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Äthiopien: ein neuer Stern am Beschaffungshimmel

Von FashionUnited

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Mode-Nachrichten

Aus dem Weg Bangladesch, hier kommt Äthiopien! Angesichts des derzeitigen Wirbels um Äthiopien als aufkommendes textil- und bekleidungsherstellendes Land könnte man meinen, dass Äthiopien auf dem besten Weg ist, ein zweites Bangladesch zu werden.

Ob dies tatsächlich so ist, hat FashionUnited einmal genauer untersucht.

Wie Bangladesch hat Äthiopien eine hohe Bevölkerungszahl und ist mit 93,8 Millionen Menschen nach Nigeria das bevölkerungsreichste afrikanische Land. Den beiden Ländern gemeinsam ist auch ihre junge Bevölkerung, hat Äthiopien doch

über 40 Prozent junge Leute unter 15; in Bangladesch ist dieser Anteil 34 Prozent. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung sind daher in Äthiopien zwischen 15 und 64 Jahre alt beziehungsweise über 60 Prozent in Bangladesch. Niedrige Löhne sind ebenfalls verbreitet; ein durchschnittlicher Monatslohn bewegt sich in Äthiopien um 25 US-Dollar herum.

Von 2004 bis 2009 zeigte Äthiopien ein starkes Wirtschaftswachstum von 10 Prozent pro Jahr, welches das Land laut dem IWF zu einem der schnellsten wachsenden Länder der Erde machte. In den letzten fünf Jahren hat sich dieses Wachstum durch einen geringeren externen Bedarf und einen privaten Sektor, der noch nicht vollständig für internationale Aktivitäten geöffnet ist, auf 7 Prozent verlangsamt. Eine hohe Inflationsrate plagte das Land zwischen 2006 und 2013 und erreichte im Juli 2008 sogar ein Rekordhoch von 64 Prozent, scheint sich inzwischen mit rund 8 Prozent aber beruhigt zu haben.

Äthiopien ist eines der vielversprechendsten afrikanischen Länder

Angesichts dieser Faktoren, die für Äthiopien sprechen, ist es nicht verwunderlich, dass das Land für internationale Unternehmen in Bezug auf Ressourcen, Wachstum, Potential und Investitionsmöglichkeiten als eines der vielversprechendsten Länder Afrikas gilt.

Derzeit hängt die Wirtschaft Äthiopiens hauptsächlich von der Landwirtschaft ab, die 85 Prozent der gesamten Beschäftigung bereitstellt und fast 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Es gibt Bemühungen von Seiten der Regierung, dies zu ändern und die Textil- und Bekleidungsbranche ist dabei einer der wichtigsten Sektoren. Der Wachstums- und Transformationsplan sieht sogar Einkünfte durch Textilexporte in Höhe von einer Milliarde US-Dollar für 2014-15 und die Schaffung von 40.000 neuen Arbeitsplätzen voraus.

Für das laufende Finanzjahr 2013-14 visiert die Regierung ein Exportziel von 500 Millionen US-Dollar an, was angesichts der Zahlen vom Vorjahr ambitioniert erscheint. Die Exporte erreichten für das Gesamtjahr 99 Millionen US-Dollar beziehungsweise für das erste Quartal 2013-14 29 Millionen US-Dollar (kein Vergleich zu Bangladeschs Bekleidungsexporten von über 27 Millarden US-Dollar im Jahr 2013). Es waren jedoch im ersten Quartal nur 58 der 110 Textil- und Bekleidungsfabriken des Landes betriebsfähig. Branchenexperten rechnen daher damit, dass die Produktionskapazität für den Rest des Jahres angehoben wird, um näher ans Ziel heranzurücken.

Fassil Taddesse, Präsident des Verbands der äthiopischen Textil- und Bekleidungshersteller (ETGMA), glaubt, dass das Exportziel der Regierung höher ist, als die Kapazität der Textilbranche zulasse. Nimmt man Anfangsschwierigkeiten wie regelmäßige Stromausfälle, eine schlechte Infrastruktur, den Bedarf nach teuren Maschinen aus dem Ausland, und steigende zukünftige Kosten, die die äthiopische Textil- und Bekleidungsindustrie plagen, in Betracht, dann erscheint das Erreichen des Exportsziels tatsächlich zweifelhaft.

Das Potential der Branche ist jedoch für internationale Auftraggeber entscheidend. Die äthiopische Textil- und Bekleidungsindustrie kann zum Beispiel die hochwertige Baumwolle nutzen, die im Land angebaut wird, und den steuerfreien Zugang zu US- und europäischen Märkten. “Wir haben 30.000 Quadratkilometer Fläche, um Baumwolle anzubauen, nutzen aber nur 6 bis 7 Prozent dieser Ressource. Man kann sich das Potential vorstellen, das wir in diesem Bereich haben”, bestätigt Seleshi Lemma, Generaldirektor des Textile Industry Development Institute (TIDI), gebenüber just-style.

Mit der Vision, bis 2014 ein Weltklasseinstitut zu werden, will sich das Entwicklungsorgan der Textil- und Bekleidungsindustrie weltweit bekannt machen. Es sieht seine Aufgabe darin, “der äthiopischen Textilindustrie zu ermöglichen, durch anhaltende Investitionen, Beratung, Training, Forschung, Marketing und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können”.

Zusammen mit den zuvor genannten Faktoren und konkurrenzfähigen Preisen konnte die äthiopische Textil- und Bekleidungsindustrie jüngst einiges Interesse internationaler Akteure gewinnen. Der britische Einzelhändler Tesco, der irische Textildiskounter Primark, der US-Einzelhandelsriese Walmart und das schwedische Fast Fashion-Unternehmen H&M lassen bereits Kleidung in Äthiopien fertigen. Sie haben jedoch ihre Lektion in Bangladesch gelernt und sich vorher von den Arbeitsbedingungen ein Bild gemacht und sie gegebenenfalls verbessert.

“Wir führen immer eine Risikoeinschätzung durch, bevor wir in einen neuen Beschaffungsmarkt investieren. In Äthiopien haben wir eine solche gründliche Analyse erstellt und uns die Menschenrechts- und Umweltbedindungen des Landes angeschaut. Zudem fanden Gespräche mit der Internationalen Arbeitsorganisation, dem schwedischen Amt für internationale Entwicklung und Organisationen vor Ort statt. Wir richten uns nach Kompetenzen wie den Vereinten Nationen und Handelsvorschriften der EU”, sagte H&M-Sprecherin Elin Hallerby.

Das Unternehmen soll angeblich einen Bedarf von einer Million Kleidungsstücken für Äthiopien haben und hat bereits im letzten Jahr erste Testaufträge an äthiopische Unternehmen vergeben. Die Nähe zu Schlüsselmärkten spielte für diesen Schritt eine wichtige Rolle: "Als wachsendes weltweites Unternehmen müssen wir zusehen, wie wir garantieren können, dass wir die Kapazität haben, alle unsere Geschäfte auch bei einem rapiden Expansionswachstum beliefern zu können”, sagte H&M-Sprecherin Camilla Emilsson-Falk. "Wir tun dies, in dem wir die Produktion in bestehenden Produktionszentren steigern und nach neuen Ausschau halten."

Im August letzten Jahres gaben rund 50 türkische Textil- und Bekleidungsunternehmen ihre Verlagerung nach Äthiopien bekannt, um ein Industriegebiet um die Hauptstadt Addis Abeba herum aufzubauen. Der Umzug könnte Einkünfte von zwei Milliarden US-Dollar im Jahr bedeuten sowie die Schaffung von 60.000 Arbeitsplätzen.

Auch wenn Äthiopien noch weit davon entfern ist, ein neues Bangladesch zu werden (oder Afrika zum neuen Asien), stellt sich doch weiterhin die Frage, warum die internationale Bekleidungsindustrie so lange gebraucht hat, diesen unerschlossenen Markt für sich zu entdecken, besonders angesichts der stabilen wirtschaftlichen und politischen Situation des Landes. Angesichts der Bemühungen der äthiopischen Textil- und Bekleidungsindustrie, ihre Produktvielfalt und -kategorien zu erweitern und den Zugang zu diesem bis jetzt noch unentdeckten Markt zu öffnen, können wir sicher zukünftig mehr "Made in Ethiopia”-Produkte in den Geschäften erwarten. Und mit äthiopischen Designern wie Fikirte Addis, Genet Mimi Kebede, Sara Abera und Liya Kebede, die bereits nationale und internationale Laufstege erreichen, wird dies auch für das kreative Potential des Landes gelten.

Fotos: TIDI

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