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Wie viel ist das Imperium von Pierre Cardin wirklich wert?

Von Herve Dewintre

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Pierre Cardin starb am Dienstagmorgen im Alter von 98 Jahren. Die Nachwelt, das heißt Historiker und Modekolumnisten, wird sein Vermächtnis in seinem wahren Maß messen können: Er ist außergewöhnlich. Aus Sicht der Pariser Modegeschichte gleichwertig mit der von Gabrielle Chanel und Christian Dior.

Dieses Vermächtnis ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der Mode als auch unter dem der unternehmerischen Innovation beachtlich: Indem er wie kein anderer vor ihm das Lizenzsystem in Gang brachte, indem er die Vorherrschaft der Konfektionskleidung gegenüber der Haute Couture voraussah und förderte, hat sich Pierre Cardin ebenso wie Charles Frederick Worth und Aristide Boucicaut einen Namen als Gigant der Modebranche gemacht. Derjenige, der diese Wirkung am besten beschreibt, ist Jean-Paul Gaultier, der sein Schüler war: "Pierre Cardin ist Yves Saint Laurent, Pierre Bergé und Atelierleiter in einem".

So viel zum geistigen und künstlerischen Erbe. Kommen wir nun zum finanziellen Vermächtnis, das eine kurze Biographie erfordert. Geboren in Venetien, kam Pietro Costante Cardini, Sohn italienischer Emigranten, im Alter von zwei Jahren nach Frankreich. Er war sechzehn, als er nach Paris kam, wo er in den 1940er Jahren bei Louis Bompuis, einem Schneider aus Saint-Etienne (die Familie Cardini war 1930 nach Saint-Etienne gezogen), das Nähen lernte. Der junge Mann hatte es bald satt, für andere zu arbeiten. Nach Stationen bei Paquin, Schiaparelli und Dior wurde er sein eigener Chef. Im Alter von 28 Jahren gründete er sein eigenes Haus. Der Selfmademan hört nicht auf, die Konventionen aufrütteln und erfindtet das System der Lizenzen, mit dem er ab den 60er Jahren sein Vermögen machen wird.

„Meine Marke ist eine Milliarde Dollar wert.”

Das Verhältnis zwischen Mode und Lizenzen war nicht immer einfach. Cardin wurde bald verspottet für seine intensive Nutzung von Lizenzen, die nach Meinung einiger Experten das Gesamtprestige eines Labels und damit seinen inneren Wert schmälern kann. Cardin hingegen hat dieses System, das den verschiedensten Herstellern und Vertreibern das Recht einräumt, gegen “Tantiemen” einen bekannten und geschätzten Namen auf ein Produkt zu setzen, immer mit Zähnen und Klauen verteidigt.

Er zögerte nicht zu sagen und ohne zu scherzen, dass er seinen Namen auf Essig gesetzt hätte, wenn es ihm angeboten worden wäre. Auf dem Fernsehsender RTL blickt Rodrigo Basilicati, Neffe von Pierre Cardin und Präsident von Cardin Evolution, auf die Geburtsstunde dieser Praxis zurück: „1953 bestellte jemand bei ihm 200.000 Stück eines ganz speziellen roten Mantels, der schwierig herzustellen war. Mein Onkel hat, seinem Charakter entsprechend, nicht nein gesagt und dann in der folgenden Nacht darüber nachgedacht. Am nächsten Tag ruft er den Distributeur an und bietet ihm an, das Produkt selbst herzustellen, wobei er ihm erklärt, wie man es macht, mit der Möglichkeit, seinen Namen darauf zu setzen. Die Lizenz war geboren.”

Cardin’s Lizenzen finden sich auf einer beeindruckend vielfältigen Produktpalette wieder. Mit Erfolg: Der Name Cardin hat sich wie kein anderer Designername vor ihm über den ganzen Planeten verbreitet, auch nach China und Russland. So sehr, dass der französische Begriff “Cardinisation” in der Luxusmarketing-Ausbildung die Gefahr bezeichnet, dass eine Luxus- oder Spitzenmarke den Glanz ihres Namens durch den Missbrauch von Lizenzen trübt. Diese Vielzahl von Lizenzen macht es schwierig, den Wert der Gruppe zu schätzen, trotz der Behauptung des Couturiers, seine Marke sei eine Milliarde US-Dollar wert.

Als er seinen Konzern verkaufen wollte, brachte der Geschäftsmann 2012 Argumente vor, die potenzielle Käufer nie wirklich überzeugten: “Ich bin in etwa hundert Ländern präsent und habe Linien von etwa hundert Produkten entwickelt. Ich verlange 1 Million pro Produkt und 1 Million pro Land, also 10 Milliarden, die ich bereit bin, auf 1 Milliarde zu reduzieren, was immer noch sehr vernünftig ist”. 2005 vergab Pierre Cardin ein Verkaufsmandat an das italienische Beratungsunternehmen Multipartner. Einer der Partner, Eugenio Pinto, sagte damals dem Magazin Challenges, dass er “keine Gebote über 320 Millionen” erhalten habe.

Der Couturier hatte damals die Idee akzeptiert, seine Vermögenswerte entsprechend ihrer Natur zu verkaufen: einerseits Textilien, andererseits Lebensmittel (unter dem Banner Maxim). Bereits 2009 hatte der Couturier 32 große Lizenzverträge an zwei chinesische Unternehmen für 200 Millionen Euro verkauft. Eine Prüfung hatte ergeben, dass damit ein Umsatz von etwa 1 Milliarde Euro für die Lizenznehmer generiert wurde, wobei die Cardin-Gruppe je nach Land und Art der Lizenz zwischen 5 und 10 Prozent Lizenzgebühren erhielt. Mitunter gibt es Komplikationen im Zusammenhang mit Verkäufen über das Internet: Ein deutscher Lizenznehmer kann Produkte in Spanien passiv über digitale Wege verkaufen, zum Nachteil des spanischen Lizenznehmers.

Auf jeden Fall schätzte das Magazin Challenges 2012, dass die Pariser Zentrale jährlich 75 Millionen Euro von dem Gebäude, der Société de gestion Pierre Cardin (SGPC), einnimmt. Ganz zu schweigen von den Immobilien, die einen bedeutenden Teil des Cardin-Imperiums mit seinen rund fünfzig oft sehr prestigeträchtigen Adressen ausmachten: 1.400 Quadratmeter in der Rue Royale, 1.500 Quadratmeter des Hauptquartiers vor dem Elysée-Palast, sein Dorf in Lacoste, sein Palast in Venedig, seine Schlösser in der Nähe von Avignon, Lioux, Gordes, Bonnieux, Goult und natürlich das Palais Bulle. Das stand ab 2016 für die astronomische Summe von 350 Millionen Euro zum Verkauf, ohne einen Käufer zu finden. Forbes ermittelte 2018 in seinem jährlichen Ranking das persönliche Vermögen des Couturiers mit 600 Millionen Euro. Also doch eine Milliarde, oder nicht?

Wenn ein Strang so viele Fäden hat, ist es sehr schwierig, die Knoten zu lösen. Das wird die Aufgabe von Rodrigo Basilicati sein, der die Schlüsselstrukturen des Cardin-Imperiums leitet. Wenn er nicht verkauft, kann der vierzigjährige Ästhet, Ingenieur und venezianische Pianist immer noch tun, was sein Onkel tat, der sich als “Besitzer von allem” als Selbstversorger betrachtete, das heißt Wein trinken, ins Theater gehen, im Restaurant essen, im Hotel schlafen, sich in Bettlaken kuschen, sich kleiden und parfümieren – alles mit der Signatur Cardin.

Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.fr.

Foto: Hervé Dewintre.

Lizenz
Pierre Cardin