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Auf dem Weg nach vorn - Jahresrückblick Nachhaltigkeit 2024

Von Simone Preuss

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Business
Bild zur Illustration. Credits: Michael Olsen/Unsplash

Zwei Themen prägten das Jahr 2024 wie keine anderen - bevorstehende oder in Kraft getretene Gesetze für mehr Nachhaltigkeit in der Branche beziehungsweise die Berichterstattung zu letzterem und die künstliche Intelligenz (KI). Auch das Textilrecycling machte im letzten Jahr Sprünge nach vorn.

Zudem jährte sich 2024 die Fashion Revolution Week zum zehnten Mal - und damit das Gedenken an den Einsturz des Rana Plaza Gebäudes in Bangladesh. FashionUnited schaute zusammen mit Fashion Revolution auf die Errungenschaften zurück und darüber, wie weit die Branche in Bezug auf Transparenz gekommen ist. Der Tag der Erde scheint indes hauptsächlich zur PR-Aktion verkommen zu sein.

Künstliche Intelligenz

Zusätzlich zur Förderung des E-Commerce spielt KI eine Schlüsselrolle im Übergang zu einer nachhaltigeren Modeindustrie. Durch die Ermöglichung von On-Demand-Produktion etwa werden Überbestände vermieden und Abfälle erheblich reduziert. Dieser Ansatz fördert nicht nur ein effizienteres Modell, sondern bietet auch konkrete Lösungen für eine der größten Herausforderungen der Modebranche. Von der Optimierung der Lieferketten bis hin zur Abfallreduzierung erweist sich diese Technologie als unverzichtbarer Partner bei der Umsetzung zirkulärer Produktionsmodelle.

Textilrecycling

Verschiedene Projekte und Initiativen machten im letzten Jahr von sich reden. Ende Oktober 2024 stellten die vier Textil- und Schuhanbieter On, Patagonia, Puma und Salomon die Früchte ihrer Zusammenarbeit mit dem französischen Biochemie-Unternehmen Carbios vor: das erste Kleidungsstück, das in einem von Carbios entwickeltem biologischen Recyclingprozess zu 100 Prozent aus Textilabfällen hergestellt wurde. Es handelt sich um ein weißes T-Shirt, das aus farbigen und gemischten Textilabfällen geschaffen wurde.

Auch das dreijährige europäische Forschungsprojekt SCIRT (System Circularity and Innovative Recycling in Textiles) feierte Ende Oktober seinen Abschluss. Die Erkenntnisse sollen den Übergang zu einer kreislauforientierten Modeindustrie beschleunigen. Im Rahmen des Projekts arbeiteten 18 europäische Partner:innen unter der Leitung des Flämischen Instituts für Technologische Forschung (VITO) zusammen und die gesamte Textilwertschöpfungskettewar involviert.

Welche zwei Lösungen sich beim Textilrecycling anbieten untersuchte ein Gastbeitrag der Organisation Circle Economy. Mit dem Pilotprojekt „Design for Transformation“ des Biomimicry-Instituts leistet sie Pionierarbeit bei der Verarbeitung gemischter Textilabfälle in Rotterdam, Niederlande.

Wie in Zukunft Mischfasern recycelt und als neue Textilfasern zurück in den Textilkreislauf gebracht werden können untersucht auch Eeden. Das Start-up aus Münster steht kurz davor, die erste Recyclinganlage für Polyester-Baumwollgemische zu bauen, die im industriellen Maßstab funktioniert. FashionUnited sprach mit Co-CEO Steffen Gerlach und Ida Marie Brieger, Business Development. Über das Recycling von Polyesterfasern sprach FashionUnited mit dem CEO von Reju, Patrik Frisk.

Initiativen

Die ACT-Initiative (Assessing low-Carbon Transition) ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der französischen Agentur für den ökologischen Wandel (ADEME), dem Carbon Disclosure Project (CDP) und der World Benchmarking Alliance (WBA). Gemeinsam haben sie eine Methodik zur Bewertung der Ausgereiftheit der Pläne von Unternehmen für einen kohlenstoffarmen Übergang entwickelt. Im vergangenen Jahr wurde eine ACT-Methode speziell für die Mode- und Luxusbranche entwickelt, die die Glaubwürdigkeit der Dekarbonisierungsstrategien von Unternehmen bewertet. Sagt ein Betrieb also „Ich bin Unternehmen X und habe mich verpflichtet, bis 2030 kohlenstoffneutral zu werden“, antwortet die ACT-Methode laut Isabelle Lefort, Mitbegründerin von Paris Good Fashion und Initiatorin des Projekts, darauf: „Zeigen Sie uns, wie und mit welchen Mitteln Sie das erreichen wollen.“

Berichte

Brancheninsider:innen sollten auf keinen Fall die Ergebnisse des „Fashion Accountability Reports 2024“ verpassen, der von der gemeinnützigen Organisation Remake zum vierten Mal veröffentlicht wurde. Darin wird die Leistung von 52 großen Modeunternehmen (mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 US-Dollar) wie Fast Retailing, H&M, Inditex, Kering, LVMH und PVH in sechs Schlüsselbereichen gemessen: Rückverfolgbarkeit, Löhne und Wohlbefinden, Handelspraktiken, Rohstoffe, Umweltgerechtigkeit und Governance.

Die Organisation für kulturelle Nachhaltigkeit Black Pearl will es „allen, die Kleidung tragen“ mit ihrem „Sustainable Style Guide for Everyone“ leichter machen, nachhaltige Modelösungen für jede Garderobe zu finden, vom Alltag über besondere Anlässe bis hin zu Veranstaltungen auf dem rotem Teppich. Dabei werden sechs Kriterien angelegt: Wer stellt unsere Kleidung her und unter welchen Umständen, wie, wo und woraus wird sie hergestellt und wohin geht sie, wenn wir sie nicht mehr wollen oder benutzen? Und schließlich, was können wir als Einzelne tun, um uns nachhaltiger zu kleiden?

Die Material Innovation Initiative (MII) gab im ersten Quartal einen Bereicht zum „Brand Engagement with Next-Gen Materials 2023“ heraus, der einen Anstieg der Zusammenarbeit zwischen innovativen Materialunternehmen und Bekleidungs-, Accessoires-, Schuh- und Haushaltswarenmarken beleuchtete: .„Von Gucci bis hin zu Stella McCartney - die großen Modemarken setzten im Jahr 2023 in rasantem Tempo auf Next-Gen-Materialien“ ist das Fazit.

Daten aus dem aktuellen „Materials Market Report“ der Non-Profit-Organisation Textile Exchange zeigen, dass der Marktanteil von neuen, fossilen Kunstfasern im Jahr 2023 weiter gestiegen ist, während der Anteil von Baumwolle und recycelten Fasern zurückging. Ebenfalls ein Must-read.

Anfang August veröffentlichte Fashion Revolution den Bericht „What Fuels Fashion?”. Er fordert Marken auf, mindestens 2 Prozent ihres Jahresumsatzes in einen gerechten Übergang weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien zu investieren, um ihre Produktion nachhaltig zu betreiben.

Die vierte Ausgabe des Circular Fashion Index von Kearney ergab, dass „die meisten Marken weiterhin innerhalb ihrer traditionellen linearen Modelle arbeiten und aus ökologischer Sicht in fast jedem Schritt des Prozesses, von der Rohstoffauswahl bis zur Verbraucher:innenaufklärung, suboptimale Entscheidungen treffen“, so das nüchterne Fazit von Brian Ehrig, Mitautor des Berichts und Kearney-Partner.

Auch nicht verpassen sollte man den neuen Due-Diligence-Leitfaden von Retraced, der Compliance-Plattform für die Mode- und Textil-Lieferkette. Das Whitepaper zielt darauf ab, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu entmystifizieren, die die Modebranche umgestalten, und Unternehmen dabei zu helfen, Risiken zu reduzieren und ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen zu verbessern.

Gesetzgebung

In den ersten drei Monaten des Jahres sprach sich das EU-Parlament für strengere Regeln aus und will Hersteller:innen von Textilien künftig stärker zur Verantwortung ziehen, um Textilmüll und Verschwendung zu verringern. Frankreich erwägte gar eine Fünf-Euro-Steuer auf jeden verkauften Fast Fashion-Artikel. Das neue „Recht auf Reparatur” bedeutet für die Modebranche, dass es Verbraucher:innen bald ein Recht auf Reparatur einräumt, wenn die Reparatur eines Produkts kostengünstiger ist als dessen Umtausch.

Viele neue Rechtsvorschriften im Bereich der Nachhaltigkeit sind in Vorbereitung, Stichwort „Green Deal“. Das heißt, ein härteres Vorgehen gegen Greenwashing, einen Vorstoß für bessere Rückverfolgbarkeit durch die Einführung digitaler Produktpässe, die obligatorische Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) und die CSDDD-Richtlinie, die Organisationen zwingt, gegen Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette vorzugehen.

Außerdem werden für alle EU-Länder Vorschriften entwickelt, die die Hersteller:innen für das Sammeln, die Wiederverwendung und das Recycling von ihren Produkten verantwortlich machen, die sie auf den Markt bringen. Die Europäische Kommission erwägt zudem eine Überarbeitung der aktuellen europäischen Rechtsvorschriften zur Textilkennzeichnung. Auf der Grundlage der EU-Agenda für Textilien müssen alle Textilerzeugnisse, die auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht werden, auf Haltbarkeit, Wiederverwertbarkeit und Reparierbarkeit ausgerichtet sein.

Hintergrund

FashionUnited veröffentlichte auch 2024 einige Hintergrundartikel zum breit gefächerten Bereich „Nachhaltigkeit“, etwa zum heißen Thema regenerative Mode/regenerative Landwirtschaft, künstliche Intelligenz, was das neue Recht auf Reparatur für die Branche bedeutet und mehr.

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