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Der Koalitionsvertrag steht – was bedeutet er für die Modebranche?

Von Regina Henkel

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Erfreulich schnell haben sich die Ampelkoalitionäre aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf einen gemeinsamen Fahrplan für die kommende Legislatur geeinigt. Klimaschutz und Digitalisierung stehen ganz oben auf der Agenda. Was noch?

Mit Spannung wurde der Koalitionsvertrag, der in den letzten Wochen von dem künftigen Regierungsbündnis aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in Berlin ausgehandelt wurde, erwartet. Lange ist davon nichts nach außen gedrungen. Jetzt liegt der 177 Seiten umfassende Vertrag mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen” vor und stellt sich der Öffentlichkeit. Welche neuen Spielregeln wird die künftige Regierung der Modebranche auferlegen?

Digitalisierung soll vorangetrieben werden

In einem Punkt scheinen sich die meisten Wirtschaftsverbände, die sich bisher zu dem Papier geäußert haben, einig zu sein: Der künftige Fokus auf den Ausbau der Digitalisierung sei richtig und überfällig. Erstmals wird das Thema im neu geschaffenen Ministerium für Verkehr und Digitales prominent verankert und künftig von der FDP geleitet. „Digitalisierung hat erstmals einen festen Platz am Kabinettstisch“, erklärt Bitkom-Präsident Achim Berg. Er befürwortet zudem die Pläne, den Ausbau von Breitbandinternet und Mobilfunk zu beschleunigen, Start-ups besser zu fördern und mit „Superabschreibungen auf Investitionen in Digitalisierung“ zusätzliche Anreize schaffen zu wollen.

Auch mehr Schutz soll es geben. Das Gesetz über digitale Dienste, der Digital Services Act, legt neue Verfahren für die schnellere Entfernung illegaler Inhalte fest. Zudem sollen neue Vorschriften für die Nachverfolgbarkeit gewerblicher Nutzer auf Online-Marktplätzen greifen, um Verkäufer illegaler Waren oder Dienstleistungen leichter aufspüren zu können.

Mehr Klimaschutz durch Ausbau Erneuerbarer Energien

Auch der Klimaschutz wird künftig Einzug in ein Ministerium halten. Vorgesehen ist eine Erweiterung des Wirtschaftsministeriums um das Thema Klimaschutz. Es soll künftig in der Verantwortung der Grünen liegen. Bis 2030 soll Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien beziehen, so der Plan. Zwar stimmt die Branche grundsätzlich mit den Zielen des Klimaschutzes überein, fordert jedoch günstigere Strompreise um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie: „Der Koalitionsvertrag zeigt, wie groß die Dimension ist, Deutschland zu einem klimaneutralen Industrieland umzubauen. Wir als deutsche Textil- und Modeindustrie können Wandel und wollen die Umsetzung aktiv mitgestalten. Dazu brauchen unsere mittelständischen Unternehmen aber auch die Voraussetzungen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dazu gehört vor allem ausreichend grüne Energie zu international wettbewerbsfähigen Preisen.“

Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) ergänzt: „Wir müssen dringend den Klimaschutz und seine Vorgaben so gestalten, dass auch kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung nicht auf der Strecke bleiben“. Er sieht den neuen Vertrag als eine Art der Aufeinanderzubewegung von Wirtschaft und Politik.

So sieht der neue Vertrag vor, Stromkunden zu entlasten, indem ab 2023 die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms abgeschafft wird.

Nachhaltiger Konsum wird gestärkt und Bekenntnis zum EU-Lieferkettengesetz

Beim Thema Konsum werden ebenfalls Neuerungen vorgestellt. So sollen Verbraucher ein Recht auf Reparatur bekommen und Produkte, die man lange benutzt, eine entsprechend lange Gewährleistung erhalten. Unternehmen werden verpflichtet, künftig Ersatzteile bereitzustellen. „All das stärkt den Alltag von Verbraucherinnen und Verbrauchern“, befürwortet Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands den neuen Vertrag.

Zudem bekennt sich die Koalition zu einem wirksamen EU-Lieferkettengesetz, das auf den UN-Leitprinzipien basiert. „SPD, Grüne und FDP erkennen damit an“, so das Statement der Umweltschutzorganisation Greenpeace, „dass das deutsche Lieferkettengesetz nicht ausreicht und nachgebessert werden muss. Um Menschenrechte und Umwelt in den Lieferketten von Unternehmen wirksam zu schützen, braucht es eine stärkere, europaweite Regelung. Betroffene von Menschenrechtsverletzungen brauchen endlich die Möglichkeit, Schadensersatz von Unternehmen einzuklagen.“ Gleichzeitig bedauert die Organisation schärfere Gesetze bei der Retourenvernichtung.

Immerhin: Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien darauf geeinigt, „bestehende steuerrechtliche Hürden für Sachspenden an gemeinnützige Organisationen durch eine rechtssichere, bürokratiearme und einfache Regelung zu beseitigen, um so die Vernichtung dieser Waren zu verhindern“.

Anhebung des Mindestlohns sorgt für Kritik

Die meiste Kritik aus Modebranche und Handel folgte auf die Ankündigung zur Erhöhung des Mindestlohns. So soll der Mindestlohn von derzeit 9,60 auf 12 Euro angehoben werden. Dabei kritisieren viele Wirtschaftsverbände nicht in erster Linie den neuen Betrag, sondern die Festlegung durch die Regierung. „Die politische Festlegung des Mindestlohns kommt einer Entmachtung der Mindestlohn-Kommission gleich“, kommentiert HDE Hauptgeschäftsführer Stefan Genth das neue Gesetz. Er verurteilt die sprunghafte Steigerung als Eingriff in die Tarifverträge zahlreicher Branchen und nur die Branchen selbst seien in der Lage, zu beurteilen, ob die Lohnhöhe umsetzbar sei.

Zukunftsfähige Innenstädte und stationären Handel fördern

Positiv sieht der HDE die Schaffung eines Bauministeriums, das künftig in der Hand der SPD liegen wird. Die Gestaltung öffentlicher Räume und damit die Erhaltung der Attraktivität der Innenstädte könne so besser vorangetrieben werden. Auch der BTE befürwortet, dass der Erhalt der Innenstädte im Koalitionsvertrag zum Thema gemacht wurde, auch wenn darin noch wenig Konkretes benannt wurde. Zudem will die Koalition den stationären Handel in Deutschland stärken, indem sie attraktive Rahmenbedingungen schafft, um im Strukturwandel gegenüber dem reinen Onlinehandel bestehen und von der Digitalisierung profitieren zu können.

Noch ist der Vertrag nicht beschlossene Sache. Alle beteiligten Parteien müssen den Vertrag erst noch von ihren Mitgliedern absegnen lassen. Bei SPD und FDP soll das auf den Parteitagen Anfang Dezember passieren. Die Grünen haben bereits gestern mit einer Urabstimmung darüber begonnen.

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