Düsseldorfer Ordertage: Zwischen Neuanfängen, Bewährtem und der Frage nach Mut
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Am Wochenende stand Düsseldorf wieder im Zeichen der Mode. Sommerliche Temperaturen lieferten auf den Fashion Days einen passenden Rahmen für die Kollektionen der kommenden Frühjahr/Sommer 2026-Saison, doch neben leichten Silhouetten und fröhlichen Farben prägte ein Thema die Ordertage besonders deutlich: „Mut als Must-Have“.
Zum Auftakt der Messe teilt die Supreme Women & Men diesen Gedanken im Gespräch mit FashionUnited, als Haltung, die den Handel in herausfordernden Zeiten tragen soll. Denn in einem Markt, der sich kaum von den Nachwirkungen der Coronapandemie erholen konnte und weiterhin mit Konsumzurückhaltung, Unsicherheit und strukturellem Wandel kämpft, ist Mut mehr denn je gefragt.
Doch wie groß ist die Bereitschaft zu mutigen Entscheidungen, wenn der Handel seit Jahren im Ausnahmezustand agiert? Und wie schlägt sich das auf die Frühjahr/Sommer 2026 Saison nieder?
Positive Messe-Stimmung trotz schwieriger Zahlen
Ein Eindruck davon lässt sich nicht nur auf den Flächen gewinnen, sondern auch auf der Fahrt zwischen den Veranstaltungsorten. In einem der Shuttlebusse, die Besucher:innen vom Supreme-Standort an der Kaiserswerther Straße durch die Stadt bringen, merkte ein Gast trocken an, dass die Atmosphäre spürbar besser sei, als es die Geschäftszahlen vieler Händler:innen im Vorfeld hätten vermuten lassen. Gerade im traditionell eher zurückhaltenden deutschen Markt ist das keine Selbstverständlichkeit.
Tatsächlich erweist sich die Supreme Düsseldorf in dieser Saison als einer der wenigen noch existierenden Fixpunkte für den Austausch zwischen Industrie und Handel. Die Messe fungiert längst nicht mehr nur als reine Orderplattform, sondern immer stärker auch als Treffpunkt für Dialog, Orientierung und neue Impulse. Zahlreiche Aussteller:innen berichten von einer soliden Besucher:innenfrequenz an den ersten beiden Tagen. Rund 3.000 Gäste wurden von Freitag bis Sonntag gezählt. Dabei geht es nicht nur ums Ordern, sondern auch um intensives Sondieren, persönliches Netzwerken und fachlichen Austausch. Das Bedürfnis nach direkter Begegnung bleibt hoch, auch wenn hier und da der Wunsch laut wird, wieder mehr auf spontane Laufkundschaft statt auf streng terminbasierte Gespräche zu setzen. Dennoch, der Wille zur Verbindung ist spürbar, ebenso wie die Bereitschaft, wieder verstärkt in persönliche Beziehungen und kontinuierlichen Dialog zu investieren.
Ein Beispiel für diesen Willen ist der Auftritt der niederländischen Marke Fabienne Chapot, deren Vertriebsteam die Supreme als Plattform nutzt, um gezielt neue Kontakte zu knüpfen und bestehende Beziehungen zu vertiefen. „Wir haben bewusst auf eine doppelte Präsenz gesetzt, mit einem kompakten Stand auf der Messe als emotionalem Ankerpunkt und einem nahegelegenen Showroom für die vollständige Kollektion und die konkreten Orders“, erklärt Fabienne Chapot Vertreterin Tina Kopp. Die Resonanz sei positiv, selbst wenn die Messe insgesamt ruhiger verlaufe als erwartet.
„Für uns hat sich der Einsatz gelohnt, insbesondere weil neue Kund:innen den Weg zu uns gefunden haben.“ Besonders geschätzt würden die handgemalten Prints und die liebevollen Details der Kollektion. Aspekte, die sich laut Kopp gerade im persönlichen Gespräch überzeugend transportieren ließen. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis stieß kaum auf Widerstand. „Die Stimmung auf der Messe war insgesamt überraschend positiv“, resümiert sie.
Supreme platziert sich als Tor zum Handel
„Entschlossenheit ist gefragt. Beim Handel, bei den Marken, aber auch bei uns als Veranstalterinnen“, so Supreme-Chefin Aline Müller-Schade im Gespräch mit FashionUnited. Diese Entschlossenheit zeigt sich auch auf der Fläche der Messe. Die Kollektionen für Frühjahr/Sommer 2026 wirken frischer und jünger, auch wenn der Markenaufbau eine langfristige Aufgabe bleibt. Drei bis vier Saisons brauche es, bis ein Label ernsthaft wahrgenommen werde, erklärte sie. Deshalb setzt Supreme gezielt auf Kontinuität in der Aussteller:innenstruktur und versteht sich nicht nur als Ort für kurzfristige Order, sondern als Partnerin für strategische Markenentwicklung. „Wir sehen uns als Tor zur Branche – und das Tor steht weit offen.“
Dieses Tor möchte auch Schwister nutzen, die neu lancierte, höherpreisige Womenswear-Linie der Modemarke Blutsgeschwister. Marion Meyer-Arendt, Chief Retail Officer von Blutsgeschwister, und Sarah Voß, die den Vertrieb für Ostdeutschland verantwortet, präsentierten Schwister mit dem Auftritt bei der Messe erstmals. Nach einer Messepause kehrt das Team bewusst mit dieser neuen Linie zurück, um neben den Terminen in den eigenen Showrooms auch direkt auf der Fläche Neukund:innen zu gewinnen und Feedback einzuholen.
Der Start auf der Messe gestaltete sich jedoch herausfordernd. Die ersten Tage waren eher ruhig, mit überwiegenden Pressebesuchen. Potenzielle Kund:innen würden sich eher auf ihnen bereits bekannte Marken und fest gebuchte Termine konzentrieren. Erst am Sonntag, dem letzten Messetag, zeigte sich ein reges Interesse, auch von potenziellen Neukund:innen. Vor diesem Hintergrund betonte Meyer-Arendt erneut, dass gerade in der aktuellen Marktphase Entschlossenheit gefragt sei – sowohl von Einkäufer:innen, die neuen Marken eine Chance geben sollten, als auch vom Handel, der bereit sein muss, in Innovation zu investieren.
Schwister setzt dabei mit klaren Preisstrukturen und modischen, eigenständigen Designs gezielt auf eine Zielgruppe, die Wert auf besondere Muster, hochwertige Materialien und auch Abendmode legt. Voß unterstrich dabei insbesondere die langjährige Erfahrung und Produktionsqualität von Blutsgeschwister, die einen Vertrauensvorschuss bieten. Gleichzeitig betonte sie, dass die Marke bewusst neue Wege gehe, um sich weiterzuentwickeln und modischer zu positionieren.
Die Entscheidung kommt zu einer Zeit, in der das Verlangen nach klarerer Differenzierung immer größer wird, und das aus gutem Grund. Wer ausschließlich auf Bewährtes setzt, riskiert langfristig, an Profil zu verlieren. Allerdings zeigt sich im Verlauf der Düsseldorfer Ordertage – und an Beispielen wie Schwister –, dass das Interesse an Neuem zwar vorhanden ist, der tatsächliche Mut zur Umsetzung sowie das entsprechende Budget vielerorts noch fehlt.
Ungeachtet dieser Herausforderungen bleibt die Supreme ihrer klaren Positionierung im Premium- und Luxussegment sowie dem Standort Düsseldorf fest verbunden. Mit einem langfristigen Mietvertrag bis mindestens 2030 bekennt sich die Messe deutlich zum Standort. Trotz der andauernden Diskussionen über die Zukunft des stationären Handels und die Rolle digitaler Orderformate ist für Müller-Schade eines klar: „Es braucht Orte wie diesen, an denen die Branche zusammenkommt. Denn hier entstehen die Entscheidungen, die morgen den Unterschied machen.“ Damit spricht sie vielen Aussteller:innen vom Herzen, denn auch wenn Frequenzen vielleicht nicht mehr mit den einst üblichen Scharen an Einkäufer:innen vergleichbar sind – auch weil Einkaufsteams ähnlich wie Budgets immer kleiner werden – möchte man einen Ort wie die Supreme in Düsseldorf nicht missen.
Twodays startet in zwei Locations
Mut bewiesen hat in dieser Saison aber vor allem auch die Igedo. Der Veranstalter, der zuletzt die Messen Fashn Rooms und Neonyt in Düsseldorf austrug, wagte den Schritt in ein neues Messekapitel. Bereits in der vergangenen Saison setzte Fashn Rooms auf eine kompaktere Fläche und zog vom Areal Böhler in die benachbarte ‘Kaltstahlhalle’, nun folgte ein weiterer Umzug in die historische Rheinterrasse. Das denkmalgeschützte Gebäude mit seinen hohen Decken, großen Fenstern und dem Rheinblick war einst Teil der GeSoLei-Ausstellung von 1926 und diente früher als Konzert- und Tanzhaus, nun fungierte es als einer der zwei Standorte der TwoDays sowie dem dazugehörenden Showroom-Konzept.
Das neue Messekonzept setzt, wie der Name schon erahnen lässt, offiziell auf nur zwei Tage Laufzeit, dennoch startete es mit einem 'Soft Launch' in den Rheinterrassen am Samstag; das parallel integrierte und im Kap.One an der Kaiserswerther Straße angesiedelte Showroomkonzept begann sogar bereits am Freitag. Noch in der Rheinterrasse integriert ist das nachhaltige Messekonzept Neonyt. Allerdings nicht mit eigener Fläche, sondern durch eine dezente Kennzeichnung nachhaltiger ‘Neonyt’-Marken. Laut Ausstellerplan handelte es sich dabei um acht von insgesamt rund 170 Labels.
Direkt am Eingang der als Rundgang konzipierten Messe in der Rheinterrasse präsentiert sich Gola. Das sich als älteste Sneaker-Marke der Welt bezeichnende Label mit über 120 Jahren Geschichte setzt auf Präsenz, auch wenn der Messeauftritt eher einem gezielten Testlauf gleicht. „Das hier ist ein Versuch. Wir wollen schauen, ob wir mit unserem Auftritt neue Kundschaft aus dem Bereich Modehäuser oder Boutiquen erreichen können“, erklärt Vertreter Detlef Zimmermann. Die Marke sei derzeit vor allem im klassischen Schuh- und Fachhandel verankert. Umso sinnvoller erschien also die Teilnahme an der neu gedachten Plattform des Veranstalters Igedo, die Mode, Accessoires und Schuhe verbindet, als Litmus-Test.
Trotz eines klar gesteckten Ziels zeigte sich Zimmermann am Samstagmorgen wenig von der noch sehr zurückhaltenden Besucher:innenfrequenz überrascht oder beunruhigt. Als Unternehmen habe man eine gewisse Präsenzpflicht, auch um Standorte wie diesen zu unterstützen. Zwar seien andere Formate wie die Verbandsmesse ANWR in Mainhausen oder das Unitex Fashion Festival in Ulm aktuell deutlich stärker in der Wirkung, doch man habe sich bewusst entschieden, in Düsseldorf Flagge zu zeigen.
Im Mittelpunkt stehe für Gola dabei allerdings weniger das Ordergeschäft als der persönliche Kontakt: „Die Gespräche, nicht die Ordern. Ich will Austausch, nicht nur Aufträge. Die schreiben wir anderswo.“ Gerade in der aktuellen Marktlage sei das für viele Händler:innen entscheidend. Investitionen würden zurückhaltender getätigt, Sortimente stärker konsolidiert. „Viele Händler:innen sind verunsichert, scheuen Risiken und haben Angst vor Investitionen“, beschreibt er die Stimmung im Markt. Zudem wünschen sich Händler:innen vor allem Stabilität, Verlässlichkeit und Profil – auf beiden Seiten. Gerade in einem schwankenden Marktumfeld sei es wichtig, dass Marken eine klare Haltung zeigen. „Wer überall hingeht, wo Licht brennt, darf sich nicht wundern, wenn keiner mehr weiß, wofür die Marke steht“, sagt er mit Blick auf allzu breite Vertriebsstrategien im Markt. In solchen Phasen kommt es jedoch auch verstärkt auf eine vertrauensvolle, unkomplizierte Zusammenarbeit an. Genau dort wolle Gola ansetzen: „Bei uns gibt es keine Mindestmengen oder Budgetgrenzen. Es muss nur Sinn machen.“
Gleichzeitig macht das Unternehmen allerdings klare Vorgaben bei der Auswahl seiner Vertriebspartner:innen. „Wir haben uns bewusst von Plattformen wie Amazon, Zalando oder About You getrennt. Das hat der Marke extrem gut getan“, betont er. Gola setzt stattdessen auf stationären Handel, einen eigenen Webshop mit bewusst höheren Preisen sowie eine gezielte Standortstrategie: „Wir nehmen keine neuen Kund:innen auf, wenn die Lage nicht passt. Auch dann nicht, wenn große Namen anklopfen.“
Selektiv wählt auch 8Beaufort seine Händler:innen aus. Die Sneaker-Marke, die ihre Materialien aus recycelten Segeltüchern bezieht und in Hamburg und Portugal produziert, setzt seit Jahren auf einen zielgerichteten Vertrieb. Dabei setzt das hanseatische Unternehmen insbesondere auf Partner:innen in Küstenregionen wie der Bretagne, den Niederlanden, Dänemark oder Norddeutschland, die den Ethos der Brand widerspiegeln.
Den Weg nach Düsseldorf fand die Sneaker-Marke dennoch, allerdings als einstiger Teil der nun in die TwoDays integrierten nachhaltigen Messe Neonyt. Dass die Neonyt nun nicht mehr als eigenständige Bühne wahrnehmbar ist, sondern in ein breiteres Format eingegliedert wurde, sieht Geschäftsführerin Sabine Moormann allerdings durchaus kritisch – auch wenn sie den Versuch, Nachhaltigkeit stärker in die Mitte der Branche zu bringen, grundsätzlich begrüßt. Sie befürchtet, dass das Profil der Neonyt in der neuen Struktur verwässert werden könnte. „Ich hätte mir gewünscht, dass das Thema sichtbar bleibt und nicht im Rest der Halle untergeht.“ Auf dem ursprünglichen Messeformat seien Gespräche auf einem ganz anderen Level angegangen worden, denn dort ging es nicht nur um Kalkulationen, sondern um Haltung.
Nichtsdestotrotz wollte das Unternehmen der neuen Konstellation eine faire Chance geben. „Nur zu kritisieren bringt nichts. Man muss Formate auch ausprobieren, bevor man sie beurteilt.“ Die Besucher:innenfrequenz allerdings blieb am ersten Messetag, der mit einem Soft Launch am Samstag startete, überschaubar. „Viele hatten den Termin am Samstag nicht auf dem Schirm“, so Moormann am Sonntagmorgen. „Ich selbst habe erst zwei Tage vorher gemerkt, dass ich schon am Samstag anreisen muss.“ Der Messe-Titel TwoDays habe eher für Verwirrung gesorgt als Orientierung geboten und die meisten in dem Irrglauben gelassen, dass die Messe Sonntag und Montag stattfinden würde.
Die Marke ist im September noch bei der Who's Next in Paris vertreten, die wie Igedo eine Lizenz für die Neonyt hält. Dennoch scheint die Geschäftsführerin aber an der Sinnigkeit eines Messeauftritts für ihre Marke zu zweifeln. Das liege unter anderem daran, dass Neukund:innen aktuell ohnehin nicht der Fokus der Marke seien, die vor Kurzem ihren zweiten eigenen Store im Überseequartier in Hamburg eröffnete.
„Für uns als Marke mit starkem Direktvertrieb und klarer Händler:innenauswahl ist ein regionaler Messeauftritt wie dieser nicht immer die beste Plattform“, so die aktuelle Situation. Der eigene Showroom in Hamburg diene zudem für die Marke, die gänzlich auf Agenturvertrieb verzichtet, als mögliche Alternative zur klassischen Orderrunde auf der Messe.
Den Weg auf die Messe erstmals ganz gezielt gesucht wiederum hat das junge Start-up Azur L’Amour. Das Label aus Hamburg ist noch kein Jahr am Markt, versteht sich aber bereits als Premium-Brand mit Haltung. „Wir stehen für hochwertige Qualität und starke Statements. Unser Logo ist ein Kussmund, der für Sinnlichkeit steht, aber auch für das Mundaufmachen, für klare Botschaften“, erklärt Mitgründer Niels Stehn. So trugen die Gründer:innen etwa zur US-Wahl einen Hoodie mit der provokanten Aufschrift ‚Stop making stupid people famous‘ zur Diskussion bei.
Mit einem Mix aus eigenem Webshop und inhabergeführten Boutiquen hat sich Azur L’Amour bislang bewusst fern von großen Plattformen oder klassischen Vertriebsagenturen positioniert. Entsprechend wichtig war der Auftritt auf der TwoDays für das junge Unternehmen: „Wir wollten einfach mal Feedback bekommen, sehen, wie die Kollektion ankommt, ob Boutiquen Interesse zeigen, vielleicht Lookbooks anfordern“, so Stehn.
Allerdings war der erste Messetag auch hier von Zurückhaltung geprägt, und auch die Positionierung in der ersten Messehalle, bei der Schuhe und Mode aufeinandertreffen, sorgte anfänglich für etwas Verwirrung. Als Premium-Fashionbrand wünsche man sich eine klarere Kuration und bessere Einordnung im Gesamtbild. Dennoch betonen sie die positiven Seiten des Messebesuchs, denn der stattgefundene Austausch sei toll gewesen, und auch die Messe als zentral gelegener Treffpunkt für den deutschen Markt würde durchaus Sinn machen. „Düsseldorf ist eigentlich super, wenn man kleine Boutiquen in ganz Deutschland erreichen will.“ Dennoch denkt das Label bereits über andere Optionen wie Kopenhagen oder Paris nach.
Showroom-Concept im Kap.One zeichnet sich aus
Während insbesondere der ruhige Start am Sonntagmorgen in der Rheinterrasse für gemischte Gefühle gesorgt hatte, äußerten sich die Ausstellenden im zentraler gelegenen Kap.One insbesondere von der Lage des neuen Konzeptes überzeugt. Für Desigual sei der Standortwechsel hin zur Kaiserswerther Straße eine klare Verbesserung, wie Tanja Wiesent, Area Managerin für Mittel-, Nord- und Osteuropa, betont: „Man kann alles in einem Rutsch machen – die Supreme, Kaiserswerther Showrooms und dann hierher zur Messe.“ Auch die Kundschaft sei internationaler und spontaner als erwartet gewesen. Trotz anfänglicher gesunder Skepsis erlebte man einen erfolgreichen Auftakt mit neuen Kontakten aus Ländern wie Großbritannien und Finnland.
Bei der Hinterhofagentur wird der neue Standort ebenfalls positiv bewertet. Besonders die zentrale Lage und der entspanntere Ablauf ohne den Zwang reiner Terminvereinbarungen werden geschätzt: „Hier schneien Kund:innen auch einfach mal rein, um zu schauen – das ist natürlich positiv“, so Manager Dominik Meuer. Allerdings werde die Frequenz vor Ort zwar wahrgenommen, aber nicht überbewertet – „lieber drei gute Kund:innen als zehn, die nur durchlaufen“, so ein Agenturvertreter. Die Laufkundschaft sei qualitativ hochwertig, aber insgesamt sei das Messegeschäft weit von früheren Besucher:innenzahlen entfernt.
Beide Gesprächspartner:innen zeichnen ein realistisches Bild der aktuellen Lage im Handel. Wiesent beschreibt die Branche als vorsichtig, aber wieder leicht optimistisch: „Die Leute werden ein bisschen mutiger. Aber spontane Käufe fehlen noch.“ Margendruck, knappe Budgets und ein Fokus auf etablierte Marken erschweren die Aufnahme neuer Labels: „Am Ende scheitert es an der Fläche“, so Wiesent weiter. Auch Meuer beschreibt die Branche als konsolidierungsorientiert, mit wenig Raum für Experimente: „Viele wollen nur das sehen und kaufen, was sie eh schon hatten.“
Markenintegration und Modernisierung in Düsseldorf
Es ist ein Bild, das sich nicht nur auf der Twodays, sondern regelmäßig auf den Düsseldorfer Ordertagen zeigt. Veränderung, so notwendig sie ist, macht vielen Händler:innen derzeit noch Angst.
Mit der vollständigen Integration von Casual Identity (CI) unter das Markendach Comma hat die S.Oliver Group deshalb einen mutigen und zugleich konsequenten Schritt vollzogen: weg von parallelen Linien, hin zu einer konsolidierten Markenwelt. Die Entscheidung ist eine klare Antwort auf verändertes Konsumverhalten, rückläufige Orderzahlen im klassischen Fachhandel und Teil einer langfristig angelegten Strategie, wie Mouna Straub, Division Head Comma & Comma CI, betonte.
„Wir haben gesagt: Lieber bündeln wir die Stärken beider Linien in einer Marke – und investieren in die Zukunft“, erklärt die Produktverantwortliche. Damit verzichte man auch bewusst auf kurzfristigen Umsatz, um langfristig mit einer starken, konsistenten Marke wachsen zu können. Der Schritt war nicht ohne Risiko, denn insbesondere im Handel traf die neue Ausrichtung auf geteiltes Echo. „Natürlich gab es Stimmen, die gesagt haben: Ihr wart doch genau für diese Nische da, die ihr jetzt auflöst“, berichtet sie. Doch Comma hält dagegen. Es gehe nicht um einen Austausch, sondern um eine Modernisierung. Die Zielgruppe bleibe weiterhin 35-Plus, die Markenidentität werde bewahrt – nur in zeitgemäßerer Form.
Die Resonanz bei den Düsseldorfer Ordertagen fiel zudem überwiegend positiv aus. „Die Kund:innen sind reingekommen und haben gesagt: ‘Es sieht anders aus – aber gut anders’“, so das Zwischenfazit. Gleichwohl bleibt eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Die Vorordervolumina sind rückläufig – eine Folge der allgemeinen Marktlage, aber auch Ausdruck wachsender Vorsicht auf Handelsseite.
„Wir liefern monatlich aus und analysieren dabei genau: ‘Was verkauft sich wann wirklich?’“ Das Unternehmen setzt bewusst auf datenbasierte Produktentwicklung. Denn zwischen klassischem Vororder-Denken und realen Absatzdaten klafft eine wachsende Lücke. Diese Diskrepanz sieht Comma auch als Bildungsauftrag gegenüber dem Handel. Doch nicht alle Partner:innen sind bereit, diesen Weg sofort mitzugehen. Während einige die neue Markenstrategie begrüßen, bleiben andere zögerlich. Vor allem in traditionellen Häusern wird der Wegfall der bisherigen Nischenplatzierung kritisch gesehen: „Ich habe dich da platziert – ich will, dass du das weiter bedienst“, heißt es aus dem Einkauf. Für Comma jedoch steht fest, dass dieses Modell nicht zukunftsfähig ist.
„Wir nehmen unsere Partner:innen mit in die Transition“, so die klare Botschaft. Jetzt gehe es aber darum, im Handel Performance zu liefern und Partner peu à peu mitzunehmen. „In drei Jahren muss der Handel mitgezogen haben, sonst funktioniert es nicht.“
Neuankömmlinge und ‘Alte Hasen’ in der Halle 29
In Halle 29 der Düsseldorfer Ordertage wird nicht nur bei Comma, sondern auch bei anderen hier ansässigen Marken abermals deutlich, dass der Markt in Bewegung ist, doch nicht jeder bewegt sich im gleichen Tempo. Während etablierte Marken ihre Strategien schärfen, präsentieren neue Labels frische Impulse.
Ein Beispiel für diesen frischen Wind ist die Guido Maria Kretschmer Brand. „Wir sind ganz frisch gestartet, haben im März die erste Season abgeschlossen und sind jetzt strukturell gut aufgestellt“, berichtet Rebecca Drießen, Senior Key Account & Sales Managerin. Die Marke wurde aus dem ehemaligen Mutterhaus About You ausgelagert, mit P&C Düsseldorf als starkem ersten Handelspartner.
Der jetzige Einstieg in Halle 29 war strategisch gewählt: „Viele Kund:innen haben gefragt, wo wir zu finden sind. Wir wollten präsent sein und nah dran am Geschehen.“ Die Mischung aus Bekanntheit, attraktiver Preislage und einer emotional zugänglichen Kollektion kam gut an. Besonders gefragt seien dabei Kleider für besondere Anlässe und das Angebot in größeren Größen, die laut Drießen „direkt geordert wurden, obwohl es ursprünglich gar nicht als Messefokus geplant war.“
Auch Digel ist in Halle 29 vertreten und präsentiert sich als einer der Lieferant:innen, auf die sich der Handel in unsicheren Zeiten verlässt. Gerrit Schulz, Sales Director Wholesale, beschreibt die aktuelle Lage mit realistischer Klarheit: „Wir reden hier nicht über zweistellige Plus-Zahlen, aber wir sind auf einem stabilen Niveau und können uns mit dem Ordervolumen der Vor-Corona-Zeit vergleichen.“
Die ersten Orders für die kommende Saison liegen aktuell bereits rund 30 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Ein Signal, das zwar positiv stimmt, aber auch auf die veränderte Marktdynamik zurückzuführen ist. „Viele Händler:innen konzentrieren sich wieder stärker auf ihre Stammlieferant:innen. Genau davon profitieren wir“, so Schulz.
Mit einem starken Never-Out-Of-Stock-Sortiment (NOS), über 140 Baukastensystemen und neuen modischen Impulsen, etwa in Form von Oversize-Styles, Jersey-Sakkos oder Hybrid-Lösungen, gelingt Digel der Spagat zwischen kommerzieller Modernität und funktionierender Flächenleistung. Schulz betont: „Kund:innen wollen heute nicht nur Produkt, sondern auch Sicherheit. Die Bereitschaft, höhere Preislagen zu akzeptieren, ist da – wenn Qualität, Passform und Verfügbarkeit stimmen.“ Besonders erfolgreich zeigt sich Digel im Anlassbereich: Hochzeiten, Schulfeiern und Business-Events sorgen weiterhin für Nachfrage und ermöglichen dort Umsatz, wo klassische Menswear zuletzt unter Druck stand.
Dennoch bleibt auch bei Digel die Zurückhaltung des Handels ein spürbares Thema. Diskutiert werde derzeit weniger über Preise, sondern über Sortimentsstraffung, Marge und Logistik. „Wie schaffen wir es, mit weniger Optionen mehr Drehung zu erzielen?“ sei laut Schulz eine der meistgestellten Fragen.
Dass viele dieser Fragen auch bei anderen Marken präsent sind, zeigt sich exemplarisch am Auftritt der R.Brand Group. Die Stimmung sei grundsätzlich positiv, so Marco Vocke, Head of Sales National für Pierre Cardin & Atelier, doch die Herausforderungen der letzten Saisons lasten nach wie vor auf Industrie wie Handel. Im Fokus stehen bei Pierre Cardin ebenfalls Margendruck, Vororder-Risiken, Frequenzrückgang – aber auch Lösungsansätze.
„Die gestiegenen Kosten laufen 1:1 gegen die Unternehmensmarge, wenn sich die Wareneingangsspanne nicht verändert“, erzählt Vocke. Um dem entgegenzuwirken, wurde das Vertriebskonzept überarbeitet, die Marge für den Handel deutlich verbessert und gleichzeitig das NOS-Angebot strategisch ausgebaut. Besonders bei AirTouch, Lightweight oder Denim – Bereichen, in denen Pierre Cardin als stark wahrgenommen wird – setzt man bei dem zur R.Brand Group gehörenden Label auf Nachversorgung statt Überbelieferung.
Spannend ist dabei auch die klare Kollektionsarchitektur. Rund 30 bis 35 Prozent NOS-fähige Artikel, 30 Prozent Trendprodukte mit modischem Anspruch, zehn Prozent als modische Speerspitze. „Diese Aufteilung schafft die Balance zwischen Mode, Mut und Sicherheit – und hilft auch dem Handel, gezielter zu planen.“
Ein weiterer Baustein ist die seit Herbst/Winter 2025 eingeführte Atelier-Linie, die auf Handelswunsch hin gelauncht wurde und das Angebot gezielt nach oben erweitert – sowohl in der Preislage als auch in der Materialität. Echtes Ziegenleder oder Kaschmir sollen helfen, den Durchschnittsbon zu heben. Die Resonanz auf die Kollektion sei positiv, auch wenn diese noch nicht unmittelbar in Orderzahlen messbar sei.
„Alle, die hier rausgehen, sagen: Ich muss Pierre Cardin neu denken.“ Die Marke, jahrzehntelang stark auf Hosen fokussiert, will sich nun breiter aufstellen. Dennoch ist auch hier die Realität, dass neue Denkansätze mitunter auf strukturelle Hürden stoßen. „Viele Einkäufer:innen wissen nicht, wohin mit uns, wenn wir plötzlich mehr können als Hosen.“