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Stephanie Hahn, Live Lab Studios: „Die Intention ist, Retail anders zu denken“

Von Barbara Russ

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Einzelhandel

Eine durch und durch gute Retail-Experience — das ist der heilige Gral, nach dem Händler in einem im Umbruch befindlichen Markt suchen. Wie bietet man den Kundinnen Mehrwert, Spannung und eine positive Einkaufserfahrung? Einige Händlerinnen versuchen sich an dieser Mammutaufgabe, auch wenn, oder gerade weil, es bedeutet „Out of the Box“ zu denken. Ein solches Konzept ist Live Lab Studios, das sich in Düsseldorf nahe des Fernsehturms inmitten eines mit Palmen, Kunst und Skulpturen angelegten Innenhofs befindet und von der Designerin Stephanie Hahn ins Leben gerufen wurde.

Stephanie Hahn war als Designerin mit ihrer Kollektion 22/4_Hommes_Femmes teil des offiziellen Kalenders der Herrenmodewochen in Paris. „Ich hatte aber das Gefühl, meine Perspektive auf Mode muss sich wieder ändern“, sagt sie. „Es wird einfach zu viel und zu schnell produziert. Ich selber habe alle drei Monate eine neue Kollektion gemacht und spürte, dass durch diese allgemeine Schnelllebigkeit in unserer Branche eine Entwertung meiner Arbeit, aber meiner Meinung nach auch eben der Mode allgemein, passiert. Der Handel will die Kollektionen immer früher haben, Sommerteile schon im Januar. Man hat sich selber überholt und die Produkte entwertet. Ich wollte raus aus diesem schnelllebigen und langfristig nicht nachhaltigen System und mit meinem Label Mode nachhaltig neu definieren. Denn gerade die Modebranche, die neben der Autoindustrie den mit größten „Impact“ auf unsere Umwelt hat, muss sich den neuen Herausforderungen und Anforderungen unserer Zeit stellen“ , so Hahn.

Das besondere Erlebnis in Düsseldorf

Die aus Düsseldorf stammende Designerin hatte zwar immer ihr Atelier in der Hauptstadt Nordrhein-Westfalens, aber „mich kannten in Düsseldorf nur sehr wenige Leute. Der Großteil dachte, ich wäre in Paris.“ Warum entschied sie sich also für Düsseldorf und kehrte der Modemetropole den Rücken? „In Düsseldorf fehlte für mich so ein Konzept. Hier leben super interessante Menschen, die nach so etwas [wie diesem Laden] suchen.“ Sie werde oft gefragt warum nicht Paris, warum nicht Berlin. Sie sagt: „In Berlin und Paris gibt es viel zu entdecken und viele tolle Konzepte. Ich wollte das in Düsseldorf machen, eben weil man es hier nicht unbedingt erwartet und eben auch weil die Konkurrenz in diesem Segment an Store-Konzepten nicht so groß ist wie in Städten wie Berlin oder Paris. Außerdem sind die Kunden da. Die sind sonst eben eher gereist, um shoppen zu gehen, nach Köln, nach Berlin, nach Antwerpen. Es ist aber nicht so, dass das Interesse an der Mode und Design abseits des Mainstreams nicht da wäre.“

Also zog sie sich bewusst aus Paris zurück. Jetzt arbeitet sie mit ihrem Team an exklusiven und ausschließlich in Deutschland gefertigten Editionen und auch Einzelstücken. Ihre eigene Kollektion gibt es natürlich in ihrem Laden zu kaufen, aber auch ein sehr ausgewähltes Sortiment anderer Labels aus den Bereichen Interieur, Mode, Beauty und Lifestyle. „Ich war müde davon, dass man überall auch international in den Läden so eine Gleichschaltung an Produkten und Brands hat. Zusätzlich verdrängen die wachsende Anzahl an Monobrandstores die kleineren oft individuellen Boutiquen, was sehr schade ist.“

Deshalb basiert die Selektion bei Live Lab Studios auch auf dem Konzept eines bewusst gewählten Minimalismus: „Jeder Designer bei uns steht für seinen ganz speziellen Stil oder eine besondere Technik, so dass die Designer und Produkte nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Sie haben jedoch eine Gemeinsamkeit; sie alle haben einen nachhaltigen Ansatz“, sagt Stephanie Hahn. „Wir sprechen Leute an, die verstehen, dass Luxus heute neu definiert wird und dass Nachhaltigkeit dabei eine große, wenn nicht sogar die zentrale Rolle spielt – nicht umsonst gründet zum Beispiel auch ein Big Player wie LVMH sein Programm „LIFE“ [LVMH Initiatives For the Environment].“

Neue Labels entdeckt sie oft über Tipps oder über das Internet: „Wir sind eigentlich permanent auf der Suche nach interessanten Labels und neuen innovativen nachhaltigen Ideen. Denn fast alle jüngeren Kreativen haben verstanden, dass sich einiges ändern muss. Dass nachhaltiges Umdenken nicht nur wichtig, sondern auch genauso schön, ästhetisch und kreativ sein kann. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele tolle neue Dinge man entdecken kann.“

Luxus abseits der 1A-Lagen

Den Concept Store in einem Innenhof anzusiedeln, war von Anfang an Teil des Konzepts: Dieser grüne und künstlerisch gestaltete Ort fungiert wie eine Art „Schleuse“ in eine andere Welt mit einem anderen Zeitgefühl. „Wir haben diesen Platz in der zweiten Reihe ohne klassisches Schaufenster bewusst gewählt, um ein neues Einkaufsgefühl zu etablieren. Stattdessen setzt das Team um Stephanie Hahn auf eine starke, persönliche und fundierte Beratung in intimer Atmosphäre. Man nimmt sich Zeit und lässt Kund*innen einen Moment der Alltagsflucht in ihrem hektischen Alltag erleben.

Natürlich kam auch für dieses Store-Konzept die Coronakrise als ein Schock: „Wir wurden alle aus der Normalität gerissen. Insbesondere der erste Lockdown war mit großer Unsicherheit versehen.“ Da Live Lab Studios ohnehin mit dem Prinzip „by appointment only“ arbeitet, konnte der Betrieb einige Monate des vergangenen Jahres normal aufrechterhalten werden. „Der Onlineshop wird gerade erst aufgebaut. Also konnten die Umsatzausfälle des stationären Handels während der Lockdownzeit nicht mit Onlineumsätzen abgefedert werden.“ Da Live Lab Studios quasi genau zum Beginn der globalen Corona-Pandemie eröffnet wurde, waren die Umsätze in 2020 natürlich weit unter dem geplanten Ziel. Dennoch hat man wie fast alle Retailer versucht – mittels „Call and Collect“, „Call and Meet“ und einer Handvoll Events – in dieser schwierigen Situation gerade als Start-Up im Gespräch zu bleiben und Umsätze zu generieren.

Events als fester Bestandteil des Store-Konzepts

„Wir haben immer dann, wenn es einen Moment der Entspannung beziehungsweise eine Art ‚Coronabreak’ gegeben hat, ein Event geplant, damit unsere Kunden ein besonderes Shopping-Erlebnis erfahren können aber auch, um einfach mal wieder Bekannte zu treffen, sich auszutauschen und inspirieren zu lassen. Da wir über eine relativ große Fläche verfügen, konnten wir die Abstandsregeln immer gut befolgen und dabei auch immer natürlich die nötigen Sicherheits- und Hygiene-Auflagen erfüllen“, sagt Stephanie Hahn.

Überhaupt sind Events fester Bestandteil des Store-Konzepts: „Von Anfang an war die Idee da, Live Lab Studios nicht nur als Concept Store zu etablieren, sondern auch als Open Space und verschiedene Projekte wie Workshops, Lesungen oder Pop-Up-Dinner zu konzipieren. Natürlich konnten wir aufgrund der Pandemie nicht so viele und auch nicht jede Art von Events abhalten wie ursprünglich angedacht.“

Zusätzlich war ein Pop-Up Salon in Berlin geplant, der verschoben werden musste: „Wir hoffen, dass er im Mai stattfinden kann. Wir arbeiten auch einer Kollaboration mit einigen Künstler*innen und an einer Ausstellungsreihe, bei denen Live Lab Studios als Galeriefläche dient. Wir möchten auf diesem Wege, soweit wir es können, auch die Kunst- und Kulturszene – vor allem in NRW – unterstützen.“

Wie es allgemein nach der Pandemie weitergehen soll, ist auch bereits geplant: „Wir wollen uns jetzt noch breiter aufstellen und nicht nur als Laden, sondern auch als Erlebnisfläche mit verschiedenen Veranstaltungen verstanden werden. Außerdem ist zukünftig eine exklusive Beautylounge ähnlich wie ein Day Spa geplant; mit Treatments, Massagen, Mani- und Pediküre im Sinne eines holistischen Selfcare-Programms. Hier sollen die ausgewählten Skincare- und Pflege-Produkte unserer angebotenen Naturkosmetikmarken zum Einsatz kommen.“

Stephanie Hahn hofft, dass die allgemeine Situation neue Chancen erkennen lässt, ein Umdenken stattfindet und nachhaltige Konzepte in der Modebranche sowie im allgemeinen Retail weiter etabliert werden. Der Kunde von Morgen fragt danach. Vielleicht verlangt er es sogar.

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