Sanierung im britischen Einzelhandel: Rettungsanker oder legaler Pausenknopf?
Ladenschließungen, Mietkürzungen und Druck von Gläubiger:innen. Sanierungspläne sind im britischen Einzelhandel zu einer alltäglichen Schlagzeile geworden. Doch jenseits des juristischen Fachjargons stellen sich immer mehr Fragen: Bringen diese Pläne Unternehmen wirklich wieder auf Kurs oder verschaffen sie ihnen nur Zeit? Und lagert der Sektor seine Probleme an Vermieter:innen aus, anstatt die eigentlichen Ursachen zu beheben?
River Island ist das jüngste Beispiel eines bekannten Unternehmens, das einen gerichtlich genehmigten Sanierungsplan beantragt hat. Dies spiegelt einen breiteren Trend im Umgang britischer Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten wider. Es markiert eine Abkehr von den sogenannten Company Voluntary Arrangements (CVAs), die vor 2020 beliebt waren. Einzelhandelsunternehmen nutzten CVAs, um ihre Schulden zu restrukturieren und die Mietverbindlichkeiten zu begrenzen. Da Vermieter:innen CVAs jedoch zunehmend feindselig gegenüberstanden und sie oft vor Gericht anfochten, gerieten sie in Ungnade.
Sanierungspläne, die 2020 im Rahmen des „Corporate Insolvency and Governance Act“ eingeführt wurden, sollten diese Lücke schließen. Sie orientieren sich stärker am US-amerikanischen Chapter-11-Verfahren und ermöglichen es Unternehmen, ihre Schulden unter gerichtlicher Aufsicht zu reorganisieren. Außerdem binden sie ablehnende Gläubiger:innen, wenn das Gericht den Plan als fair erachtet. Ihre Einführung wurde begrüßt, insbesondere nach der Pandemie, die den Einzelhandelssektor stark finanziell belastet hatte. Sie waren die Antwort auf die Forderung nach einem beschleunigten Rettungswerkzeug für rentable Unternehmen mit kurzfristigen Liquiditätsproblemen.
Misstrauen der Vermieter:innen und Arbeitsplatzverluste stehen im Gegensatz zu rechtlicher Stabilität und gerichtlicher Prüfung
Dennoch wachsen die Bedenken hinsichtlich ihrer Anwendung, insbesondere im Hinblick auf die Fairness des Hilfsmittels. Im Fall von River Island hatten die Gläubiger:innen, darunter auch Vermieter:innen, die Vorschläge zunächst abgelehnt. Diese sahen die Schließung von 33 Filialen und Mietkürzungen in weiteren 71 Filialen vor. Vermieter:innen soll sich vor der Gerichtsverhandlung sogar rechtlich beraten lassen haben, denn ein ähnliches Verfahren bei Poundland gab ebenfalls Anlass zur Sorge. Vor Gericht wurden jedoch keine formellen Einwände erhoben, und der Plan wurde genehmigt.
Auch wenn das Verfahren eines Sanierungsplans einigen unfair erscheinen mag, so hat seine Umsetzung doch Vorteile. Lucy Trott zufolge, Managing Associate bei Stevens & Bolton, spielt das Gericht eine Schlüsselrolle bei der Beurteilung, ob Gläubiger:innen im Rahmen des Plans bessergestellt sind, als wenn das Unternehmen liquidiert würde. „Wenn ablehnende Gläubiger:innen ‚übergangen‘ werden, wird ihre Position durch den Plan tatsächlich verbessert – oder zumindest nicht verschlechtert“, argumentiert sie.
Doch so sehr Umstrukturierungen einen legalen Weg zum Überleben bieten mögen, so hinterlassen sie doch oft eine Spur von Arbeitsplatzverlusten und leeren Ladenlokalen. Poundland, dessen Sanierungsplan demnächst vor Gericht verhandelt wird, hat bereits die Schließung von 68 Filialen bestätigt; bis zu 80 weitere sind gefährdet. River Island hat derweil bereits ein Abbauprogramm im gesamten Unternehmen gestartet, das bis Ende des Jahres möglicherweise zum Verlust von 200 Arbeitsplätzen führen wird.
Branchenverbände wie die British Independent Retailers Association (BIRA) haben Alarm geschlagen. „Wir brauchen dringend Unterstützung für Unternehmen in den Innenstädten“, verlangt BIRA-CEO Andrew Goodacre. Er fordert die Regierung auf, die Ladenmieten zu senken und Schlupflöcher für billige Importe zu schließen. „Es ist zutiefst traurig zu sehen, wie traditionsreiche Einzelhandelsketten erhebliche Gewinnrückgänge verzeichnen und existenziellen Bedrohungen ausgesetzt sind. Diese Entwicklungen sind weitere Beispiele – falls nötig – für die dringende Notwendigkeit, Unternehmen in den Innenstädten in ganz Großbritannien zu unterstützen“, erklärt er.
Diese Dringlichkeit bekräftigt die Notwendigkeit des schnellen Handelns. Es besteht jedoch die Sorge, dass viele dieser Pläne nur kurzfristige Erleichterung und keine langfristigen Lösungen bieten. Trott merkt an, dass ein Sanierungsplan für einige jedoch nur ein Teil des Puzzles sei, um eine umfassendere Restrukturierung einzuleiten. „Oftmals schlägt ein Sanierungsplan die Senkung der Gewerbemieten vor, während das Unternehmen versucht, seine physische Präsenz zu reduzieren. Dadurch werden seine Verbindlichkeiten langfristig reduziert und es entsteht ein schlankeres, aber hoffentlich profitableres Geschäftsmodell für die Zukunft. Ob der Plan langfristige Geschäftsprobleme behebt, liegt im Detail“, fügt sie hinzu.
Notwendigkeit einer breiteren Perspektive zur Minderung langfristiger Probleme
Chris Bowers, Leiter der Insolvenzabteilung bei Forbes Solicitors, stimmt dem zu. Er warnt, dass diese Pläne, ohne die Wiederherstellung der Kund:innenbindung, Gefahr laufen, zu einem „Pflaster“ zu werden, das einen unvermeidlichen Zusammenbruch in naher Zukunft nur hinauszögere. „Sanierungspläne konzentrieren sich auf die Schließung von Filialen und die Senkung von Mieten. Solche Maßnahmen unterstützen die Liquidität, gehen aber nicht auf den Umsatzrückgang ein. Die jüngsten Geschäftszahlen von River Island zeigen, dass der Umsatz um mehr als 19 Prozent gesunken ist. Jede Form des langfristigen Überlebens erfordert, dass das Einzelhandelsunternehmen die Verbindung zu den Verbraucher:innen wiederherstellt, um die Einnahmen zu steigern, und zwar schnell“, so Bowers.
Für ihn erinnert die Situation von River Island an den Niedergang der Arcadia Group, die 2019 im Rahmen eines CVA restrukturiert wurde, aber etwas mehr als ein Jahr später in die Insolvenzverwaltung ging. „Die Restrukturierung von Arcadia konzentrierte sich auf die Senkung der Kosten für stationäre Geschäfte, was nicht ausreichte, um die Probleme mit dem Umsatzrückgang zu beheben. Führungskräfte von River Island könnten daraus lernen, indem sie schnell von Kostensenkungsmaßnahmen dazu übergehen, die Relevanz für die Käufer:innen zu finden, um die wichtigen Umsätze zu steigern“, rät Bowers.
Ein Wandel ist in Sicht
Es gibt jedoch Anzeichen für einen Wandel. Nach der Übernahme von Poundland durch Gordon Brothers hat das Unternehmen die Neuausrichtung des Geschäfts an der Verbraucher:innennachfrage in Angriff genommen. Neben der Schließung von Filialen plante das US-Unternehmen, bestimmte Kategorien wie Tiefkühlkost zurückzufahren und mehr in Damenmode und Saisonartikel zu investieren. Es wird erwartet, dass beide Bereiche nach der Umstrukturierung unter der Leitung eines internen Teams zurückkehren.
Die Einzelheiten der Zukunftspläne von River Island sind noch nicht öffentlich bekannt. Das Managementteam des Einzelhändlers hatte zuvor mitgeteilt, dass das Unternehmen Schwierigkeiten habe, seine Relevanz für die Verbraucher:innen angesichts des zunehmenden Wettbewerbs zu erhalten. Trott merkt jedoch an, dass sich Sanierungspläne zwar auf die Finanzen konzentrieren, aber im Rahmen des Prozesses das Unternehmen wahrscheinlich eine Turnaround-Strategie zur Verbesserung der Umsätze haben wird, die nicht im Plan enthalten ist, sondern hinter den Kulissen abläuft.
Auch andere Einzelhandelsunterernehmen stellen sich um. New Look hat digitale Investitionen zugesagt, nachdem das Unternehmen Anfang des Jahres seine irische Niederlassung liquidiert hatte. Quiz hat einen Teil seines Geschäfts verkauft, um Einzelhandelsarbeitsplätze zu schützen, nachdem es nach dem Eintritt in die Insolvenzverwaltung Filialen geschlossen hatte.
Wohin River Island als Nächstes geht, wurde nicht öffentlich gemacht. Das Unternehmen räumte jedoch ein, dass es Schwierigkeiten habe, mit schnelllebigen, preisgünstigen Anbietern wie Shein und Temu zu konkurrieren. „Daraus folgt, dass die Sanierungspläne für das Unternehmen wahrscheinlich eine stärkere Ausrichtung auf den Online-Verkauf beinhalten werden, die es dem Unternehmen ermöglichen wird, sich schneller an veränderte Trends anzupassen. Dies ist jedoch kein Bestandteil des Sanierungsplans selbst, der im Rahmen des Gerichtsverfahrens veröffentlicht worden wäre“, sagt Trott.
Sanierungspläne sind weder ein Allheilmittel noch sind sie von Natur aus fehlerhaft. Sie bieten eine wichtige Atempause und rechtliche Unterstützung, bergen aber das Risiko, zu einer Standardlösung für tiefer liegende Probleme zu werden – von veränderten Einkaufsgewohnheiten bis hin zu mangelnden digitalen Investitionen. Damit sich die Innenstädte wirklich erholen können, müssen Kostensenkungen mit Innovationen einhergehen und der Fokus muss wieder darauf liegen, was die Verbraucher:innen von heute wirklich wollen.
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