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Lohnt es sich noch, ein Modegeschäft zu eröffnen?

Von Reinhold Koehler

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Einzelhandel

Wirklich überraschend kam die Nachricht nicht, die der Handelsvernband Textil (BTE) vor wenigen Tagen veröffentlichte. Die Organisation teilte darin mit, dass der inhabergeführte Modehandel im Geschäftsjahr 2016 kaum noch Gewinne erzielt hat. Steigende Mieten in den hoch frequentierten Shopping-Gegenden, stets rückläufige Umsätze und die unaufhaltsam wachsende Onlinekonkurrenz machten es den deutschen Modehändlern zuletzt besonders schwer.

So hat der inhabergeführte, mittelständische Bekleidungsfachhandel im Jahr 2016 im Durchschnitt nur noch einen betriebswirtschaftlichen Gewinn in Höhe von gerade mal 2,5 Prozent vom Bruttoumsatz erzielt. Ein Wert, den der BTE mit viel gutem Willen gerade mal als „bestenfalls befriedigend“ erachtet. Bei den Unternehmen standen einer Netto-Betriebshandelsspanne von 40,9 Prozent Kosten in Höhe von 38,3 Prozent gegenüber, so das Ergebnis einer aktuellen Verbandsstudie.

Werte, die von einem historischen Tief ins nächste rutschen und zum Jahresende die Frage aufwerfen: Lohnt sich der Betrieb von Modegeschäften in Zukunft überhaupt noch? Schließlich ist mittlerweile so ziemlich jedes Kleidungsstück auch online erhältlich und wird dort meist kostengünstiger angeboten als im Fachhandel. Zudem setzen immer mehr Hersteller auf die eigene Markenstärke, die es mittels aufwendiger Flagship Stores auszubauen gilt.

Immer mehr Unternehmen kündigten in den vergangenen Monaten an, ihr Händlernetz signifikant ausdünnen zu wollen. Anstatt weiterhin viel Zeit und Kapital in den Vertrieb für Boutiquen und kleinere Geschäfte zu investieren, konzentrieren sich die Unternehmen lieber auf die Expansion der eigenen Markenwelt und eröffnen weltweit Monolabel Stores. Nicht selten zieht dort ein neues Marken-Flaggschiff ein, wo bislang ein inhabergeführter Concept Store angesiedelt war.

Der große Vorteil, den die Markentempel gegenüber dem klassischen Modegeschäft haben: Der Betreiber muss nicht profitabel wirtschaften. Den Herstellern ist es egal, ob der Kunde seine Produkte vor Ort im Geschäft oder online kauft. So dienen die aufwändig gestalteten, meist in teuren Top-Lagen angesiedelten Flagships eher als Showrooms bestimmter Markenwelten, denn als tatsächlicher Point of Sale.

Aus Händlern müssen Stylisten werden

Fakt ist, dass bereits viele Modehändler in Deutschland aufgegeben haben, egal ob in den großen Metropolen oder Mittel- oder Kleinstädten. An besonders attraktiven Standorten werden die alteingesessenen Geschäfte meist durch Markenstores ersetzt, an weniger attraktiven durch Textildiscounter. Doch welche Chance haben die Händler, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen?

Wer weder beim Preis noch bei der Markeninszenierung mit den Großen mithalten kann, muss auf andere Qualitäten setzen, um für die Verbraucher relevant zu bleiben. Der kleine Modehändler muss vom reinen Verkäufer zu einem modischen Kurator werden, zum ebenso charmanten wie fachlich versierten Stylisten für jeden Kunden. Die Zeiten, in denen der Satz „das steht Ihnen aber gut“ ausreichten, um ein Kleid zuverkaufen, sind endgültig vorbei.

Große Markenstores und Discounter verfügen hingegen kaum über geschultes, fähiges Personal. Studentische Hilfskräfte und Minijobber bestimmen hier den Service, der meist keiner ist. Hier kann der kleine Händler seine Chance suchen und sich in der Übermacht der Konzerne zumindest eine Nische suchen, in der er überleben kann. Wenn er es dann noch schafft, neben kompetenter Beratung und besonderem Service eine sinnvolle, funktionierende Onlinepräsenz zu etablieren und so insgesamt ein Ort für das Besondere wird, könnte der kleine Modeladen sogar wieder zu einem Modell für die Zukunft werden.

Das stets wachsende Verlangen der Kunden nach Individualisierung können nämlich weder Monolabel-Stores noch Discounter befriedigen. Exklusivität entsteht schließlich nur im Kleinen.

Foto: Paul-Georg Meister / pixelio.de

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