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Neue Covid-19-Studie zeigt dramatische Lage indischer Schuh- und Lederarbeiter

Von Simone Preuss

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Bereits im April hatte FashionUnited auf die prekäre Lage hingewiesen, in der sich Bekleidungsarbeiter und -arbeiterinnen in Produktionsländern wie Bangladesch, Indien, Pakistan, Kambodscha und Vietnam befinden. Die neue, detaillierte Studie “Wenn aus zu wenig fast nichts wird” von Südwind und Inkota widmet sich besonders der dramatischen Lage der Schuh- und Lederarbeiter und -arbeiterinnen in Indien.

“Für diejenigen auf der untersten Sprosse der Beschäftigungsleiter, gerade in asiatischen Beschaffungsländern … ist die derzeitige Krise existenzbedrohend. Hier bieten staatliche Hilfssysteme bestenfalls Flickwerk-Lösungen an, die die Arbeitnehmer vielleicht einen Monat lang über Wasser halten, keinesfalls aber mittel- oder langfristig. Hier bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes, dass kein Einkommen, keine Abfindung, keine Zahlung ausstehender Löhne erfolgen wird. Da praktisch keine Ersparnisse vorhanden sind, wird das Geld für Lebensmittel bald knapp werden, von Mietzahlungen ganz zu schweigen. Armut, Obdachlosigkeit und Hungersnot sind die Folgen, nicht nur für Bekleidungsarbeiterinnen und -arbeiter, sondern für ihre gesamten Familien,” hatte Fashion United im April berichtet.

Neun Monate später hat sich die Situation weiter verschlechtert. Extreme Einkommensverluste, fristlose Kündigungen, Verschuldung und kaum soziale Sicherungssysteme haben dazu beigetragen, dass die Sicherung der Lebensgrundlage der Arbeiter und Arbeiterinnen noch stärker gefährdet ist als zuvor. Die herausgebenden Organisationen fordern die deutsche Schuhindustrie deshalb auf, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden.

“Es ist erschütternd, was unsere Partnerorganisationen in Indien herausgefunden haben”, sagt Berndt Hinzmann von Inkota/Change Your Shoes. “Die Menschen in der Schuh- und Lederproduktion leiden unter extremen Einkommensverlusten, Löhne wurden nicht gezahlt, der Zugang zu sozialen Sicherungssystemen ist völlig ungenügend. Anstatt diesen Verhältnissen politisch entgegenzuwirken, werden die Rechte der Arbeiter und Arbeiterinnen in Indien im Zuge der Covid-19-Krise weiter drastisch beschnitten.”

Für die Studie befragten die indischen Organisationen SLD und Cividep zwischen Juli und September 2020 115 Arbeiter und Arbeiterinnen aus indischen Schuhfabriken und Gerbereien in den Bundesstaaten Uttar Pradesh und Tamil Nadu. Demnach erhielt mehr als ein Drittel der Befragten während der dreimonatigen Ausgangssperre keinen Lohn. Die meisten von ihnen lebten in dieser Zeit in einem Haushalt ganz ohne Einkommen.

Fast 40 Prozent der Befragten konnten nach der Ausgangssperre ihre Arbeit nicht wieder aufnehmen, vor allem aufgrund von Kündigungen ohne Abfindung und haben seitdem keine Arbeits- und Verdienstmöglichkeit. Weitere 20 Prozent mussten ein reduziertes Gehalt akzeptieren. Die Folgen: Mehr als die Hälfte der Befragten nahm während der Ausgangssperre Schulden auf, um Grundbedürfnisse wie Essen und Miete zu bezahlen.

“Betroffen sind Frauen wie Männer, alle Altersgruppen sowie Arbeiter und Arbeiterinnen in unterschiedlichsten Beschäftigungsverhältnissen und Funktionen im Betrieb. Gezeigt wird, dass im Zuge der Pandemie insbesondere auch Arbeiter und Arbeiterinnen in Armut geraten, die vorher von ihrem Lohn verhältnismäßig gut leben konnten”, fasst die Studie zusammen.

Sie will darlegen, wie die Ungleichheit in den Wertschöpfungsketten des produzierenden Gewerbes die Verwundbarkeit der Arbeiter und Arbeiterinnen verstärkt und in welchen Dimensionen sich diese Ungleichheit in Pandemie-Zeiten auf sie ausgewirkt hat. “Bereits über Jahre hinweg bildeten weltweit Menschen, die unter schlechten Bedingungen für wenig Lohn arbeiteten, das Grundgerüst von Wertschöpfungsketten der Schuh- und Lederindustrie und anderer Sektoren”, so das Fazit.

“Es müssen diejenigen in die Pflicht genommen werden, die bisher von der globalen Ungerechtigkeit profitiert haben. Im Zuge der Covid-19-Pandemie wird die Notwendigkeit unternehmerischer Sorgfalt zur Einhaltung der Menschenrechte in den eigenen Wertschöpfungsketten deutlicher denn je. Unternehmen der Schuh- und Lederbranche aus Deutschland sind in ihrer Rolle als wichtige Abnehmer indischer Schuhe und Lederwaren in der Verantwortung, die eigenen Geschäftspraktiken zu korrigieren und dazu beizutragen, die Situation der Arbeiter und Arbeiterinnen kurz- und mittelfristig zu verbessern. Wirtschaft und Politik müssen ambitioniert eine grundlegende Transformation der Industrie vorantreiben”, fordert

“Deshalb müssen Unternehmen in Deutschland endlich Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen”, fordert Autorin Jiska Gojowczyk von Südwind. “Geschäftspraktiken, die Ungleichheit ausnutzen und verstärken, dürfen sich nicht mehr lohnen. Dazu müssen die Schuhindustrie ebenso wie die politischen Entscheidungsträgerinnen aktiv beitragen - zum Beispiel durch ein Lieferkettengesetz und ambitionierte Umsetzungsinitiativen.”

In Deutschland wird derzeit über ein neues Lieferkettengesetz diskutiert. Die vollständige Studie kann auf der Inkota-Website heruntergeladen werden.

Foto: Schuhproduktion in Agra, Uttar Pradesh, im Februar 2020 / PradeepGaurs/Shutterstock.com; Tabellen: “Wenn aus zu wenig fast nichts wird”

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