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Die Zeit der Kaufhäuser ist vorbei

Von Barbara Russ

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Einzelhandel|KOMMENTAR
Bild: Pexels, Credit: Pixabay

Der Patient siecht seit langem dahin. Immer wieder erregt die in Schüben voranschreitende Krankheit in der deutschen Presse Aufsehen, schockieren tut sie aber längst niemanden mehr. Denn die Kaufhäuser kranken seit den 70er Jahren, Einkaufszentren sind vom Aussterben bedroht, und der Mode-Einzelhandel befindet sich insgesamt im Umbruch. Dass nun diesen Monat gleich zwei Hiobsbotschaften, einmal von Galeria und einmal von P&C Düsseldorf, für Furore sorgten, lässt aber doch noch einmal aufhorchen.

Der aktuelle Krankheitsschub macht gut einem Drittel der restlichen Galeria Karstadt Kaufhof-Filialen den Garaus. Insgesamt 47 von den übrigen 129 Filialen sollen nach aktuellem Stand schließen. Wer trägt die Schuld? Ein Cocktail aus Inflation, steigenden Lebenshaltungskosten und der On- und Offline-Konkurrenz, die die Zielgruppe besser versteht.

Auch bei Peek & Cloppenburg sieht man den Krankheitserreger in „veränderten Marktbedingungen“. Als konkreten Grund nennt das Düsseldorfer Unternehmen Corona-bedingte Umsatzeinbrüche 2020 und 2021, die die Liquidität des Unternehmens belasteten. „Wir halten unverändert an unserer Multibrand-Omnichannel-Strategie fest. Unser Fokus liegt jetzt klar auf unserem Kerngeschäft im stationären Einzelhandel und damit bei unseren Stores,” hieß es von dort.

Die junge Zielgruppe tickt anders

Millennials und Gen Z kaufen lieber online – 43 Prozent der Millennials und 38 Prozent der Gen Z kaufen laut einer Umfrage von Stylight Insights regelmäßig online ein – und am allerliebsten direkt bei Marken. Laut Capgemini haben zwei Drittel (68 Prozent) der Gen Z und über die Hälfte (58 Prozent) der Millennials im zweiten Halbjahr 2021 Produkte direkt bei Marken bestellt, verglichen mit 41 Prozent im Durchschnitt aller Altersgruppen. Wozu noch Mittelsmänner und -frauen bezahlen, wenn sie keinen Mehrwert bieten?

Nur 37 Prozent der Generation X – geboren zwischen 1965 und 1980 – und 21 Prozent der Boomer – geboren zwischen 1946 und 1964 – haben in den letzten sechs Monaten direkt bei einer Marke bestellt. Von denjenigen, die direkt bei Marken gekauft haben, geben fast zwei Drittel (60 Prozent) als Grund für den Direktkauf ein besseres Einkaufserlebnis an, und 59 Prozent nennen Markentreueprogramme als Grund. Früher kamen die Kund:innen in Kaufhäuser, weil sie etwas aus der Bad- oder Küchenabteilung brauchten. Sie gingen mit Kleidung. Zur Blütezeit der Kaufhäuser waren es Hausfrauen, die Zeit hatten, ein Kaufhaus zu besuchen, dort eine Weile zu verweilen und etwas Geld zu lassen. Diese Zeiten sind längst vorbei. ‘Hausfrauen‘ gibt es heute kaum noch, 76,6 Prozent aller Frauen in Deutschland sind erwerbstätig – zum Vergleich: die Quote liegt bei Männern bei etwa 84 Prozent. Wer heute etwas aus der Küchenabteilung benötigt, teilt dies während des Kochens seiner Voice-Asistenz mit und bekommt es am nächsten Tag nach Hause geliefert. Wenn der Bedarf, ins Kaufhaus zu gehen, entfällt, muss er ersetzt werden. Zum Beispiel durch ein Erlebnis.

Der Massenmarkt ist tot

„In der Vergangenheit dienten die traditionellen Großhändler:innen als Türsteher:innen. Sie boten Bekleidungslabels mit ausreichender Markenbekanntheit und ausreichendem Umsatz einen skalierten Vertrieb und beschränkten den Wettbewerb auf die größten und bekanntesten Anbietenden“, heißt es bei der Boston Consulting Group (BCG). „Heute hat der elektronische Handel die Vertriebsbarrieren beseitigt, was zu einer explosionsartigen Zunahme der Konkurrenz geführt hat.“

Bild: Pexels

Weltweit gibt es etwa 20.000 Direct-to-consumer-Modemarken, und jede Woche kommen neue Marken auf den Markt, schätzt BCG. Diese Labels haben es einfacher als ein alteingesessenes Kaufhaus, denn sie haben kaum Kosten und können genau die richtige Klientel über Instagram ansprechen und Nischenmarketing betreiben. Sie können ihre Geschichte, ihre Werte und ihre visuelle Identität in einem unterhaltsamen Insta-Reel erklären und mit der Bildsprache und einem Produkt für Begeisterung bei der Zielgruppe sorgen. Heute müssen Einzelhändler:innen genau damit konkurrieren. Das ist aber schwierig, wenn man eine Multibrand-Omnichannel-Strategie fährt und Marketing mit der Gießkanne betreibt.

Kaufhäuser und große Einzelhandelsketten haben nämlich einen entscheidenden Nachteil: Sie bieten vieles, für alle. Ihre Strategien und Prozesse sind auf einen Massenmarkt konzentriert, der so nicht mehr existiert, weil er sich längst ausdifferenziert hat. Sie richten sich an mehrere grundverschiedene Klientel, die sie per Definition nicht mit ein und derselben Message erreichen oder gar begeistern können.

Der Einzelhandel braucht Mut, Expertise und Konzepte, um konkurrenzfähig zu bleiben

Wie das geht, dafür lohnt es sich, in andere Länder zu blicken. Französische Kaufhäuser wie La Samaritaine, Le Printemps oder Le Bon Marché sind immer wieder einen Besuch wert, nicht nur aufgrund der liebevoll gestalteten Architektur. Events, Kunstinstallationen, neue Labels, die die Flächen mit Pop-up-Shops bespielen – hier wird immer wieder etwas Neues geboten. Aber nicht nur Luxuskaufhäuser, auch mittelpreisige Segmente wissen dort mit neuen Sortimenten und ansprechendem Ladenbau zu inspirieren. Ebenso wie Boutiquen und Concept Stores, die immer wieder Kundschaft mit neuen Entdeckungen locken. Dieses Überraschungsmoment fehlt in den meisten Filialen der letzten Kaufhäuser in Deutschland gänzlich, stattdessen gibt es ein veraltetes Sortiment und eine leuchtröhreninduzierte depressive Verstimmung. Warum nicht die Ressourcen nutzen, die bereits im eigenen Haus verfügbar sind? Zu lange hat man, insbesondere in Deutschland, die Expertise des Verkaufspersonals unterschätzt. Dabei kennen die Fachkräfte, die täglich auf den Flächen stehen, ihre Klientel am allerbesten. Sie wissen, was gesucht und gekauft wird. Sie leben in den jeweiligen Städten und können einschätzen, was die Menschen dort kaufen würden, wenn man es denn anböte, oder welche Events sie interessieren würden. Ein zentral gesteuerter Einkauf macht vieles einfacher, aber eben nicht unbedingt besser. Wenn man die Häuser etwas autonomer agieren ließe, wäre vielleicht schon einiges gewonnen.

Denn Kaufhäuser und große Einzelhandelsketten haben auch einen entscheidenden Vorteil: Sie bieten vieles, für alle. Sie können ein Zentrum für Kunst und Kultur, gerade in kleineren Städten sein, die sonst vielleicht nicht so viel davon haben und Menschen zusammenbringen, die sich sonst in ihren Nischen nie begegnen. Aber es scheint, zumindest im Falle von Galeria, grundlegend am Willen zu fehlen, der Gemeinschaft, die das Geschäft seit Jahren subventioniert, etwas zurückzugeben.

Quellen:

  • BCG, The Creative Destruction of Fashion Marketing.
  • Capgemini, Gen Z And Millennials Increasingly Willing To Buy Directly From Brands, Bypassing Traditional Retail Channels.
  • Stylight Insights, Shopping Online for Fashion: What do Millennials and Gen Z Care about in 2023.

Boston Consulting Group
Galeria Karstadt Kaufhof
Modehandel
Peek & Cloppenburg KG Düsseldorf