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„Mend in Public Day“ - Kleidung selbst ausbessern wird zum revolutionären Akt

Von Simone Preuss

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Kultur
„Mend in Public Day“ Aufruf. Bild: Liv Simpliciano für Fashion Revolution

Noch vor ein oder zwei Generation war es gang und gäbe, dass ein kaputtes Kleidungsstück zu Hause ausgebessert wurde - kaputte Reißverschlüsse, zerschlissene Knie- oder Ellbogenpartien, abgetrennte Säume, abgefallene Knöpfe - das war alles kein Problem. Jeder Haushalt hatte treue Stopf- und Nähutensilien, viele sogar eine Nähmaschine. Schwierige Fälle wurden der Schneiderei des Vertrauens übergeben, die sich noch an fast jeder Ecke befand.

Heutzutage sieht die Situation anders aus - Kleidungsstücke selbst mit kleinen Problemen wie einem abgefallenen Knopf landen im hintersten Winkel des Kleiderschranks und später auf dem Müll. Wie kommt das? Was hat sich verändert?

Heimnähmaschine. Bild: Eduard Kalesnik / Pexels

Einerseits haben die Menschen kaum Zeit, sich hinzusetzen und Kleidung auszubessern. Andererseits ist es keine „coole“ Freizeitbeschäftigung mehr, sie ist aus der Mode gekommen und mit ihr auch die Fertigkeit, denn schließlich ist es eine Kunst, ein Loch so zu stopfen, dass man die Ausbesserung kaum sieht und sie auch hält. Oder einen Saum gerade wieder anzunähen oder gar Kleidung enger oder weiter zu machen.

Der Hauptgrund ist aber, dass Kleidung (anders als die meisten anderen Gebrauchsgüter) im Laufe der Jahrzehnte nicht teurer, sondern billiger geworden ist. Dies liegt an Faktoren wie Massenproduktion, Globalisierung und dem Aufkommen von Fast Fashion. Das heißt, während ein T-Shirt im Jahr 1980 noch 10 bis 12 Euro (beziehungsweise 20 bis 24 D-Mark) kostete, ist es heute für die Hälfte zu haben.

Dies hat zur Folge gehabt, dass die Menschen sich statt einem T-Shirt zwei oder mehr kaufen, und dies mit allen Artikeln tun - wir haben zu viel von allen Kleidungsstücken - Hosen, Shirts, T-Shirts, Röcken, Oberbekleidung, etc. Unsere Kleiderschränke platzen aus allen Nähten und wenn ein Kleidungsstück nicht mehr mithalten kann, weil es einen Fleck hat, ein Knopf fehlt oder ein Saum abgerissen ist, dann sortieren wir es aus, statt es zu flicken und sind insgeheim froh, unsere Kleidermenge etwas reduziert zu haben.

„Mend in Public Day“ am 26. April

Die Frage des Ausbesserns stellt sich also für die meisten Verbraucher:innen nicht. Es sei denn, es wird zum öffentlichen, revolutionären Akt. Wie an diesem Samstag, dem 26. April, zum Beispiel, wenn die gemeinnützige Organisation Fashion Revolution im Rahmen der Fashion Revolution Week wieder zum „Mend in Public Day“ aufruft, also einem ganzen Tag, der dem gemeinsamen Ausbessern von Kleidungsstücken gewidmet ist. Wer verlernt hat, wie man näht, stopft und kreativ mit der Nadel umgeht (oder es vielleicht nie beigebracht bekam), für diejenigen gibt es Anleitungen, Tipps und Tricks.

Nähutensilien. Bild: Suzy Hazelwood / Pexels

Auch in Deutschland ruft Fashion Revolution Germany in vielen Städten zum „Mend in Public Day“ auf, der ganz im Zeichen vom Reparieren und Verschönern von Kleidungsstücken steht. Die Materialien dazu werden oft gestellt und ebenso gibt es Snacks und Getränke sowie Information zum Thema „Kleidung“. Diese kann auch getauscht werden.

Genaue Informationen, was in den einzelnen Städten los it und wo genau man Kleidung tauschen, ausbessern, an Diskussion teilnehmen und sich informieren kann, finden sich im Kalender-Bereich von FashionRevolutionGermany.de.

Modeunternehmen bieten Reparatur-Services an

Übrigens sind Modeunternehmen auch darauf gekommen, dass es nachhaltiger ist, die Reparatur der von ihnen hergestellten Kleidungsstücke anzubieten, als Kund:innen mit immer mehr Neuware einzudecken. Erst gestern etwa kündigte der Hamburger Modekonzern Tom Tailor eine Partnerschaft mit der niederländischen Reparatur-Plattform Mended an, die vor fast einem Jahr mit Armedangels als Partner in Deutschland startete.

Der deutsche Outdoor-Anbieter Schöffel bietet seinen Kund:innen bereits seit Jahrzehnten die Möglichkeit, Produkte in der hauseigenen Werkstatt reparieren zu lassen und erzählte im Interview mit FashionUnited mehr darüber.

Der Schweizer Hersteller von Funktionsbekleidung Odlo bietet seit Oktober letzten Jahres in allen Schweizer Filialen einen Reparaturservice als Teil seines ReWear-Programms und Resale-Plattform Vestiaire Collective arbeitet seit Juni mit der Reparatur- und Änderungsplattform Sojo zusammen, um Vestiaire-Kund:innen Zugang zu Schneiderei- und Reparaturdienstleistungen zu gewähren.

Das französische Unternehmen Prolong hat eine Business-to-Business-Software entwickelt, die Modeunternehmen dabei hilft, einen kosteneffizienten Care & Repair Service für ihre Produkte aufzubauen.

Auch Bekleidungshändler mit Größenambitionen wie Decathlon und Uniqlo setzen inzwischen auf Reparatur: Decathlon durch Reparatur-Werkstätten in allen 90 deutschen Filialen und Uniqlo durch seine Re.Uniqlo Studios, die Reparatur-, Änderungs- und Spendenangebote bieten. Gerade in Japan hat „Sashiko“, die japanische Technik zur Denim-Ausbesserung, eine lange Tradition.

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