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Indische Bekleidung: übertroffen nur von Textilien

Von FashionUnited

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Mode-Nachrichten

Die Bekleidungsindustrie in Indien beschäftigt rund acht Millionen Arbeiter, 70 Prozent davon sind Frauen. Die zehn wichtigsten Bekleidungsimporteure für Indien sind die USA, China, die Vereinigten Arabischen Emirate,

Großbritannien, Deutschland, Bangladesch, Italien, Frankreich, Spanien und die Türkei (in dieser Reihenfolge, s. Tabelle).

Obwohl Bekleidungsexporte
im Zeitraum 2008/2009 bis 2011/2012 ein solides Wachstum von 18 Prozent auf 12,96 Milliarden US-Dollar aufwiesen, wuchsen die Textilimporte im gleichen Zeitraum um erstaunliche 83 Prozent und haben ein Gesamtvolumen 18,75 Milliarden US-Dollar erreicht. Indiens Hauptkonkurrent China verzeichnete ein um ein Vierfaches gestiegenes Wachstum seiner Bekleidungsexporte seit 1990 und andere starke bekleidungsexportierende Länder wie Bangladesch und Vietnam sahen wesentlich höhere Zuwächse als Indien.

Textilien und Bekleidung

Was hält also das Wachstum von Indien Bekleidungsbranche auf? Einer der Hauptgründe ist, dass der Sektor zum größten Teil unorganisiert ist und zweitens, dass die großen Fabriken eine Konsolidierung ihrer Kapazitäten vermeiden, da sie Angst vor dem Kampfgeist der Gewerkschaften haben. "Das Wachstum von Indiens Anteil am weltweiten Textil- und Bekleidungshandel steht im umgekehrten Verhältnis zum Anteil der unorganisierten Produktion in diesen Bereichen. Ein strenges Arbeitsrecht, unter anderem, hat Investoren davon abgehalten, ihre Bekleidungsbetriebe im großen Stil auszubauen. Dies hat zu der Befürchtung geführt, dass je größer ein Betrieb wird, um so schwieriger es wird, ihn zu führen. Da Bekleidung nach der Landwirtschaft der arbeitsintensivste Sektor ist, zeigen sich die Auswirkungen hier stärker als in einigen anderen Textilbereichen”, erklärte DK Nair, Generalsekretär des indischen Textilverbands (CITI).

Es sind branchenfreundliche Richtlinien und Infrastruktur, die China und Bangladesch vor Indien katapultiert haben, mit flexiblenArbeitsregelungen, subventionierten Energien, geringeren Kreditkosten und besseren Häfen und anderen Infrastrukturmaßnahmen, die laut SP Oswal, dem Vorsitzenden der Vardhman Group, dem größten Textilkonglomerat Indiens, die größten Anreize darstellen. “In Indien fehlt es an einem übergreifenden System, das den Exporten eines Landes hilft zu wachsen”, stellte er fest.

Stadt-
Land-Problematik

Ein weiteres Problem ist die kostspielige Produktion in Städten statt auf dem Land. “Weltweit und sogar in asiatischen Herstellungsländern wie Vietnam, Sri Lanka, China und Thailand findet die Produktion auf dem Land statt, wo billige Arbeitskräfte im Überfluss vorhanden sind. Nur in Indien konzentriert sich die Branche in großen Städten wie Mumbai, Bangalore, Ludhiana und anderen. Also ist der einzige Weg nach vorn, in die Dörfer zu gehen”, rät Subhash Tiwari, Direktor des Textil- und Konfektionsbekleidungshersteller Shahi Exports Private Limited.

Zusammen mit Niedriglöhnen und bilateralen Abkommen zwischen EU-Ländern und Bangladesch, die dem Land die Beschaffung ohne Einfuhrzölle ermöglichen (derzeit 14 Prozent in Indien) hat Indien es schwer, seine Position als drittgrößter Bekleidungsexporteur zu halten. Höhere Löhne und Produktionskosten in China und fehlende Sicherheitsstandards in Bangladesch haben jedoch dazu geführt, dass Bestellzentren sich nach Indien verlagert haben. Angesichts der fallenden Rupie gegenüber US-Dollar und Euro ist die derzeitige Bestellsituation jedoch alles andere als schlecht und hat sich stetig verbessert. Zudem hat Indien seinen Fokus auf nicht-traditionelle Märkte wie Lateinamerika, Süd- und Westafrika, Japan, Russland, Israel und Australien verlagert, um seine Reichweite zu erweitern. All diese Faktoren haben dazu geführt, dass Industrieverbände mit einer Steigerung der Bekleidungsexporte von 15 bis 17 Prozent für das Finanzjahr rechnen.

Produktionszentren der indischen Bekleidungsindustrie

Wenn man sich die Konzentration der Branche ansieht, hat Indien rund zehn Hauptproduktionszentren für Bekleidung, die sich jeweils auf verschiedene Kleidungsstücke oder eine breite Produktpalette spezialisiert haben. Tirupur im Süden zum Beispiel (im Distrikt Coimbatore in Tamil Nadu) ist als “T-Shirt-Town” bekannt, weil es dort rund 1500 Betriebe gibt, die Maschenware herstellen. Delhi, Noida und Gurgaon im Norden des Landes haben sich als Hauptzentren für die Produktion und den Export von Konfektionskleidung (hauptsächlich für Damen und Kinder) herauskristallisiert und auch Indore in Madhya Pradesh und Ludhiana im nördlichen Staat Punjab sind ebenfalls für ihre Konfektionsware bekannt. Andere Bekleidungszentren haben sich auf Accessories wie Knöpfe, Reißverschlüsse oder Spitze spezialisiert.

Bareilly
im nördlichen Staat Uttar Pradesh ist für seine aufwendige Stickerei bekannt, die von Hand angefertigt wird und weltweit gefragt ist. Besonders Zari-Arbeiten – komplizierte Stickmuster mit Goldfasern – werden für festliche Bekleidung auf Hochzeiten bis zur Ausstattung in Bollywood-Filmen verwendet. "Der Umsatz der Zari-Produktion liegt bei rund 175 Crore Rupien (28,3 Millionen US-Dollars). Die Hauptmärkte sind die VAE, Europa und die USA. Exporteure von dort [Ausland] lassen hier [in Indien] herstellen und exportieren es in andere Länder weiter”, sagte Exporteur Gopal Agarwal aus Bareilly.

Kinderarbeit und Bildung

Leider ist die Zari-Stickerei auch einer der Bereiche, in denen Kinderarbeit weit verbreitet ist. Wegen ihrer kleinen, flinken Finger werden Kinder bevorzugt für diese Art von Arbeit eingesetzt, normalerweise unter beengten und erdrückenden Bedingungen. “Kinder spinnen Fäden/Garn, sticken, nähen Perlen an und nähen Fußbälle zusammen” bestätigt der Bericht des US-Arbeitsministeriums “2012 Findings on the Worst Forms of Child Labor”. “Zusätzlich zu langen Schichten in beengten, schlecht beleuchtete und belüfteten Räumen können Kinder in der Herstellung auch schädlichen Chemikalien, gefährlichen Maschinen und Handwerkszeugen ausgeliefert sein. Solche Berufsrisiken führen zu Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Hörschäden, Hautkrankheiten, Atemproblemen und Missbildungen der Finger”, heißt es weiter im Bericht.

Obwohl die Schulbildung kostenlos und bis 14 Jahren in Indien vorgeschrieben ist, ist die tatsächliche Situation ähnlich der in Bangladesch, wo viele Eltern einfach nicht das Geld für Schulbücher, Schuluniformen und ähnliches aufbringen können und deshalb die Schulbildung wenn nicht aller Kinder, dann zumindest ihrer Töchter, abbrechen müssen.

Englisch
wird als Mittel gesehen, um Berufsaussichten zu verbessern, und obwohl Hindi die offizielle Sprache der Regierung ist, hat Englisch den Status einer zweiten offiziellen Sprache eingenommen und wird besonders im Geschäftsleben, in der Verwaltung und dem höheren Bildungswesen eingesetzt, was Indien einen Vorteil gegenüber China und anderen asiatischen Ländern verschafft hat. Auch das im Alltag gesprochene Hindi, Gujarati, Marathi oder eine andere der 21 offiziellen regionalen Sprachen des Landes ist großzügig mit englischen Worten und Redewendungen durchzogen, so dass es die Kommunikation auch auf Fabrikebene zumindestest ein bisschen erleichtert.

Abschließend lässt sich feststellen, dass Indien immer noch unübertroffen ist, was die Vielfalt der angebotenen Produkte angeht. Mit einer Unzahl von Farben, Ausführungen, Mustern, Stoffen und Stickereien sind indische Kleidungsstücke nicht nur ein visueller sondern auch ein fühlbarer Genuss. Sobald Industrieverbände wie der Apparel Export Promotion Council (AEPC) vorgeschlagene Maßnahmen wie Zollbezugsscheine und einen Schwerpunkt auf nicht-traditionelle Märkte umgesetzt beziehungsweise verringerte Exporte von Baumwollgarnen durchgesetzt haben, haben die indischen Bekleidungsexporte das Potential, eines Tages die Textilexporte des Landes zu überflügeln.

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Simone Preuss

Fotos: Made in India / Keith Williamson; Zari-Stickerei auf einem Seidensari / Chandrachoodan Gopalakrishnan; aufwendiger Sari / 1first lady
Bekleidungsexporte
Indien