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Grünes Licht oder nicht? Wie Modeunternehmen in Greenpeaces Greenwashing-Studie abschnitten

Von Simone Preuss

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Greenwashing ist eine Einbahnstraße. Bild: Josh Hild / Pexels

Viele von uns - als Verbraucher:innen oder als Insider der Textil- und Bekleidungsindustrie - fragen sich, wie sie mit den verwirrenden Etiketten auf Kleidungsstücken umgehen sollen, die behaupten, dass das besagte Kleidungsstück „nachhaltig“, „öko“, „grün“ oder ein anderer Begriff sei, der suggeriert, dass der Kauf dieses Kleidungsstücks oder dieser Textilie in irgendeiner Weise weniger umweltschädlich sei.

‘Wenn doch nur mal jemand all diese Angaben vergleichen und prüfen würde, wie nachhaltig sie wirklich sind’, haben wir vielleicht gedacht. Nun, genau das hat jemand getan. In ihrer neuesten Greenwashing-Studie, „Greenwash Danger Zone“, hat die Umweltorganisation Greenpeace bekannte Nachhaltigkeitslabels unter die Lupe genommen und ihre Ergebnisse zusammengetragen.

Für die Untersuchung schaute sich Greenpeace alle 29 Mitglieder seiner Detox-Initiate an - eine 2011 ins Leben gerufene Verpflichtung zur Entgiftung der Lieferkette - und wählte diejenigen für eine weitere Überprüfung aus, die ein klar definiertes Produktmarketing-Label haben, das einen der oben genannten Begriffe verwendet. Übrig blieben 11 Mitglieder - Benetton, C&A, Coop, G-Star, H&M, Mango, Primark, Tchibo, Tesco, Vaude und Zara. Um den Ansatz zu erweitern, fügte Greenpeace drei weitere Unternehmen hinzu: den deutschen Einzelhändler Peek & Cloppenburg, die italienische Marke Calzedonia und ZDHC-Mitglied (Zero Discharges of Hazardous Chemicals) Decathlon.

„Alle bewerteten Marken verfügen über mehr oder weniger ausgefeilte Programme für ökologische und soziale Verantwortung, die sich in den verschiedenen Werbeetiketten widerspiegeln sollen, die wir hier bewerten“, erklärt die Organisation.

Greenwashing. Illustration: Jackie Mallon für FashionUnited

Häufige problematische Bereiche

Die Umweltorganisation fand bestimmte Muster problematischer Bereiche, die im Folgenden zusammengefasst sind:

  • Kennzeichnungen, die für Verbraucher:innen verwirrend sind, da sie wie zertifizierte Siegel präsentiert werden und manchmal nach den Nachhaltigkeitsprogrammen der Unternehmen benannt sind
  • Das Fehlen einer durch Dritte überprüften oder internen Bewertung der Einhaltung der besten verfügbaren Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Menschenrechte
  • Mangelnde Rückverfolgbarkeit der Lieferkette, die über das Label hinausgeht
  • Keine Verpflichtung zur Änderung des Geschäftsmodells hin zu einer Verlangsamung des Produktflusses, das heißt zu einer Verringerung der Produktion
  • Irreführende Behauptungen, oft zur Kreislaufwirtschaft, die sich auf die Beschaffung von recyceltem Polyester aus anderen Industrien anstelle von gebrauchten Textilien stützt, und/oder die Sammlung von Altkleidern durch Rücknahmesysteme, die in Wirklichkeit als Textilabfall im globalen Süden enden könnten
  • Die irreführende Verwendung der Begriffe „nachhaltig“ oder „verantwortungsbewusst“ für Materialien, die nur geringfügig besser sind als neue oder konventionelle Fasern
  • Die fortgesetzte Produktion problematischer Fasermischungen wie Polyester-Baumwolle, die aber aufgrund eines (oft geringen) Recyclinganteils als „grüner“ dargestellt werden
  • Fortgesetzter Rückgriff auf den produktorientierten Higg-Index für materielle Nachhaltigkeit, der nicht die gesamte Lebenszyklusbewertung von Fasern berücksichtigt
  • Keine Aufschlüsselung der Zahlen für die einzelnen Materialien, um die umweltfreundlichen Behauptungen des Unternehmens oder seine Gesamtausrichtung und langfristige Strategie für die Verbraucher:innen und Dritte zu belegen
  • Hervorhebung nur eines einzigen Verbesserungsaspekts, zum Beispiel die Reduzierung des Wasserverbrauchs oder die Wiederverwendung/Recycling von Abfällen
  • Hervorheben von Initiativen in kleinem Maßstab ohne Berücksichtigung des größeren Zusammenhangs oder größerer Mengen
Zaras “Join Life”-Label. Bild: Zara

Positives

Es gibt natürlich auch einige positive Eigenschaften der besten Labels, aber man kann sehen, dass diese Liste wesentlich kürzer ist als die obige, oder, wie Greenpeace es so treffend nennt, „einfach ein Feigenblatt“ ist, das „eine Vielzahl von Sünden verdeckt“.

  • Die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette auf Produktwebseiten und in Verbindung mit dem Produkt selbst (Coop, Naturaline). „Es ist ein positives Zeichen, dass einige andere Marken, wie Calzedonia und H&M, dabei sind, die Rückverfolgbarkeit zu fördern, auch wenn sie meist noch in der Entwicklung stecken und die besten Praktiken anstreben müssen, um einen Einfluß zu haben“, kommentiert Greenpeace.
  • Verifizierung der Herkunft von Materialen durch unabhängige Zertifizierungen (zum Beispiel Vaudes „Green Shape“, Coops „Naturaline“, Tchibos „Gut Gemacht“.)
  • Der spezifische Ausschluss von BCI-Baumwolle (Better Cotton Initiative) als Teil des Werbeetiketts (G-Star)

„Es besteht definitiv die Notwendigkeit, dass Unternehmen ihre Qualifikationen bekannt geben, was nicht entmutigt werden sollte. Dies muss nur konsequenter geschehen, unter Verwendung unabhängig geprüfter Standards statt interner, subjektiver Bewertungen oder branchenbezogener Bewertungsinstrumente und -initiativen. Vor allem aber sollte diese Kommunikation das Ziel berücksichtigen, lineare Geschäftsmodelle in Richtung eines Systems zu verschieben, in dem Materialien, Arbeitnehmer:innen und die Umwelt einen höheren Stellenwert haben als die verkauften Mengen oder die Gewinne der Aktionäre“, fasst Greenpeace zusammen.

Wer schnitt also gut ab?

Greenpeace erstellte eine Rangliste mit grünem Licht (Daumen nach oben), rotem (Daumen nach unten) und gelbem (Daumen zur Seite). Um es vorwegzunehmen: Es bekamen nur zwei Unternehmen „grünes Licht“: Coop mit seinem Label „Naturaline” und Vaudes „Green Shape”. Tchibos Label „Gut Gemacht” ist als einziges im gelben Bereich, während Benettons „Green Bee”, C&As „Wear the Change”, die Calzedonia Group, Decathlons „Ecodesign”, G-Stars „Responsible Materials”, H&Ms „Conscious”, Mangos „Committed”, Peek & Cloppenburgs „We Care Together”, „Primark Cares”, Tescos „F&F Made Mindfully” and Zaras „Join Life” alle im roten Bereich landeten. Lassen Sie uns nachschauen, warum.

Grünes Etikett von H&Ms ‘Conscious’-Linie. Bild: H&M

Das „Naturaline“-Label von Coop und das „Green Shape“-Label von Vaude schnitten gut ab, das heißt sie haben bei sechs der folgenden Kriterien grünes Licht bekommen: klare und zugängliche Spezifikation dessen, was für das Label in Frage kommt, Überprüfung durch Dritte, Vermeidung von BCI-Baumwolle und des Higg MSI-Indexes als Label-Kriterium, Engagement und Initiativen zur Verlangsamung des Warenflusses sowie eine Liste der besten Chemikalien für die Lieferkette.

Es gab acht weitere Kriterien, für die nur eines oder keines der beiden Unternehmen grünes Licht bekam: Während Vaude bei der Berichterstattung über den Prozentsatz seiner Produkte, die durch das Label vertreten sind, im grünen Bereich liegt, ist Coop im gelben Bereich. Während Coop einen Daumen nach oben für den Verzicht auf recyceltes PE aus PET-Flaschenabfällen als „nachhaltiges“ Material für sein Label erhielt, bekam Vaude einen Daumen nach unten.

Während Vaude grünes Licht für die Offenlegung von Materialmengen, Prozentsätzen und einer Aufschlüsselung der Materialarten erhielt, lag Coop im gelben Bereich. Die gleiche Bewertung gilt für die Zahlung eines existenzsichernden Lohns für die Arbeiter:innen entlang der Lieferkette, eine transparente Liste aller Lieferbetriebe und die Veröffentlichung der Detox-Abwasserdaten.

Während Coop es vermeidet, eine rote Linie zu überschreiten oder andere Bedenken zu äußern, erhielt Vaude dazu einen Daumen nach unten. Beide Unternehmen befinden sich im gelben Bereich, was die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette auf dem Produktetikett und/oder im Webshop angeht.

Wie hilft dies den Verbraucher:innen?

Was könnten Verbraucher:innen mit diesen 14 Kriterien anfangen, wenn sie auf den Etiketten eines bestimmten Kleidungsstücks veröffentlicht würden? Sie könnten sich überlegen, bei welchen Kriterien sie bereit wären, Kompromisse einzugehen, und ihre Kaufentscheidung entsprechend treffen.

Wenn zum Beispiel Coop und Vaude ein vergleichbares Kleidungsstück hergestellt hätten, aber jemand lieber von einer Marke kaufen würde, die in keinem Bereich eine schlechte Bewertung erhalten hat, dann würde er oder sie sich für Coop entscheiden - übrigens die einzige Marke, die dies erreichte. Wenn jemand aber unbedingt eine Aufschlüsselung der Materialtypen und des Detox-Abwassermanagements braucht, würde er oder sie sich für Vaude entscheiden.

Auch Tchibos „Gut Gemacht“ würde punkten, da es das grüne Licht nur knapp verfehlte - im Vergleich zu Vaude, das ebenfalls zwei rote Daumen bekam, hat Tchibo nur zwei gelbe Bereiche mehr in Bezug auf das Engagement für die Verlangsamung des Produktflusses und existenzsichernde Löhne für Arbeiter:innen; ansonsten sind die Bewertungen identisch mit denen von Vaude.

Was die anderen Unternehmen betrifft, so besteht der auffälligste Unterschied darin, dass sie alle auf recyceltes PE aus PET-Flaschenabfällen als „nachhaltiges“ Material für ihre Labels setzen. Wie Greenpeace erklärt, ist dies problematisch, weil es bedeutet, dass ein Abfallprodukt aus einer anderen Branche verwendet wird, während das größere Problem in der eigenen Branche, nämlich ein effektives und groß angelegtes Textil-zu-Textil-Recycling, umgangen wird.

Ein weiterer problematischer Bereich ist das Engagement und die Initiativen zur Verlangsamung der Warenströme - abgesehen von Vaude und Coop erhielt keine andere Marke hier grünes Licht; Tchibo, Benetton, C&A, Decathlon und H&M schafften es in den gelben Bereich, während Calzedonia, G-Star, Mango, Peek & Cloppenburg, Primark, Tesco und Zara im roten Bereich liegen.

Die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette auf dem Produktetikett und/oder im Webshop ist ein weiterer Problembereich, bei dem selbst die Besten im gelben Bereich liegen (plus Calzedonia und H&M); alle anderen verweilen im roten Bereich.

Hoffnungsschimmer

Zu guter Letzt gab es einige Bereiche, in denen - gerade im Vergleich zu noch vor ein paar Jahren - gute Verbesserungen zu erwarten sind: Am vielversprechendsten ist die Liste der bewährten Chemikalien für die Lieferkette (MRSL), die zweifellos durch das Detox-Programm und andere Initiativen vorangetrieben wurde. Nur die Nichtmitglieder Calzedonia und Peek & Cloppenburg erhielten eine Abwertung; alle anderen erhielten eine Aufwertung.

Die Veröffentlichung der Detox-Abwasserdaten sieht ebenfalls vielversprechend aus, wobei wiederum nur die Nicht-Mitglieder Calzedonia, Decathlon und Peek & Cloppenburg einen Daumen nach unten erhielten, alle anderen grünes Licht, mit Ausnahme von Coop, das sich hier im neutralen Bereich befindet.

Mehr als zwei Drittel der untersuchten Unternehmen vermeiden es, sich auf den Higg MSI Index für Materialien für ihre Nachhaltigkeitslabels zu verlassen, während G-Star, H&M, Mango und Peek & Cloppenburg sich auf ihn verlassen.

Eine positive Entwicklung ist auch, dass die Nachhaltigkeitslabels von Marken und Einzelhandelsunternehmen mehr und mehr von Dritten überprüft werden, wie in diesem Fall in 8 von 14 Unternehmen (Coop, Vaude, Tchibo, C&A, Calzedonia, G-Star, Peek & Cloppenburg und Zara). Benetton, H&M und Primark liegen hier im grauen, äh, gelben Bereich, und Decathlon, Mango und Tesco im roten.

Trotz (oder vielleicht gerade wegen) der jüngsten Medienberichte schneiden Bekleidungsunternehmen recht gut ab, wenn es um klare und verständliche Angaben darüber geht, was für das Label in Frage kommt: Nur H&M und Primark erhielten einen Daumen nach unten, C&A, Mango und Peek & Cloppenburg einen neutralen und alle anderen einen Daumen nach oben.

Ausblick

Obwohl Modeunternehmen zweifellos gelernt haben, vorsichtiger mit nachhaltigen Behauptungen umzugehen - vor allem in den letzten Monaten, als einige wie H&M, Decathlon und andere von Aufsichtsbehörden an den Pranger gestellt wurden - sind Greenwashing und das Verschweigen wichtiger Informationen immer noch weit verbreitet.

„Viele Marken zögern noch immer, die wichtigsten Informationen zu veröffentlichen, die eine Grundlage für die Auswirkungen der verwendeten Materialien bilden würden, das heißt die Menge jedes verwendeten Materials - ob Baumwolle, Polyester oder Zellulosefasern, ob sie bio, konventionell, recycelt, zertifiziert oder anderweitig sind - sowie deren Prozentsätze“, führt Greenpeace an.

Der Organisation zufolge würde diese notwendige Grundlage für die Verlangsamung des Materialflusses - wie die Veröffentlichung der Materialtonnagen - eine transparente Verfolgung des Ausmaßes der Auswirkungen der Marken auf das Klima und die biologische Vielfalt ermöglichen und es erlauben, die Fortschritte bei der Verlangsamung des Materialflusses zu messen und die Umstellung auf bessere Materialien von Jahr zu Jahr zu verfolgen.

Unternehmen können sich jedoch auf Vertraulichkeit berufen und die Daten nicht oder nur teilweise offenlegen, wie es H&M tut, indem es zwar den prozentualen Anteil der einzelnen Materialien, nicht aber die Gesamtmenge angibt. „Diese Informationen sind jedoch genauso wichtig wie die Berichterstattung zu Treibhausgasemissionen und sollten die Grundlage für Nachhaltigkeitsaussagen sein“, rät Greenpeace.

Empfehlungen

Die Umweltorganisation empfiehlt, gegen das lineare Modell der Modebranche anzugehen und zu akzeptieren, dass Fast Fashion niemals nachhaltig sein kann. Es gibt Dinge, die Marken und Einzelhandelsunternehmen bereits jetzt tun können, wie zum Beispiel weniger Kleidung zu produzieren, die länger hält und die repariert und recycelt werden kann. Außerdem sollten keine Textilien auf den Markt gebracht werden, die nicht in Textilrecyclingverfahren wiederverwertet werden können; Mischfasern sind in dieser Hinsicht immer noch problematisch. Generell sollte auch Kleidung zurückgenommen werden, wobei Reparatur- und Austauschmodelle angeboten werden sollten.

Als Faustregel empfiehlt Greenpeace, dass bis spätestens 2035 nur noch etwa 40 Prozent der Kleidung neu hergestellt werden und 60 Prozent aus alternativen Systemen wie Reparatur, Secondhand, Verleih oder Tausch stammen sollten. Modeunternehmen sollten außerdem detaillierte Daten über die verwendeten Materialien veröffentlichen und den Dialog mit ihren Kund:innen über alle Nachhaltigkeitsmaßnahmen suchen.

„Globale Modemarken müssen ihre linearen Geschäftsmodelle vollständig ändern und zu Dienstleistern werden, anstatt nur zu Produzenten. Dies erfordert einen grundlegenden Wandel, bei dem der Erfolg nicht durch die produzierten und verkauften Mengen oder die Gewinne der Aktionär:innen definiert wird, sondern durch die hohen Standards in den Lieferketten und darüber hinaus - wo ‘externe Effekte’ wie die Auswirkungen auf die Natur und die Menschen, die die Kleidung herstellen, oder der Umgang mit Textilabfällen im globalen Süden nicht mehr abgewertet werden. Dies bedeutet auch, dass alternative Wege gefunden werden müssen, um mit den Kund:innen über das Modell des Neukaufs hinaus in Bezug auf Mode in Kontakt zu treten“, fasst Greenpeace zusammen.

Die gesamte Untersuchung “Greenwash Danger Zone” ist unter den Publikationen auf der Greenpeace-Website zu finden. Es ist ein Muss für alle, die daran interessiert sind, Nachhaltigkeit transparenter zu machen.

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