Black Independent Retail im Fokus: Livewear by Áwet New York
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In der Modewelt gibt es Platz für alle. Das gilt auch für den unabhängigen Einzelhandel. Aber was braucht es, um ein unabhängiger Einzelhändler oder eine unabhängige Einzelhändlerin zu werden? Und wie ist es, Schwarz und unabhängige:r Einzelhändler:in in einer Branche zu sein, die Schwarze Kreative nicht immer unterstützt hat?
Wir können also viel von diesen Einzelhändler:innen lernen, was das Geschäft angeht, aber auch, wie man eine Gemeinschaft und einen treuen Kund:innendenstamm aufbaut, indem man Raum und Möglichkeiten schafft und andere unterstützt. Diese Serie widmet sich den Geschichten unabhängiger schwarzer Einzelhändler:innen und der Frage, warum sie tun, was sie tun.
Für die erste Folge dieser neuen Serie sprach FashionUnited mit Alex St. Urbain, Chief Marketing Officer von Áwet New York. Die Marke hat ihre eigene unabhängige Einzelhandelsfläche namens Livewear, die
BIPOC
Black, Indigenous and People of Colour — Schwarze, indigene und farbige Menschen
Wie kam es zu der Idee, Áwet und Livewear zu gründen?
Die Geschichte der Marke begann eigentlich 2020. Áwet ist der Name meines Mitbegründers Áwet Woldegebriel. Es war während der Covid-19-Pandemie und er dachte an seinen Vater, der Schneider ist. Áwet machte sich Gedanken darüber, wie es Menschen wie seinem Vater in dieser Zeit ging und ihm wurde klar, dass sie Unterstützung brauchten.
Also wandte sich Áwet an eine griechische Familie im Garment District, die bereits in der dritten Generation in New York lebte. Er erklärte sich bereit, mit ihnen ein Luxusprodukt herzustellen. Natürlich würde das ihr Geschäft nicht retten, aber er sagte: „Damit könnt ihr die nächsten drei Monate überstehen.“ Und so entstand die Idee zur Marke.
Es war ein einfacher schwarzer Kapuzenpullover, der aus wirklich luxuriösen Materialien hergestellt wurde. Im November 2020 eröffneten wir einen Pop-up-Laden in Soho. Die Unterstützung, die wir dort bekamen, war wirklich überwältigend, wir haben das Produkt ausverkauft. Der gesamte Erlös ging zurück an die Familie, die ihn hergestellt hatte. Das hat die Idee hinter der Marke wiederbelebt und es wurde klar, dass sie von der Gemeinschaft getragen werden sollte.
Das Luxuserlebnis ist der Schlüssel für uns, und das Design-Ethos der Marke ist sehr klar, aber der Community-Aspekt ist wirklich das, was uns dahin gebracht hat, wo wir heute sind. Ein paar Jahre später haben wir unsere Kollektion von luxuriösen Hoodies und Sweatshirts auf mehr Konfektionsartikel erweitert. Als wir als Marke wuchsen, begannen wir, unseren Community-Fokus zu finden. Ich weiß, dass Community das größte Schlagwort ist, das jede Marke versucht, für sich zu nutzen, aber wir haben wirklich herausgefunden, dass es für uns darum geht, andere BIPOC-Designer:innen wie uns zu unterstützen.
Als wir also unseren Flagshipstore eröffneten, wollten wir statt eines traditionellen Áwet New York-Geschäfts den Raum nutzen, den wir vorfanden, um etwas wirklich Einzigartiges zu schaffen. Und so wurde es ein Einzelhandelsmix. Áwet New York ist natürlich das Aushängeschild des Ladens, aber wir führen hier auch bis zu zehn andere, hauptsächlich BIPOC-Designer:innen, sowie Möbel und Kunst. Mit Livewear haben wir eine Gemeinschaft geschaffen, einen Ort für Veranstaltungen und Einzelhandel, der Black-Owned- und BIPOC-Marken eine luxuriöse Präsenz bietet.
Wie wählen Sie die angebotenen Produkte und Marken aus?
Wir wollen ein einheitliches Erlebnis schaffen und sicherstellen, dass die Marken auch bei anderen Einzelhändler:innen neben unseren stehen könnten. Wir bieten auch die Möglichkeit, dass sich Marken direkt auf unserer Website bewerben können, um Teil von Livewear zu werden. Wir schauen uns ihre Lookbooks an, der Preisrahmen sollte passen und wir stellen sicher, dass genügend Bestand vorhanden ist, für den Fall, dass etwas ausverkauft sein sollte. Wir ermutigen unsere Marken auch, hier ein Event zu veranstalten. Die Kund:innen lieben es, dass sie hier die Gründer:innen treffen und mit den Designer:innen sprechen können, wenn sie persönlich hier sind.
Wer ist Ihr Publikum und warum?
Ich würde sagen, dass wir ein breites Publikum bedienen. Wir haben verschiedene Marken im Laden, die zwar alle im Luxussegment angesiedelt sind, aber dennoch unterschiedlich aussehen und wirken.
Bei unserer eigenen Marke wissen wir, dass wir eine weiße Demografie haben, und wir konzentrieren uns eher auf uns selbst. Áwet und ich sind beide Anfang 30. Aber obwohl wir in Saks Fifth Avenue verkaufen, ist unsere Kundschaft eine andere als die normale Saks-Kundschaft. Wir sprechen zudem für verschiedene Boutiquen verschiedene Kund:innen an.
Wir haben festgestellt, dass es ein breites Spektrum an Kund:innen gibt, die unsere Kapuzenpullis kaufen; andere als die, die unsere Anzüge kaufen. Unsere eigene Verkaufsfläche hilft uns wirklich, dazuzulernen und auch unsere Kundschaft besser kennenzulernen. Es ist ein ständiger Lernprozess und ein wirklich attraktiver Aspekt eines unabhängigen Ladens.
Wie genau?
Was sie kaufen, was sie fragen, ihre Größenangaben. Wir haben herausgefunden, dass wir mehr Schaufensterpuppen ins Schaufenster stellen müssen, weil wir in diesem Bereich so viel Laufkundschaft haben. Und es ist faszinierend zu sehen, was an der Schaufensterpuppe hängt und dann direkt danach verkauft wird.
Was unterscheidet Sie von anderen unabhängigen Einzelhändler:innen?
Ich denke, die Mischung des Einzelhandels ist ein wichtiger Aspekt für uns, und dazu gehören Kunst und Möbel. Erfolgreicher Einzelhandel muss in irgendeiner Weise originell sein. Wir haben eine dritte Person, die sich auf Möbel und Kunstwerke konzentriert, einen Innenarchitekten aus Mexiko, der Jose Esperon heißt. Jose ist der kreative Leiter des Ladens. Er entwirft den Raum und kuratiert Kunst und Möbel. Er bringt sehr einzigartige Stücke mit, die man eigentlich nur in Ausstellungsräumen sieht und die hier neben unserer Kollektion stehen. Wir präsentieren Möbel von Designer:innen aus der ganzen Welt. Unsere Bekleidungskollektion wechselt fast jeden Monat. Selbst Leute, die häufig vorbeikommen, werden also jedes Mal etwas Neues sehen. Es war wirklich toll, mit den Leuten zu sprechen und zu erfahren, wonach sie suchen, wenn sie ein Geschäft besuchen. Ich denke, das ist das, was uns von anderen Einzelhandelsgeschäften unterscheidet.
Áwet und ich sind die ganze Zeit hier im Laden, und wir sind sehr praktisch veranlagt. Wir ermutigen unsere Designer:innen, ein paar Mal in der Woche vorbeizukommen und mit den Kund:innen zu sprechen. Wenn Menschen neue Marken entdecken, wollen sie eine Verbindung zu ihnen spüren. Alle lieben die Entdeckung, wie sie eine Marke gefunden haben, die sie mögen. Deshalb legen wir großen Wert darauf, dass wir vor Ort sind, dass es viele Berührungspunkte mit uns gibt, dass wir Veranstaltungen organisieren, damit die Menschen wirklich Teil von etwas sein können.
Wie lange behalten Sie eine Marke in Ihrem Geschäft? Gibt es eine zeitliche Begrenzung?
Das kommt darauf an. Das Minimum ist ein Monat. Und wir können uns mit den jeweiligen Designer:innen unterhalten, um zu sehen, ob es Sinn macht, die Partnerschaft fortzusetzen. Aber es hängt wirklich von der Saison ab. In manchen Saisonen ist mehr los als in anderen. Ich würde also sagen, dass etwa zwei Monate der Durchschnitt sind.
Haben Sie vor zu expandieren?
Wir haben den jetzigen Laden im September 2023 eröffnet und werden sicher noch den Rest des Jahres hier sein, bis unser Mietvertrag ausläuft. Was danach kommt, bleibt abzuwarten. Wir sind gerade in Gesprächen darüber, was der beste nächste Schritt ist.
Wie binden Sie Ihr Publikum und Ihre Kundschaft ein?
Durch unser Angebot. Nach etwa sechs Monaten waren wir in der Nachbarschaft bekannt. Die Leute kamen zurück und fragten: ‘Alex, was gibt's Neues?’ Das ist schön zu hören. Aber es ist wirklich das Angebot. Neue Marken, die hinzukommen, machen ihr eigenes Social- und E-Mail-Marketing und kündigen an, dass sie im Laden sind. Es ist also die Markenrotation, die den Kund:innenstamm bei der Stange hält und kontinuierlich neue Kund:innen anzieht.
Was halten Sie von dem Standort? Hilft er bei der Besucher:innenfrequenz?
Es ist immer ein Balanceakt. Wären wir in Soho, etwa in der Prince Street oder am Broadway, gäbe es dort mehr Laufkundschaft. Aber ich denke, dass die Kund:innen hier nach neuen Marken suchen; sie machen einen Schaufensterbummel und suchen nach etwas Neuem. An den Tagen, an denen mehr los ist, wie zum Beispiel an den Wochenenden, kommen viele Leute, die uns noch nicht kennen. Sie kommen herein, stellen Fragen, lassen sich auf uns ein und kaufen ein. Ich denke, dies ist ein großartiger Standort, es ist eine Ecklage; die Adresse Bond Street ist großartig für Luxus. Wir sind also wirklich zufrieden mit den Räumlichkeiten.
Erzählen Sie mir von Ihrer Partnerschaft mit UPS.
Wir haben bereits im September damit begonnen, BIPOC-Designer:innen zu unterstützen. Aber als UPS im Januar dieses Jahres dazukam, hat sich das wirklich beschleunigt und uns ermöglicht, mehr Marken zu beeinflussen. Sie sind in der Lage, in den Laden zu kommen und ihre Produkte ohne Kosten zu verkaufen.
UPS hilft dabei, die Kosten zu finanzieren, die eine Marke im Einzelhandel zahlen würde, damit sie wirklich einen Platz zum Verkaufen haben und die Gewinne an sie zurückfließen können. Wir wollten wirklich sicherstellen, dass unsere Partnerschaft mit UPS einen echten, greifbaren Nutzen für kleine Unternehmen hat.
Was sind die Vorteile, ein unabhängiger Einzelhändler zu sein?
Die Möglichkeit, zu experimentieren und Dinge zu verändern. Größere Einzelhändler:innen oder jedes große Unternehmen haben Regeln für den Betrieb und müssen Schritte und Genehmigungen einholen, um Dinge zu erledigen. Aber wir können sehr flexibel sein, neue Ideen für Veranstaltungen und Konzepte entwickeln und sie sofort umsetzen. Und wir können wirklich das schaffen, was wir im Einzelhandel sehen wollen, was uns sehr viel Spaß macht.
Was macht Sie am stolzesten in Bezug auf Ihr Unternehmen?
Ich denke, aus der Perspektive des Einzelhandels finde ich es wirklich lohnend zu sehen, wie wir wachsen und wie andere Marken mit uns wachsen. Denn in einem so frühen Stadium der Entwicklung einer Marke ist es nicht üblich, dass man auch anderen helfen kann. Alle verstehen, wie schwer es am Anfang ist, aber ich glaube, wir haben immer die Mentalität gehabt, dass es genug Sonnenschein für uns alle gibt. Wir stellen also fest, dass es uns hilft, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und zusammenarbeiten. Und das auf so natürliche und gemeinschaftliche Weise, dass es wirklich unser tägliches Leben bestimmt.
Für mich ist es am schönsten zu sehen, dass eine Marke, die in Los Angeles ansässig ist und an der Ostküste relativ unbekannt ist, in New York einen Ort hat, an dem sie ihre Stücke verkaufen, neue Kund:innen kennenlernen und ihr Geschäft ausbauen kann. Während der Modewochen gibt es hier auch Showrooms, in denen Einkäufer:innen vorbeikommen und Termine vereinbart werden. Wir verwandeln unsere Räumlichkeiten in eine Art Ökosystem. Kund:innen oder eine neue Marke, die für den nächsten Schritt bereit sind, können hier wachsen, Kontakte knüpfen und dauerhafte Freunde werden.
Was sind die Nachteile, ein unabhängiger Einzelhändler zu sein?
Ich denke, manchmal sind die Leute an bestimmte Läden gewöhnt, und das sind die Läden, die sie kennen; in denen sie schon seit Jahren einkaufen. Und bis sie in den Laden kommen, ist es schwer, die Erfahrung zu beschreiben. Es gibt also eine Lernkurve für unabhängige Einzelhändler:innen, derer man sich bewusst sein muss. Bevor die Kund:innen einen Laden schätzen können, müssen sie es erleben. Aber immer mehr Menschen wollen persönlich einkaufen, so dass wir einige dieser Hindernisse recht schnell überwinden können.
Was war die größte Herausforderung für Sie?
Man braucht viel Zeit, um einen Laden richtig und reibungslos zu führen. Und zusätzlich zu unserem Direktvertrieb haben wir auch noch unser Großhandelsgeschäft, das wir ausbauen. Es braucht also viel Zeit, die wir gerne aufwenden, und natürlich ist es wichtig, sich darauf zu konzentrieren. Aber es ist, als hätte man ein Baby, und man muss zusehen, wie dieses Baby wächst und gedeiht, und sicherstellen, dass man sich um alles kümmert.
Was ist das Wichtigste, was die Leute über Ihr Unternehmen wissen sollten?
Dass wir uns wirklich darauf konzentrieren, eine Marke aufzubauen, die an andere denkt, oder uns untereinander. Während wir also viel Zeit in die Entwicklung unserer Stoffe und in unser Schneidereiethos investieren, denke ich, dass die Menschen Marken wollen, die sich kümmern. Und ich denke, jede Marke hat ihr eigenes Ethos, was das ist. Aber wir waren in der Lage, uns darauf zu konzentrieren, andere Marken wie uns zu unterstützen, weshalb wir Livewear gegründet haben.
Livewear ist ein Begriff, den wir rechtlich schützen ließen, um Artikel zu bezeichnen, die man nicht mehr ausziehen möchte, wenn man sie trägt. Und wenn man sie nicht trägt, denkst man an sie. Stücke, in denen man sein Leben leben kann, egal, wohin es einen führt. Deshalb war die Entwicklung von Livewear, dem Ladenkonzept, eine ganz natürliche Entwicklung für uns. Ja, ich denke, die Branche sollte sich in Richtung eines gemeinschaftlichen Einkaufserlebnisses entwickeln. Und das auf eine authentische Art und Weise zu tun, ist das, was wir wirklich anstreben.
Haben Sie einen Rat für diejenigen, die als Einzelhändler:innen selbständig sein wollen?
Es ist wichtig herauszufinden, was das Unterscheidungsmerkmal ist. Denn die Kundschaft sucht ein großartiges Einzelhandelserlebnis, das von dem jeweiligen Standort und der Kundschaft abhängt. Ich denke, es ist wichtig, eine Einzigartigkeit zu finden, die die Leute dazu bringt, wiederzukommen, und sie ins Schwärmen bringt. Schließlich will man, dass sie das Einkaufserlebnis weiterempfehlen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.