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Sündenfall «Fast Fashion»? – Arte-Doku über Billigmode

Von DPA

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Kennen Sie das Gefühl von «Kauf-Reue»? Sie ist das Phänomen, dass sich Kunden manchmal nach dem Shopping schlecht fühlen. Sie bedauern, für ein Hemd, ein Kleid oder ein Paar Schuhe eine Stange Geld ausgegeben zu haben. Für die Händler sind diese Zweifel an der Kaufentscheidung ein Ärgernis - denn es folgt oft der Umtausch. In Zeiten von «Fast Fashion», also günstiger Mode von Ketten wie H&M, Zara oder Primark, ist «Kauf-Reue» buchstäblich aus der Mode. Wenn Jeans mitunter weniger als ein Mittagessen kosten, denkt kaum jemand über die Anschaffung zwei Mal nach. Das hat gravierende Folgen, wie eine neue Arte-Dokumentation zeigt.

Der anderthalbstündige Film «Fast Fashion - Die dunkle Welt der Billigmode», der am Dienstag um 20.15 Uhr auf dem deutsch-französischen Sender ausgestrahlt wird, ist ein Muss für alle Shopping-Süchtigen. Er zeigt informativ, gut recherchiert und kurzweilig, warum wir shoppen, wie soziale Netzwerke wie Instagram uns zum Kaufen anregen und wie unser teils maßloser Konsum am Ende die Umwelt schädigt. Dabei reist der Zuschauer von einem wohl vertrauten Ort - einem Geschäft einer Modekette - über Sweatshops im englischen Leicester bis in ein Dorf in Indien.

Autor der Dokumentation ist der französische Investigativ-Journalist Edouard Perrin. Zunächst erzählt sein Film die Unternehmensgeschichte eines Vorreiters der «Fast Fashion», der spanischen Modemarke Zara. Demnach hat das Unternehmen als eines der ersten sein Kleidungssortiment in einer rasanten Geschwindigkeit gewechselt.

Dadurch werde Kunden ständig etwas Neues geboten und sie kämen immer wieder in die Geschäfte und kauften etwas. Angeblich sollen Zara-Kunden die Geschäfte der Modemarke im Schnitt 17 Mal pro Jahr betreten. In Kombination mit einem niedrigen Preis und der Knappheit des Produkts sei die Mode dadurch extrem attraktiv für Kunden, erklärt ein Neurowissenschaftler. «Kauf-Reue» gebe es kaum noch.

Vermarktet wird die Mode laut der Doku vor allem über soziale Netzwerke. Dort präsentieren Influencer die neusten Kleidungstrends in ihren Posts. Der Zuschauer begegnet der französischen Social-Media-Influencerin «Noholita», die erzählt, wie sie unter ihren Posts Links angibt, die zum Online-Shop führen, damit ihre Follower das Produkt gleich kaufen können.

Das alles führe zu einem erhöhten Konsum bei gesunkenen Kosten. Während Menschen früher ein Drittel ihres Haushaltseinkommens für Mode ausgaben, seien es heute weniger als fünf Prozent, heißt es weiter. Gleichzeitig wird so viel gekauft wie nie: Jährlich sind es demnach 56 Millionen Tonnen an Mode.

Die Kehrseite dieses Wachstums zeigt die Doku in ihrem zweiten Teil: Es kommen Paketzulieferer aus Frankreich zu Wort, die für wenig Geld Pakete mit der im Netz bestellten «Fast Fashion» ausliefern. Es geht in Näh-Werkstätten in Leicester, in denen Arbeiter weniger als den gesetzlichen Mindestlohn verdienen.

Der Film endet schließlich in Indien. Dort sitzt einer der größten Hersteller von Viskose. Die Faser gilt zwar als umweltfreundlich, weil sie aus Holz gewonnen wird. Bei der Herstellung entstehen allerdings giftige Stoffe. Es werden Menschen gezeigt, die unter anderem durch die Abwasser einer Viskose-Fabrik mutmaßlich schwer körperlich geschädigt worden sein sollen.

Am Ende bleibt der Zuschauer beschämt vor seinem überfüllten Kleiderschrank zurück. Die schnelle Bestellung im Netz - mit der Dokumentation wird die häufig verdeckte Seite des Konsums erfahrbar. Eins bleibt der Film dabei schuldig: Wie könnte es denn besser laufen? Ökologische Mode sei auch keine Lösung, reißt ein Forscher am Ende der Doku noch kurz an. Es bleibe nur der Verzicht - doch ist der wirklich realistisch? Mit Lösungsoptionen für die Zukunft wäre es eine rundum gelungene Dokumentation gewesen. (dpa)

Foto: Kitty Kleist-Heinrich TSP – picture-alliance

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