Bangladesch: Löhne sollen um 77 Prozent steigen
Von FashionUnited
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Nach monatelangen Arbeiterprotesten hat Bangladeschs staatlicher
Lohnausschuss vorgeschlagen, den monatlichen Mindestlohn von derzeit 3000 Taka (30 Euro) auf 5300 Taka (50 Euro) zu erhöhen.Als zweitgrößter Bekleidungsexporteur der Welt nach China ist Bangladeschs größter Wettbewerbsvorteil der niedrige Mindestlohn. Eine ständige Kürzung der Gewinnspanne ging jedoch für Bangladesch nach hinten los – die Bekleidungsindustrie litt unter einer Reihe von Fabrikunglücken, die Hunderten von Arbeitern das Leben kosteten. Zudem ist der derzeitige Mindestlohn nicht genug für eine Arbeiterin, sich selbst, geschweige denn ihre Familie zu ernähren. Unternährung, Krankheiten und Fehlzeiten sowie mangelnde Arbeitsleistung sind die Folge.
Während die Gewerkschaften, die eine Erhöhung auf 8000 Taka (80 Euro) vorschlugen, glauben, dass der neue Mindestlohn zu niedrig ist, beschweren sich Fabrikbesitzer, er sei zu hoch. Dabei ist der derzeitige Vorschlag ein klarer Kompromiss: "Der Aussschuss hat diesen Betrag vorgeschlagen, um die Realitäten von Seiten der Fabrikbesitzer und Arbeiter zu berücksichtigen”, bestätigte AK Roy, Vorsitzender des Lohnausschusses gegenüber Reuters.
Der Verband der Bekleidungshersteller und -exporteure Bangladeschs (BGMEA) hat zumindest erst einmal den Vorschlag aus Furcht abgelehnt, Bangladesch könnte seinen wichtigsten Wettbewerbsvorteil verlieren. "Wir werden an die Regierung appellieren, unsere Erfahrung zu berücksichtigen und keine Entscheidung aus politischer oder emotionaler Motivation heraus zu treffen” sagte BGMEA-Vertreter Arshad Jamal Dipu.
Die Arbeiter haben inzwischen den wichtigen Einwand gemacht, dass Bangladesch trotz einer Erhöhung des Mindestlohns um 77 Prozent immer noch eines der Länder mit dem geringsten Mindestlohn der Welt gehören würde. "Wir werden die Besitzer bitten, die Erhöhung ohne jeden Einwand umzusetzen, sonst gibt es einen Stillstand des Sektors”, sagte Arbeitervertreter Sirajul Islam Rony.
Bevor sich jedoch irgend etwas ändert, muss die Lohnerhöhung noch von Bangladeschs Arbeitsministerium genehmigt werden. Während der letzten Lohnverhandlungen im Jahr 2010 hatte Ministerpräsidentin Sheikh Hasina eingegriffen und die Arbeiter unterstützt. Das Ergebnis war der jetzige Mindestlohn, der damals etwas über dem Vorschlag des Lohnausschusses lag. Viele Beteiligte erwarten, dass die Ministerpräsidentin auch dieses Mal das letzte Wort haben wird.
Sollte die Entscheidung ungünstig für Bangladeschs vier Millionen Bekleidungsarbeiter ausfallen, könnten Streiks die Folge sein, wie der sechstägige im September, der mehr als 20 Prozent aller Bekleidungsfabriken betroffen hatte und sie wichtige Zeit und Einnahmen kostete.
Internationale Auftraggeber, die gebeten wurden, eine Lohnerhöhung um 77 Prozent aufzufangen, indem sie höhere Preise für die bestellte Ware bezahlen, hatten dies abgelehnt und die Fabriken aufgefordert, ihre eigenen Kosten durch Einsparungen in der Herstellung zu decken. Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, dass dies wieder auf Kosten der Sicherheit und Gesundheit der Arbeiter gehen wird.
Statt sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben, wäre es an der Zeit, dass sich alle Beteiligten - und gerade die Verbraucher - einmal Gedanken über den Wert von Kleidung machten. Schließlich ist die Bekleidungsindustrie die einzige, für die der Index der Verbraucherpreise in den letzten Jahren gefallen ist; für alle anderen ist sie um 63,5 Prozent gestiegen. Im Vergleich ist der Preis für Kleidung um 3,3 Prozent gefallen, was inflationsbereinigt 41 Prozent entspricht. Dies bedeutet, dass ein T-Shirt, für das man 1993 noch 7,50 Euro hinblättern musste, heute nur noch 4,40 Euro kostet! Keine Wunder also, dass diese Abwertung zu einer Wegwerfkultur geführt hat, in der neu kaufen günstiger ist als waschen, ausbessern oder recyceln. Dieses unglaubliche Beispiel sollte Verbraucher nachdenklich stimmen, und uns fragen lassen, ob wir unsere Kleidung, die etliches an Arbeitskraft und Ressourcen gekostet hat, auch genug zu schätzen wissen.
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