Guido Maria Kretschmer: „Ich war geflasht von diesem urbanen Gefühl“
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Guido, wie gefällt dir die Fashion Week in Düsseldorf?
Es ist bekannt, dass die Order hier in Düsseldorf besonders gut läuft, obwohl die Fashion Week im Vergleich zu anderen nicht so wahnsinnig groß ist. Was glaubst du woran das liegt?
Düsseldorf hat eine unglaublich große Tradition, natürlich macht Berlin als Standort auch Sinn, Berlin ist einfach ein Hotspot. Früher fuhr man mit 18 nach Holland, heute nach Berlin. Aber ein Label muss auch getragen werden und das ist hier in Düsseldorf, zumindest für mich, der Fall.
„Ich glaube an Düsseldorf“
Ich glaube an Düsseldorf und auch an Deutschland, aber man darf die Kraft von Spanien und besonders von Barcelona nicht unterschätzen. Ich wurde selbst in Spanien ausgebildet und kenne den Markt sehr gut. Er ist für die Mode ja so interessant, weil dort die ganze Produktion stattfindet. Zara, Mango – alles aus Spanien. Das Land ist so jung und trotz der Krise ist die Mode dort einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Deshalb muss ich auch sagen, dass es mich für Barcelona freut, dass die B&B dort hin zurückkehrt, aber es ist auch traurig für Berlin. Berlin ist halt sehr viel Show, ziemlich präsent, Lifestyle pur und natürlich Party, vielleicht ist Barcelona im Vergleich dann doch etwas mehr Business. Deshalb ist sicherlich die Entscheidung für diesen Standort gefallen. In Berlin ist trotzdem jeder kreative Designer gut aufgehoben, heißt: da tummelt sich die Welt. Und ich muss es immer wieder betonen, dass die Außenwirkung, die Berlin im eigenen Land hat, auch verschmäht wird – das muss man ja mal sagen. In Deutschland muss man sich als Designer in Berlin immer bemühen, obwohl das Ausland “Hurra“ schreit. Berlin heißt ja auch oft 'die alte Frau', aber sie ist eben auch eine ganz lebendige und im Ausland wird Berlin als sehr modern empfunden sowie man in Düsseldorf mehr als eine Flughafenstadt sieht. Düsseldorf ist eine Messestadt mit langer Tradition – eine rheinische Frohnatur. Da fühlt man sich wohl und öffnet sich, das finde ich ja auch an dem ganzen Fashion District so super. Der ist clean und modern, fast wie in London. Düsseldorf ist international, strategisch gut gelegen und bietet so viele neue Bereiche – den Hafen, die City. Ich bin jetzt zum ersten Mal auf der anderen Rheinseite im Hotel und ich war geflasht von diesem urbanen Gefühl. Ich dachte “das ist ja abgefahren hier in der City, nicht mal ein Baum steht hier.“
Ja, das liegt aber daran, dass die Hälfte der Bäume beim Sturm umgefallen ist – da war mal mehr.
“Ach ja Mensch“, dachte ich “ich war gerade noch in New York, Highline und so, da wird ja jetzt oben alles begrünt und hier in Düsseldorf“ ... naja, aber auch hier an der Uferpromenade steht ja nicht mehr viel, vielleicht muss man das so machen wie in Paris, da haben die Sand aufgeschüttet und da gibt es jetzt Badeschiffe. Das wäre doch toll, so richtig aus Beton. Ich hab ja immer das Gefühl, wenn da mal einer reinfällt in dieses Hafending, da kommst du nie wieder raus und schwimmst vermutlich bis nach Gelsenkirchen – ne, wie heißt denn da der Hafen? – Duisburg. Bis nach Duisburg schwimmt man dann.
Ja, das wird tatsächlich so kommen. Ich hab ja auch schon mit 'Endemol' gearbeitet und die haben dann bei mir angefragt, ob ich denn Holländisch spreche. Dadurch, dass mein Freund Holländer ist, wir schon seit fast 30 Jahren zusammen sind und ich aus der Nähe von Münster komme, bin ich auch relativ Holland-affin. Erstaunlicherweise verkaufe ich in Holland auch sehr gut und deshalb ist das jetzt auch der Plan, dass ich in den Benelux-Ländern etwas aktiver werde. Ich hatte früher schon einige holländische Kunden, weil ich immer diese Couture-Shows auf den Kreuzfahrtschiffen, wie der MS-Europa, hatte. Da sind häufig sehr viele belgische und niederländische Kunden dabei gewesen, klar – die starben dann auch langsam mal so weg, muss man sagen, aber das sind eben gut ordernde Kunden gewesen. In Holland gibt es auch einen extrem differenziertes Kaufgefühl, eher hochwertig, sehr traditionell – sehr luxusverliebt. Dann gibt es aber auch 'günstig, günstig – Import, Export', in Holland hat man halt beides. Holland wird als Markt oft unterschätzt, glaube ich. In Deutschland denkt man ja “ach die Holländer mit ihren Wohnwagen, es muss immer alles schnell gehen und das Essen ist auch nicht so toll. Wenn sie Albert Heijn nicht hätten, wären sie schlecht dran.“ Ja, bei Holland hat man immer viele Vorurteile, aber wenn man erst mal da ist, denkt man “ach, ist ja doch ganz lecker“ und so ist es auch mit der Mode. In Holland hat man einen extrem guten Street-Style, auch durch die Anbindung an Skandinavien. Manchmal hat man da Frauen, die wie Textil-Verweigerinnen aussehen, es aber gar nicht sind, aber die, die Geld haben, sind extrem konsumfreudig und auch sehr qualitätorientiert. Und deshalb glaube ich, dass der holländische Markt, gerade für mich, super ist. Ich weiß aber auch von anderen befreundeten Unternehmen, die dort zum Teil riesige Umsätze machen, obwohl das ja nur so wenige Menschen dort sind. Ich muss wirklich sagen, dass ich ein großer Holland-Fan bin, ich habe sehr gute Freunde dort, bin aber leider viel zu selten da.
„Zähne sind da gut gemacht, die können gut beißen und kauen“
Das ist schade, dabei sind die Holländer sind doch so nett...
Ja eben. Die sind immer so entspannt, haben diese schönen blauen Augen, manchmal auch gerne viele Zähne – ja, Zähne sind da gut gemacht, die können gut beißen und kauen, sind aber auch wahnsinnig lässig. Und ich mein, was mir ja auch so gut gefällt, dass Holland kein 'Musterland' der Welt ist – in Holland gibt es viele Probleme. Man dachte ja “och, die liberalen Holländer“, aber wenn man sieht wie traurig das ist, dass auch Holland so ein bisschen rechts gesprungen ist, dann sieht man „ach, selbst in Holland muss man aufpassen“. Das ist für mich ein guter Indikator gewesen, um zu sagen “ach, guck mal an Europa, wenn sogar die Holländer schon anfangen, dann müsst ihr anderen Länder aber richtig wach sein“. Und das sieht man ja auch sehr schön, was die Welt gerade tut. Wenn man sieht, was in Russland passiert, dann weiß man sehr wohl, wie wichtig es ist, die Fahne von Freiheit und Toleranz hochzuhalten. Und das gilt auch für die Mode, muss man sagen.
So Guido, zum Schluss darfst du noch meckern, was würdest du an der Düsseldorfer Fashion Week verbessern?
Also ich finde es hier gerade sehr heiß, das mit der Ventilation bekommen die in Berlin ja gut hin. Aber ansonsten ist das alles Gewohnheitssache, wir haben sonst andere Mädchen und hier bekommt man so ein Package und muss sich dann bedienen, das ist halt ein bisschen schwieriger.
Bist du also unzufrieden mit den Mädchen?
Nein, nein, nein, aber ich bin schon sehr abhängig von den Mädchen, ich brauche sie als meine Partnerinnen. Sie sind diejenigen, die die Show machen und deshalb wähle ich auch immer ganz bewusst die Mädchen aus, die entspannt sind. Das ist sicher ein bisschen neu für uns und alles ist ein bisschen kleiner geraten, aber meine Leute sind hier in Düsseldorf happy, alle sind so nett hier, man muss sich einfach vertrauen. Wir hatten ja dieses Jahr so einen schwierigen Haarlook, aber ich hab mich total gefreut, dass alles so gut geworden ist. Das Wichtigste ist sowieso, dass im Publikum Menschen sitzen, die bereit sind, Mode zu sehen, ob man die Teile gut oder schlecht findet, das ist eine andere Sache. Es muss einfach Raum für Mode da sein. Mode braucht eine stille Fläche und es ist egal, ob das in Paris, London oder Pusemuckel ist. – Das kann auch in Buxtehude gegeben sein. Ich glaube, dass man das hier in Düsseldorf wirklich gut hinbekommt.