Diskussion: PVH, Timberland und Zalando zur schnellen Digitalisierung der Lieferkette
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Die Pandemie hat Arbeitsweisen weltweit verändert und Menschen und Marken sind gezwungen, immer mehr Zeit online zu verbringen. Dies hat die Notwendigkeit einer Neugestaltung der Lieferkette beschleunigt, die die Digitalisierung in neue Dimensionen treibt. Dies war ein wichtiges Thema auf dem Supply Chain Forum Europe von PI Apparel, das vom 28. bis 29. April in Amsterdam stattfand.
Teil der Veranstaltung war eine Podiumsdiskussion mit Vertreter:innen namhafter Unternehmen wie Zalando, PVH und Timberland, die sich insbesondere mit der digitalen Produktentstehung und den damit verbundenen Möglichkeiten beschäftigten. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Ton Wiedenhoff, Geschäftsführer des Modeinnovationsunternehmens Alvanon, und Sara Canali, Marktentwicklungsleiterin Italien und Tessin bei Alvanon.
Bei der Erörterung ihrer Beziehung zur 3D-Implementierung waren sich die Diskussionsteilnehmer:innen allgemein einig, dass die Pandemie dazu beigetragen hat, Unternehmen dazu zu bringen, die Digitalisierung schneller einzuführen, als dies ohne die Auswirkungen von Covid der Fall gewesen wäre. Alle wiesen darauf hin, dass 3D in ihren Unternehmen am meisten geschätzt wird, und ihnen ermöglicht, sich eng mit ihren Lieferketten zu vernetzen, um weitere Produktionsmöglichkeiten zu erkunden.
Sylwia Szymczyk, 3D-Bekleidungsspezialistin bei Timberland, sagte zu diesem Thema: „Was wir für die Zukunft hielten, wurde umgesetzt und ist zur Gegenwart geworden – unser Übergang war viel schneller. Während am digitalen Element bereits vor der Pandemie gearbeitet wurde, hat Covid die Entwicklung beschleunigt – Dinge, die in zwei Jahre geschahen, hätten vielleicht länger für ihre Umsetzung gebraucht.“
„Marken mussten einfach etwas tun; sie waren gezwungen, neue Technologien auszuprobieren und sich neu zu erfinden“, fügte sie hinzu.
Digitalisierung der Lieferkette hängt von Anforderungen der Kundschaft ab
Eine gemeinsame Beobachtung der Teilnehmer:innen war, dass sich jedes Unternehmen den Anforderungen seiner spezifischen Kund:innen- und Lieferant:innengruppen anpassen musste, was zu einem unterschiedlichen Grad an digitaler Umsetzung geführt hat. Ein Großteil trug dazu bei, Lieferkettenprozesse zu rationalisieren und ihre Effizienz zu steigern. Zum Beispiel sagte Carla Ferreira, Senior Director für 3D-Produktentwicklung bei PVH Europe, dass das Unternehmen Online-Anproben einsetze, um die Kosten und den Zeitaufwand für die Mustererstellung zu reduzieren.
Dorothea Siano, Teamleiterin der Produktentwicklung bei Zalando, erklärte, ein Hauptaugenmerk des deutschen Einzelhändlers liege darauf, visuell ansprechende Produktbilder mit Avataren zu erstellen und die Größenintegration für Kleidungsstücke zu optimieren, die für eine Vielzahl von Maßen hergestellt werden müssen, was jetzt von einem virtuellen 3D-Anpassungsansatz aus betrachtet wird.
Standards waren ein weiterer Bereich, den Siano ansprach und feststellte, dass viel Vertrauen in den Prozess erforderlich sei, bevor digitale Standards auf die Lieferkette und Lieferbetriebe eines Unternehmens angewendet werden.
„Wenn es um Standards geht, empfiehlt es sich, zwischen digitalen Standards und Qualitätsstandards zu unterscheiden“, antwortete Ferriera von PVH auf Sianos Bedenken. „Digitale Standards ändern sich im Laufe der Zeit nicht drastisch, sodass man sie in Stein meißeln und weitermachen kann. Qualität spricht mehr für die Ästhetik, die man bevorzugt, die Schritte, die unternommen werden, um dorthin zu gelangen, und das Qualifikationsniveau derer, die ihr folgen müssen. Man muss dies mit Schulungen und Partnerschaften unterstützen, um die gewünschte Qualität aufzubauen.“
Auch die notwendigen digitalen Tools waren für manche Unternehmen ein Thema, wie Szymczyk von Timberland ansprach, die bei der digitalen Umsetzung oft fehlten. Sie sagte auch, dass es an Menschen mit den entsprechenden digitalen Fähigkeiten fehle, was ein zwingender Bestandteil des Prozesses sei. „Uns fehlten Menschen, die in der Lage und bereit waren, diese Veränderungen umzusetzen“, stellte sie fest. „Der Widerstand gegen diese neuen Technologien war groß, aber wir mussten auch vorankommen, da andere Unternehmen dies auch taten.“
Ferreira schloss sich Szymczyks Meinung an und fügte hinzu, dass es eine der größten Herausforderungen für PVH sei, Menschen für neue Umsetzungen zu begeistern – ein Problem, das laut Ferraira bis heute andauert.
Misstrauen in der digitalen Landschaft überwinden
Ruben Bakker, Chief Technology Officer bei Tailored Technologies, der hauptsächlich mit maßgefertigter Kleidung arbeitet, war unter denen, die gegenüber einer vollständigen digitalen Einführung etwas zögerlich waren. Bakker zeigte als Teil seiner Präsentation Beispiele sowohl für die digitale als auch für die persönliche Anprobe von Anzügen und wies auf Möglichkeiten hin, wie digitale Muster im Produktionsprozess eher hinderlich sein können, was häufig zu schlecht sitzenden Kleidungsstücken führe.
„Bei der Umstellung auf 3D war es sehr schwierig, dem zu vertrauen, was wir sehen“, sagte er. „Wir haben viele Kalibrierungstests durchgeführt, um das, was wir auf dem Bildschirm sehen, mit dem zu vergleichen, was wir im wirklichen Leben sehen. Um von physischen Anpassungen wegzukommen, muss man diesem Prozess vertrauen können.“
Bakker wies darauf hin, dass subjektive Anforderungen an Kleidungsstücke, die auf persönlichem Geschmack basieren - wie etwa Komfort - in der digitalen Umgebung schwer umzusetzen seien, was ihn dazu veranlasste, diesen Technologien bei der Herstellung von maßgeschneiderter Kleidung misstrauisch gegenüberzustehen. Einige Softwareanwendungen können beispielsweise immer noch nur grundlegende Informationen zur Passform liefern, und es kann schwierig sein, diese genau an individuelle Designwünsche anzupassen, wie etwa die Vorliebe für einen lockeren Sitz.
Szymczyk konterte Bakkers Aussage und schlug vor, dass man 3D nicht als Übersetzung oder Zusammenarbeit zwischen dem Physischen und dem Digitalen betrachten müsse, etwas, was Timberland ihrer Meinung nach in Betracht gezogen habe. Stattdessen sagte Szymczyk, 3D „als Erweiterung des Physischen und nicht als Ersatz“ zu sehen.
Szymczyk stimmte zu, dass Designer:innen sich sicher sein müssen, dass die 3D- und die reale Passform genau gleich seien, und betonte, wie wichtig es sei, ein digitales Muster mit einem echten Muster zu vergleichen, um den Unterschied zu erkennen.
Sie merkte jedoch an, dass dieser digitale Prozess irgendwann zur Norm werden würde, und fügte hinzu: „Viele junge Menschen, die jetzt Mode studieren, nutzen 3D und Digitalisierung am Anfang ihrer Karriere. Ich glaube nicht, dass sie es als etwas Seltsames betrachten – sie werden einfach nahtlos zwischen physischen Stoffen und Digitalisierung wechseln und Details genau prüfen.“
Bakker sprach auch von einer weiteren Herausforderung, der sich Tailored Technologies gegenübersieht, nämlich der Darstellung von Stoffen in bestimmten Onlineprozessen, und erklärte, dass er derzeit der Ansicht sei, dass die dafür verfügbare Technologie „noch nicht ganz ausgereift“ sei. Dem stimmte auch Szymczyk. Bakker sagte weiter, um dieses Hindernis zu überwinden, habe er mehrere Stoffsimulationswerkzeuge ausprobiert und verwende jetzt sehr schwierige Stoffe, wie dünnes Nylon, um 3D-Muster zu visualisieren, wodurch er Bügel- und Knitterfalten im Design sehen könne.
Szymczyk fügte hinzu, dass die Gewebesimulationsverfahren noch nicht in der Endphase ihrer Entwicklung seien, räumte aber ein: „Wir haben es fast geschafft, aber es ist noch nicht perfekt. Ich denke, es ist eine Frage der Zeit und der Problemlösung. Vielleicht wären digitale Prozesse in allen Bemusterungsstufen möglich und wir könnten einen Artikel vollständig digital bearbeiten und in 3D bemustern.“
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.