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Digitaler Binnenmarkt: Chance für die Modeindustrie?

Von Reinhold Koehler

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Einzelhandel
Freier Waren- und Reiseverkehr sind mittlerweile Standard in Europa. Was im Handels- und Personenverkehr gilt, hat jedoch bislang noch nicht Einzug in die digitale Welt gehalten. Hier bestehen noch immer Grenzen, die in der realen Welt längst gefallen sind. Kein Wunder also, dass noch immer kaum jemand online Waren in einem anderen Land bestellt. Gerade für die Modeindustrie sind diese Beschränkungen auf Dauer geschäftsschädigend, denn sie lebt von Internationalität und der Antizipation grenzübergreifender Trends.

Nach Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) gaben 2014 deutschlandweit mehr als 90 Prozent der Unternehmen an, dass die Digitalisierung ihre Geschäftsprozesse beeinflusst, gerade auch in der Mode. Ein zentraler Aspekt der Digitalisierung ist die zunehmende Vernetzung von Unternehmen, zum Beispiel von Zulieferern und Endproduzenten, oft über Ländergrenzen hinweg. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in den EU-Staaten hinken den Möglichkeiten neuer Technologien und digitaler Entwicklungen jedoch oft hinterher. Beispiele dafür sind neben den grenzüberschreitenden Regelungen im Onlinehandel auch das Urheberrecht, der Datenschutz oder gewisse Standards für Schnittstellen.

Das größte Problem des europaweiten Onlinehandels: Nationale Rahmenbedingungen und grenzüberschreitende digitale Dienstleistungen passen nicht zusammen. Dies will die Europäische Kommission nun ändern und hat unlängst eine Strategie für den Digitalen Binnenmarkt vorgelegt. Doch die ist einerseits sehr allgemein gehalten, andererseits zeitlich sehr ambitioniert. Ziel ist es, den Zugang für Konsumenten und Unternehmen zu Online-Produkten und -Dienstleistungen zu verbessern, die Rahmenbedingungen für erfolgreiche digitale Netzwerke und Dienstleistungen zu schaffen und generell die Wachstumspotenziale für die digitale Ökonomie in Europa zu maximieren.

Während der Handelsverband Deutschland (HDE) das Vorhaben der EU-Kommission wohlwollend begleitet, hagelt es Kritik seitens des IW, dem das bislang vorgelegte Konzept einerseits zu allgemein gehalten und andererseits nicht im angegebenen Zeitraum bis Ende 2016 für umsetzbar hält. So sei für das laufende Jahr noch nicht einmal eine umfassende Analyse der Plattformmärkte inklusive der Sharing Economy vorgesehen. „Dass in einer solch kurzen Frist auch konkrete Maßnahmen festgelegt werden können, ist zu bezweifeln,“ so das IW. Es dürfe jetzt zudem nicht bei Allgemeinplätzen und Absichtsbekundungen bleiben. Konkrete Vorschläge, die Rechtssicherheit geben, seien hingegen dringend nötig. Die Forderung der Wirtschaftsforscher: „Barrieren, wie etwa Beschränkungen im Onlinehandel, müssen zügig angegangen werden. Nur so können Unternehmen in Europa von den Möglichkeiten grenzüberschreitender digitaler Angebote und Nachfragen profitieren und im Wettbewerb mit amerikanischen Anbietern bestehen.

Branche arbeitet bereits an Internationalisierung

Der HDE erhofft sich von der Initiative, dass die Handelsunternehmen auch im Internet von einem funktionierenden Binnenmarkt innerhalb der Europäischen Union profitieren können. „Für Online-Händler und ihre Kunden haben staatliche Grenzen in der Praxis kaum mehr Bedeutung“, so die Leiterin des HDE-Büros in Brüssel, Astrid Krone-Hagenah. Deshalb sei es richtig, Unternehmen und Verbrauchern den grenzüberschreitenden Warenverkehr weiter zu erleichtern.

Ausdrücklich positiv bewertet der HDE daher die geplante Einführung des „Recht des Händlers“ im Online-Handel. Liefert ein Unternehmen seine Produkte in alle EU-Mitgliedstaaten, müsste es sich demnach nicht mehr mit 28 verschiedenen Verbraucherschutzregelungen auseinandersetzen, sondern nur noch mit einem - nämlich dem seines eigenen Heimatlandes. „Insgesamt muss die EU-Kommission im Bereich Verbraucherschutz aber gewährleisten, dass eine vernünftige Balance zwischen Unternehmens- und Verbraucherinteressen erhalten bleibt“, so Krone-Hagenah weiter. Kritisch zu sehen sei das vorgeschlagene weitgehende Verbot von Geoblocking. Hierbei gelte es die Vertragsfreiheit der Online-Händler nicht aus den Augen zu verlieren. Die Unternehmen müssten auch in Zukunft frei entscheiden können, in welchen Ländern sie den Kunden im Internet welche Waren zu welchen Konditionen anbieten. „Die Ziele der EU-Digitalstrategie sind richtig. Jetzt geht es aber um eine schnellstmögliche Umsetzung der Ideen in die Praxis. Die Unternehmen brauchen Rechtssicherheit“, so Krone-Hagenah weiter.

Ob sie diese allerdings bereits wie angekündigt bis Ende des kommenden Jahres erhalten werden, bleibt angesichts der bürokratischen Prozesse innerhalb der EU mehr als fraglich. Trotzdem stellt sich gerade der Modehandel auf den digitalisierten Binnenmarkt ein. Webshops, die bislang nur national ausliefern, arbeiten bereits an der Internationalisierung und Mehrsprachigkeit ihrer Plattformen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Textilwirtschaft sehr viel schneller auf die neue, digitale Barrierefreiheit ausgerichtet sind, als die EU, die nun dafür die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen muss.

Foto: Zalando

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