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Lesetipp: „Autobiography of a Wardrobe“

Von Simone Preuss

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Kultur|REZENSION

Es gibt nur wenige Bücher, die man am liebsten sofort noch einmal lesen würde, nachdem man die letzte Seite beendet hat. „Autobiography of a Wardrobe“ (auf Englisch) der US-amerikanischen Autorin Elizabeth Kendall ist so ein Buch; besonders, wenn man sich für Mode interessiert. Die Autobiografie führt die Leser auf eine Tour der Mode von den '50er bis '80er Jahren und erzählt nebenbei auch noch die Geschichte einer jungen Frau. Der Erzähler? Ihr Kleiderschrank. Ein interessantes, erfrischendes und etwas nachdenklich stimmendes Buch.

In der Tat sind die junge Frau und ihre Entwicklung so zweitrangig, dass wir sie nur als "B.“ kennenlernen - ein Kürzel für „Body“. Denn für eine Garderobe kommt es nur darauf an, einen Körper zu haben, der eingekleidet werden kann. Was nicht heißen soll, dass B. und ihre Garderobe am Ende keine enge Bindung haben, aber was wirklich zählt, ist einfach die Kleidung der Zeit - Sattelschuhe, Shorts fürs Ferienlager, Korsette und Schlaghosen - eine endlose Parade sich verändernder Mode.

Elizabeth Kendalls Buch nimmt die Leser auf eine Reise der Mode mit

„Garderoben fangen wie Kinder an, ohne bewusste Identität... Ich wurde in den letzten Momenten der zwei Jahrhunderte alten Tradition namens Kindheit geboren, in der alles gebügelt wurde: Kragen, Schleifen, Matrosenanzüge“, erinnert sich B.s Kleiderschrank auf den ersten Seiten des Buches.

Von B.s fünfjährigem Ich (narzissengelbes Trägerkleid, weiße Bluse mit Puffärmeln, rote Partyschuhe) geht die modische Reise mit einem rötlichen Jantzen-Badeanzug, einem dunkelblauen Lanz-Baumwollkleid im Partnerlook mit der Mutter, einem Ballettröckchen, Reiterhosen und zu guter Letzt einem ärmellosen korallenroten Kleid mit weißem Futter als sie zwölf ist, weiter und verdeutlicht nicht nur ihr sich entwickelndes Modebewusstsein, sondern auch die kleinen Abenteuer und Stationen ihres Lebens.

Die Pubertät kommt als Schock mit zuvor unbekannter Unterwäsche für Damen wie Korsette, Strumpfhosen und natürlich BHs. „Der größte Nachteil dieser Kleider war - meiner Meinung nach - dieser gummiartige Panzer, den man unter ihnen brauchte, der Unbequemlichkeit und Scham mit sich brachte“, ist das vernichtende Urteil des Kleiderschranks, der Anfänger-BHs, Korsette und steife Unterröcke als Beweis der Unterdrückung des sich entwickelnden weiblichen Körpers anführt.

In den sechziger Jahren genießt B. als Erwachsene alle modischen Vergnügen der Zeit : A-Linien Kleider, hochgeschlossene Lederpumps, von Jacqueline Kennedy-inspirierte Mode und den Einkauf bei Saks Fifth Avenue. Wenn B. 1969 auf eine Beerdigung gehen muss (die ihrer Mutter), entdeckt sie, dass sie nichts Schwarzes im Schrank hat. „Kein Schwarz im Kleiderschrank einer Frau - das ist schwer zu glauben. Aber damals war es normal. Pastellfarben dominierten die Garderobe der meisten Frauen. Die Massen an Schwarz in den Kleiderschränken von Frauen kam erst später“, erklärt B.s Garderobe.

Die Studienzeit bringt Reisen nach New York, Deutschland und Frankreich und die Erfahrung ganz neuer Kleidungsstücke und Styles mit sich - und die '70er Jahre mit minzgrünen Kordhosen, Jacken der Armee, blau- und braungestreifte Denim-Schlaghosen, Bergsteigerstiefel, rote Overalls und fließende Röcke.

Die modische Reise endet in den '80er Jahren: „Meine Autobiografie findet ein Ende, da ich an diesem Punkt dabei bin, ich selbst zu werden. B. ist fast 30“, erklärt ihre Garderobe. Die Leser sehen sich mit Fragen zu ihrer eigenen Beziehung zu ihrem Körper und ihrer Garderobe konfrontiert - definieren die Kleidungsstücke, die wir tragen, uns oder definieren wir die Kleidung? Geschieht die Wahl eines bestimmten Styles tatsächlich aus eigenen Stücken oder ist sie von den Styles und Bedeutungsmachern („Influencers“) der Zeit beeinflusst?

„Autobiograpy of a Wardrobe“ wurde 2008 veröffentlicht und ist Entwicklungsroman und Geschichte der Mode vom amerikanischen Mittleren Westen in den fünfziger Jahren bis ins New York der Bohème in den siebziger und achtziger Jahren zugleich. Nicht zu vergessen eine Erkundung der Modegeschäfte und -labels der Zeit - Margaret Jerrold, Abercrombies, Design Research, Marimekko, Biba, The North Face, Charivari und andere, die Kendall in einer hilfreichen Liste am Ende aufführt.

Die in New York City lebende Kendall ist die Autorin weiterer Bücher: „Where She Danced“, „The Runaway Bride“ (Grundlage der gleichnamigen Hollywood-Verfilmung) und „American Daughter“. Zudem sind ihre Artikel in The New Yorker, der New York Times und anderen Publikationen erschienen.

Die letzten Worte des vorliegenden Buches werden Resonanz in der Modebranche finden: „Vergessen Sie nicht, wir Kleiderschränke existieren letztendlich, damit unsere Körper uns vergessen können, um in die Welt einzutauchen und sich so zu zeigen, wie sie gesehen werden wollen und das mitnehmend (ohne Scham und Unbequemlichkeit), was ihres Weges kommt.“

Fotos: Rainer Sturm/pixelio.de ; FashionUnited
biografie
elizabeth kendall