Bangladesch: allzeit bereite Kleidung hat ihren Preis
Von FashionUnited
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Im Finanzjahr
Fast 90 Prozent aller Exporte gehen nach Europa und Nordamerika
Die meisten von Bangladeschs Bekleidungsexporten (fast 60 Prozent) gehen in die Europäische Union (siehe Tabelle), während 23 Prozent in den USA landen und fünf Prozent in Kanada. Die restlichen 12 Prozent gehen in sogenannte nicht-traditionelle Märkte wie Australien, die Türkei, Japan, Russland und Südafrika. Besonders die letzten drei haben sich als stabiles, alternatives Exportsziel herausgestellt, auch wenn sie in Bezug auf ihr Volumen noch weit hinter den traditionellen Märkten liegen.Die hohe Exportrate in die EU ist teils auf das “Everything but Arms”-Freihandelsabkommen zurückzuführen, das keine Restriktionen und Zölle auf Importe aus Bangladesch erhebt – eine Einsparung von rund zehn Prozent für europäische Einkäufer verglichen mit Importen aus China oder Indien. Die USA führte 2009 dementsprechend ein Gesetz zur Zollermäßigung für Entwicklungsmärkte ein und räumt daher von 2009 bis 2019 Bangladesch und 13 anderen “am wenigsten entwickelten Ländern zollfreien Zugang für Kleidung ein, die in diesen Ländern genäht und in die USA exportiert werden”.
Dies hat Bangladesch immens geholfen, seine Bekleidungsexporte auf das jetzige Niveau zu bringen. Das Auslaufen des Multi Fibre Arrangements (MFA) am 1. Januar 2005 gab der Branche einen zusätzlichen Auftrieb, da von 1974 bis 2004 Entwicklungsländer wie Bangladesch an bestimmte Exportquoten gebunden waren, die sie nicht überschreiten konnten und damit die Steigerung des Handelsvolumens behinderten.
Löhne, ein zweischneidiges Schwert für Bangladesch
Eine der Stärken des Landes ist auch seine größte Schwäche – extrem niedrige Löhne. Mit rund 38 US-Dollar pro Monat verdienen Bekleidungsarbeiter in Bangladesch im weltweiten Durchschnitt am wenigsten. Obwohl Bangladesch so die Konkurrenz ausstechen kann, hat dieser Sieg einen hohen Preis – die Gesundheit und das Leben der Arbeiter. Diese verdienen nicht nur zu wenig, um sich und ihre Familien zu ernähren, was zu labiler Gesundheit, Krankeit und häufigen Fehlzeiten führt, die Gewinnmargen sind auch so hauchdünn, dass Sicherheitsvorkehrungen ganz am Ende einer langen Liste von zu bestreitenden Ausgaben stehen.Wie niedrig die
Aktuelle Tragödien, die das Leben Hunderter Bekleidungsarbeiter gekostet haben, wie der Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes im April dieses Jahres und dem Brand bei Tazreen Fashion im November 2012 haben die Problematik der Fabrik- und Arbeitersicherheit auf die internationale Agenda gebracht. Anstrengungen wie das Abkommen zur Brand- und Gebäudesicherheit in Bangladesch, das inzwischen mehr als 100 internationale Marken und Einzelhändler unterzeichnet haben, sind ein erster Schritt und eine potentielle Vorlage für ander Länder.
Kinderarbeit ist immer noch verbreitet
Kinderarbeit ist ein weiteres Problem, das es zu bewältigen gilt. Obwohl Bangladesch im Jahr 2012 mäßige Anstrengungen gegen die schlimmsten Formen von Kinderarbeit unternommen hat, zum Beispiel den durch die Regierung genehmigten landesweiten Aktionsplan zur Beendung von Kinderarbeit (NPA), bleibt die Situation jedoch ernst. Der Bericht “Findings on the Worst Forms of Child Labor” des US-Arbeitsministeriums aus dem Jahr 2012 fand heraus, dass in Bangladesch 10,1 Prozent aller Kinder zwischen 5 und 14 arbeiten – das sind mehr als 3,7 Millionen Kinder. Besonders im informellen Sektor sind Kinder “Lärmbelästigung, extremen Temperaturen, gefährlichen Werkzeugen und Maschinen und Staub ausgesetzt”, so der Bericht.Obwohl die Schulbildung im Grundschulbereich (von 5-10 Jahren) vorgeschrieben und kostenlos ist, tun sich doch gerade Familien mit sozioökonomisch schwachem Hintergrund schwer, selbst für Grundbedürfnisse wie Schulbücher, Schuluniformen und anderes aufzukommen und sind deshalb oft gezwunden, die Schulbildung ihrer Kinder abzubrechen. Dementsprechend ist Bangladeschs Alphabetisierungsrate niedrig – 61,3 Prozent für Männer und 52,2 Prozent für Frauen (2010).
Bengali ist die offizielle Landessprache Bangladeschs und wird von rund 98 Prozent der Bevölkerung gesprochen; Englisch ist bei der Mittel- und Oberschicht als Zweitsprache weit verbreitet und wird auch im Hochschul- und Justizwesen gebraucht.
Konzentration von Arbeitern und Fabriken
90 Prozent der vier Millionen Arbeiter, die von der Bekleidungsindustrie beschäftigt werden, sind Frauen. Der Konfektionssektor hat der Beschäftigung von Frauen großen Auftrieb gegeben, da weibliche Migranten aus ländlichen Gebieten es geschafft haben, hier zwischen anderen limitierten oder exklusiven Möglichkeiten in der Landwirtschaft oder dem formellen Sektor in den Städten Arbeit zu finden.Die meisten der 4.500 bis 5.000 Bekleidungsfabriken befinden sich in einem 30 bis 40 Kilometer Radius um die Hauptstadt Dhaka herum in Bekleidungszentren wie Ashulia, Savar und anderen. Chittagong im Südosten ist die zweitgrößte Stadt Bangladeschs und ein wichtiger Hafen für Waren wie Konfektionsbekleidung, Strickwaren, Jute und Juteprodukte und Leder und Lederprodukte.
Verantwortliche Beschaffung und Produktion in Bangladesh
Abschließend sollte nicht vergessen werden, dass es für jede Unglücksfabrik, die in den Nachrichten gezeigt wird, mindestens eine gibt, die sicher, sauber und verantwortlich geführt wird. TEB Fashion International, ein Bekleidungsunternehmen mit Sitz in der Türkei zum Beispiel, hat eine unabhängige Produktionseinheit in Bangladesch, die ihren 400 Arbeitern drei warme Mahlzeiten am Tag stellt, Löhne zahlt, die 50 Prozent über dem Mindestlohn liegen und sogar Krankenversicherung und Kinderbetreiung anbietet. Regelmäßige Brandschutzübungen sind ebenfalls an der Tagesordnung.FashionUnited sprach mit Huseyin Guller, Vertriebs- und Designchef bei TEB, darüber, wie man trotz Investitionen in die Sicherheit der Arbeiter wettbewerbsfähig bleiben kann. “Es gibt sehr gute Betriebe in Bangladesch,” bestätig Guller und fügt hinzu: ““Wir möchten ein Beispiel für andere Unternehmen sein” und bleibt damit dem Firmenmotto “kümmere dich um deine Arbeiter und du wirst die beste Qualität bekommen” treu. Deshalb sucht TEB nicht nach Arbeitssklaven sondern verantwortungsbewussten Arbeitern, denen man vertrauen kann und die ebenso ihrem Arbeitgeber trauen können.
“Bengalische Arbeiter neigen dazu, Angst vor den Auftraggebern zu haben … und müssen lernen, an sich selbst zu glauben. Dies kann durch Training erreicht werden, außerdem arbeiten sie sehr hart. Sie glauben aber eher an Aufträge mit kurzen Laufzeiten, statt langfristig zu planen. Das Vertrauen in die Auftraggeber reicht nicht aus, sie müssen auch ihrem Arbeitgeber vertrauen”, weiß Guller. In Bezug auf die zukünftige Verbesserung der Sicherheit aller Fabriken müssen “die Auftraggeber nach Betriebsprüfungen fragen und ihre eigenen Kontrollen durchführen”, betont Guller, besonders in “Risikoländern” wie Bangladesch.
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Simone Preuss
Fotos: Noricum; TEB Fashion International in Dhaka
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