Ostbayern sieht schwarz: Offener Brief Frey & Garhammer
Wird geladen...
Sehr geehrte Damen und Herren der Bayerischen Staatsregierung,
Ihre gestrigen Beschlüsse zum weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie in Bayern haben uns bis ins Mark erschüttert. Stand heute bedeutet Ihre Entscheidung, alle bayerischen Landkreise mit 7-Tages-Inzidenzen über 100 im totalen Lockdown zu belassen, dass rund zwei Millionen Menschen weiterhin keine Aussicht auf Lockerungen haben. Alle Experten gehen davon aus, dass die Inziden- zen in den nächsten Wochen ansteigen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass insbesondere unsere Grenzlandkreise in den nächsten Wochen, möglicherweise sogar Monaten, keinerlei weitere Öffnungsschritte zu erwarten haben. Das heißt, unsere Schulen und Kindergärten bleiben zu, die Ge- schäfte geschlossen, gemeinsamer Sport bleibt verboten und kulturelle Einrichtungen sind weiterhin zwangsgeschlossen.
Die daraus entstehenden physischen und psychischen Belastungen für unsere Bevölkerung sind nicht mehr tragbar. Der tägliche bange Blick auf die Inzidenzzahlen zermürbt die Familien und jeden Einzelnen, unsere vielen Unternehmen mit ihren Mitarbeitern stehen Millimeter vor dem endgültigen Abgrund. Die Verzweiflung in unserer Region wird jeden Tag größer, der Unmut über die politischen Entscheidungen ist riesig.
Die Staatsregierung selbst hat festgestellt, dass der Eintrag aus Tschechien und Österreich der Haupt- grund für die hohen Inzidenzen in unseren Landkreisen ist. Die Menschen in unserer Region sind ganz sicher nicht unvorsichtiger oder gehen leichtfertiger mit der Pandemie um. Zudem ist festzustellen, dass in der Grenzregion deutlich mehr getestet wird als in vielen Ballungszentren (z.B. München, Regens- burg). Diesen Faktor, aus dem sich automatisch höhere Inzidenzzahlen für unsere Landkreise ergeben, ignoriert die Staatsregierung völlig.
Die vielen fleißigen Menschen unserer Heimat haben es in den letzten 25 Jahren geschafft, dass sich aus einer einst strukturschwachen, etwas abgehängten und oft belächelten Region ein starker, selbst- bewusster und zukunftsfähiger Landstrich entwickelt hat. Durch den jetzt eingeschlagenen Weg der Staatsregierung sehen wir die Zukunft der gesamten Region akut bedroht. Wir fordern daher Chancen- gleichheit für Alle.
Allein unsere drei Unternehmen beschäftigen 1.250 Mitarbeiter, über 90% davon sind Frauen. Wir unterstützen im Jahr über mehrere Hundert Vereine, soziale, karitative und kulturelle Einrichtungen. Wir sind täglich in Kontakt mit unseren Mitarbeiter*innen, die den Lockdown in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz erleben. Viele dieser Frauen sind durch die Mehrfachbelastung am Ende ihrer Kräfte, sind verzweifelt, fürchten um ihren Job. Ministerpräsident Söder sagte gestern, er verstehe die Enttäu- schung der Menschen – es geht nicht mehr um Enttäuschung, es geht um die Existenz vieler Menschen, wirtschaftlich aber im gleichen Maß auch psychisch.
Sehr geehrte Damen und Herren der Staatsregierung, die Menschen dafür zu bestrafen, dass sie in Grenznähe wohnen, ist nicht akzeptabel. Hören Sie auf, mit zweierlei Maß zu messen. Viele Betriebe unserer Region waren seit Beginn der Pandemie keinen einzigen Tag geschlossen – zum Glück. Aber unsere Unternehmen im Handel waren vier der letzten 12 Monate komplett zwangsgeschlossen, in vielen anderen Bereichen wie der Gastronomie und Hotellerie sieht es noch schlimmer aus.
Wir alle, die betroffenen Unternehmen, Tausende Mitarbeiter, Tausende unserer Kunden und die ge- samte Bevölkerung der Region haben trotzdem den Kurs der Staatsregierung solidarisch mitgetragen und so unseren gesamtgesellschaftlichen Beitrag zur Überwindung der Pandemie geleistet.
Aber jetzt können wir nicht mehr. Sie lassen uns im Stich, Sie sind dabei, die Menschen unserer Region zu verlieren. Wir rufen Sie deshalb eindringlich dazu auf, der Bevölkerung in Landkreisen mit einer Inzidenz über 100 eine Hoffnung zu geben. Gestern waren 13% der bayerischen Bevölkerung be- troffen, heute sind es schon über 15% und in den nächsten Tagen wird der Anteil der Landkreise, die wieder komplett dicht gemacht werden, weiter steigen.
Geben Sie uns eine Perspektive, für unsere Kinder, für unsere Unternehmen, für die gesamte Bevölke- rung. Erlauben Sie den Menschen und Unternehmen, Ihre Arbeit zu machen und Kindern, Kita und Schule zu besuchen. Natürlich mit den richtigen Schutzmaßnahmen und einem ausgefeilten Hygiene- konzept. Lassen Sie unsere Region nicht sterben!!