Schlappe beim Servicepreis: Modehandel fehlt es an Qualität
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Zahlreiche Studien belegen: Die größte Chance, sich künftig als stationärer Modehändler gegen die meist günstigere Online-Konkurrenz zu behaupten, ist guter Service. Die meisten Modeunternehmen setzen daher auf eine umfangreiche, fachkundige Kundenbetreuung vor Ort. Soweit die Legende. In der Realität scheint es mit der Servicequalität im Modehandel jedoch nicht so gut bestellt zu sein, wie viele Branchenvertreter glauben. Wie sonst sollte es zu erklären sein, dass der Modehandel bei der Verleihung des Deutschen Servicepreises 2015 kaum vertreten war?
Immerhin: Eine umfassende Auswertung von 52 Servicestudien, die im abgelaufenen Jahr vom Deutschen Institut für Service-Qualität (DISQ) durchgeführt wurden, hat ergeben, dass der Service in Deutschland branchenübergreifend aktuell ein gutes Niveau erreicht hat. Bei den Studien wurden 525 Unternehmen anhand von über 17.000 verdeckten Testerkontakten unter die Lupe genommen. Den Award, den DISQ und der Nachrichtensender n-tv nun bereits zum fünften Mal gemeinsam vergaben, sicherten sich in diesem Jahr 36 Unternehmen. Dazu zählen jeweils die Top-3-Anbieter in insgesamt elf Kategorien sowie drei Gewinner des Sonderpreises „Kundenbefragung Serviceurteil", zu deren Ermittlung mehr als 22.000 Kundenmeinungen eingeholt worden waren.
„Der positive Trend ist nicht von der Hand zu weisen - die Servicequalität hat sich in den letzten Jahren hierzulande kontinuierlich verbessert", so Markus Hamer, Geschäftsführer des DISQ. Insbesondere im persönlichen Kontakt mit dem Berater oder Verkäufer profitierten Kunden von einem guten Service - wenn auch nicht immer und überall. Im Durchschnitt fiel dieser Bereich 2014 - wie schon in den letzten Jahren - deutlich besser aus als die Serviceleistung, die Unternehmen am Telefon, per E-Mail und im Internet zeigten.
Modehandel muss mehr in Personal investieren
Doch warum finden sich so wenige Modeanbieter in den Rankings? Selbst in der Kategorie „Einzelhandel Lifestyle“ finden sich keine Modemarke und kein angesagter Concept Store wieder. Ausgezeichnet wurden hier hingegen das Designer-Outlet Soltau, die Juweliere Mahlberg & Meyer mit ihren Filialen in Hamburg, Bremen, Lübeck und Kiel sowie der Parfümerie-Filialist HC. Einzig einer der drei Preise in der Kategorie „Sonderpreis Kundenbefragung“ ging an einen Textilanbieter, die Nürnberger Rudolf Wöhrl AG.
Doch wodurch unterscheidet sich Wöhrl von anderen Anbietern und warum ist die Modebranche bei der Vergabe der Servicepreise derart unterrepräsentiert? Wöhrl ist ein seit 1933 bestehendes Familienunternehmen, das von sich selbst behauptet, besonderes Vertrauen bei Kunden, Partnern und Mitarbeitern zu genießen. „Das Besondere an der Unternehmenskultur von Wöhrl ist das authentisch gelebte Festhalten an Werten, von denen wir überzeugt sind – und die unsere Kunden schätzen. Dazu zählt, sich in der hektischen Umwelt Zeit für den Kunden und seine Wünsche zu nehmen. Dass uns Verlässlichkeit, die Art der Ansprache und des Umgangs miteinander wichtig sind: Das gegebene Wort ist verbindlich,“ heißt es seitens des Unternehmens.
Dies mag zunächst etwas angestaubt und spießig daherkommen, scheint die Kunden jedoch zu überzeugen. Während viele Anbieter auf eher studentisches Aushilfspersonal setzen, das oftmals weniger über die angebotenen Waren bescheid weiß als der Kunde selbst (der sich über die Basics meist bereits im Internet informiert hat), überzeugt Wöhrl durch geschultes, freundliches und vor allem kompetentes und geduldiges Fachpersonal. Ein Erfolgsmodell, das in der Vergangenheit einmal Usus war im Modehandel. Mittlerweile wird jedoch gerade beim Personal gern eingespart. Mit üppigen Überstunden ausgestattete Minijob-Verträge und Mindestlohn-Nebenjobs bestimmen oftmals die Personalstruktur, vor allem bei den großen Modeketten.
Sollte sich der stationäre Modehandel jedoch auch in Zukunft gegen die stets wachsende Online-Konkurrenz mit all ihren virtuellen Beratungsmöglichkeiten durchsetzen wollen, sollte er wieder vermehrt auf die Auswahl, Ausbildung und Bezahlung seiner Mitarbeiter achten. Dann wäre die Branche vielleicht auch bald wieder in der Stärke in den Service-Rankings vertreten, die ihr eigentlich zusteht.
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de