufer:innen auf der Messe, scheint der Prozess der Auswahl des richtigen Kleides ebenso durchdacht wie die endgültige Wahl der Braut. Modelle werden ausgewählt und anschließend an Models, die jede ausstellende Marke mit im Gepäck hat, vorgeführt. An manchen Ständen gibt es ganze Brigaden von schönen Mädchen, die Musterkleider tragen, während die Einkäufer:innen diese mit kritischem Blick verfolgen. Ob sie hierbei versuchen zu verstehen, wie die Kleider an einer “durchschnittlichen” Braut aussehen könnten, sei dahingestellt, doch es fällt auf, dass nur wenige Stände ihre Brautmode an kurvigen Models präsentieren. Das gilt sowohl vor Ort als auch für die Kataloge. Auffällig ist jedoch, dass fast alle Marken, zumindest auf Nachfrage, einräumen, dass ihre Kleider auch in Konfektionsgrößen 58 und 60 bestellbar sind – oftmals müssen Bräute hierfür jedoch extra zahlen.
Umso mehr fallen jene Stände auf, an denen Kleider an kurvigen Büsten aufgestellt sind. Das ist unter anderem bei Très Chic der Fall. Zu der Brautmodenfirma gehören heute sechs Labels, unter anderem Miss Emily, eine Marke mit Brautkleidern, die speziell für “kurvige oder Plus-Size-Bräute” entworfen wurden – und auch an solchen fotografiert werden. Darauf angesprochen verweist Très-Chic-Marketingspezialist Andrew Georgiou im Handumdrehen auch auf das niederländische Brautmodelabel Bridal Star, dass zu Messebeginn eine "Demonstration" veranstaltete und mit Schildern wie “Alle Körper sind gute Körper” auf die weitgehend fehlende Diversität in dem Brautmodemarkt aufmerksam machte.
Dass der Plus-Size-Markt für Bräute “stark unterversorgt” wird, wie es Georgiou nennt, ist ein Fakt der erstaunt, denn häufig wird auf den Ständen davon gesprochen, dass die Bedürfnisse der werdenden Bräute im Mittelpunkt stehen müssen. „Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Braut mit Übergröße, die sich in etwas, das sie sich bereits als kleines Mädchen vorgestellt hat, unwohl fühlt – dann haben Sie eine riesige Kluft geschaffen. Sollte es Ihnen aber gelingen, diese zu überbrücken und die Braut fühlt sich wohl, dann ist es eine absolute Erfolgsformel”, so der Marketingexperte von Très Chic.
Zwischen Prinzessinnen und Hippies – die Braut bekommt was sie will
Es sind häufig auch die Bräute selbst, die in der Branche den Ton angeben, sagt Jasmin Dornsiepen, denn diese kommen bereits mit sehr genauen Vorstellungen in den Laden. Eine Tatsache, die die sozialen Medien in den letzten Jahren noch deutlich verstärkt haben. Modetrends spielen wiederum eine untergeordnete Rolle, heißt es auf einigen Ständen, doch natürlich können auch diese Einfluss nehmen – genauso wie die Zeiten, in denen wir leben. Anscheinend steht vielen Bräuten aktuell der Sinn nach etwas ausgefallenem und pompösen, vielleicht auch, um von der Zeit der kleinen, schlichteren Hochzeiten in den Corona-Jahren Abstand zu nehmen.
Selbst ein Brautmodeexperte wie Georgiou gibt zu, dass er von den aktuellen stilistischen Entwicklungen überrascht ist. „Nach Corona hätte ich vorhergesagt, dass Bräute etwas Minimales und Schlichtes wollen, doch das Gegenteil ist eingetreten”, erzählt er. „Gleich nach Corona waren Ballkleider der Renner und große Ballkleider”. Tres Chic zeige keine Ballkleider auf der Messe, habe allerdings eine gesamte Kollektion nur mit “riesigen” Ballkleidern entworfen, die auch direkt zum Verkaufsschlager wurden. „Wir hatten vorher noch nie Ballkleider gemacht, aber die Nachfrage war so groß, und unsere Vertreter:innen in anderen Teilen der Welt sagten uns alle, dass die Kund:innen Ballkleider wollen” – und der Wunsch der Braut scheint hier immer noch im Mittelpunkt zu stehen.
Schaut man sich auf der Messe um, scheinen Bräute, die kein Ballkleid wollen, zum größten Teil auf Kleider im Boho-Stil zu setzen. In der ersten großen Halle zeigten sich bekannte Vertreter:innen der Branche wie die zur Pronovias-Gruppe gehörenden Marken White Ones, Ladybird und House of St. Patrick, der Stand der Sposa Gruppe oder Justine Alexander. Wer es in die zweite, etwas ruhigere Halle schaffte, fand dort auch den zuvor angekündigten Bereich für Designermode. Der Bereich war allerdings relativ klein und ein wenig versteckt, einige Besucher:innen verirrten sich jedoch besonders dank der dort platzierten Candy-Bar in diese Ecke.
Designer:innen im Fokus?
Besonders in der kleinen “Designer Area”, wie sie von den Messeveranstalter:innen getauft wurde, zeichnet sich ein neues, weniger traditionelles Bild der Brautmode ab. Manch eine Besucher:in sowie auch Marken finden, dass der Blick der Messe das Bild der Brautmode nach außen hin vielleicht ein wenig verfälscht. Viele Bräute heiraten heutzutage immer individueller, modischer und gewagter.
Im Bereich für Designer:innen sind neben Branchenveteran:innen wie Vera Wang auch minimalistische Labels wie die die polnische Marke Agata Wojtkiewicz mit ihren schlichten Seidenkleidern vertreten oder die Designerin Alessandria Coppola und deren kleine Brautmodekollektion, die auf den Persönlichkeiten ihrer Maßkund:innen basiert. Die beiden Stände stehen sich gegenüber, könnten aber rein optisch kaum unterschiedlicher sein und scheinen daher die Unterschiede moderner Bräute und die Komplexität der Branche perfekt widerzuspiegeln. Durchaus zu denken, gibter der Vorschlag einer Marke, dass genau dieses Areal besser am Eingang der Messe platziert werden sollte, um neuen, kleineren Marken die Chance zu geben mit Einkäufer:innen in Kontakt zu kommen, bevor diese ihr Budget und ihre Konzentration bei den großen, imposanten Ständen am Eingangsbereich bereits erschöpfen.
Kann Brautmode nachhaltig sein?
Ein weiterer Denkanstoß ist auch die Nachhaltigkeit, die im Gespräch mit dem ebenfalls in dem Designer Areal platzierten deutschen Label Kelly Omelly aufkommt. Dass Brautmode an und für sich nicht nachhaltig ist, ist kein Geheimnis, schließlich handelt es sich hierbei um ein Kleidungsstück, das in den meisten Fällen für nur einen Tag getragen wird. Doch Bräute scheinen auch hier immer mehr Interesse an nachhaltigeren Lösungen zu entwickeln.
Designerin und Schneidermeisterin Kelly Röhrig hat sich daher auf Zwei- und Dreiteiler spezialisiert, die auch nach der Hochzeit noch getragen werden können und sollen. Außerdem ist Nachhaltigkeit – und die mehrfache Verwendung eines Kleides – auch einige Stände weiter bei Designerin Sanna Lindström ein Thema. Seit einigen Monaten bietet Lindström in einigen ihrer Ateliers ein Second-Hand-Konzept an, bei dem Bräute ihr getragenes Kleid auf Kommission zurück in den Verkauf geben und somit eine andere Braut glücklich machen.
Glück ist auch der Name des Konzepts, das nach dem schwedischen Wort „Lycka” benannt wurde. Für Lindström, die ihr eigenes Label und die damit verbundenen Ateliers 2017 gründete, war es die erste Messe und sie scheint sich, ähnlich wie das frisch gestartete Second-Hand-Geschäft, gelohnt zu haben. „Wir sind sehr positiv überrascht, unser Stand ist weit weg von allem anderen und dennoch ist es richtig gut angekommen und wir haben viele neue Partnerateliers heute dazugewonnen”, erzählt die Designerin stolz, denn sie freut sich ihre Kleider nun auch in andere Hände zu geben. Dennoch ist es ihr wichtig, ihre Handelspartner mit Bedacht zu wählen, denn die Bräute und deren Erfahrungen sollten weiterhin im Vordergrund stehen. „Das unsere Kleider von den Händler:innen genauso aufgenommen werden, wie von den Bräuten ist natürlich schön, doch wir suchen sie auch gezielt aus und sie kommen gezielt zu uns – genau wie die Braut!”
Es ist ein Motto, dass auch auf die Messe übertragen werden kann – denn die Bräute und deren Wünsche sind hier – auch ohne selbst anwesend zu sein, allgegenwärtig.
FashionUnited wurde eingeladen, die European Bridal Week in Essen zu besuchen.