Luca de Meo: Der Automobil-Veteran, der Kering zu neuem Glanz verhelfen soll
Die Spitzenposition beim Luxuskonzern Kering ist begehrt, aber sie steht auch derzeit wie kaum eine andere im Rampenlicht der Modeindustrie. Ab kommender Woche bekleidet Luca de Meo diese Rolle. Ein Blick in seinen Lebenslauf verrät, dass der bisherige Automobil-CEO nicht nur Fingerspitzengefühl für Marken hat, sondern auch ein Faible für kreative Ideen und schicke Anzüge.
Leidenschaft als Beruf
Schon als Kind sei er besessen von Autos gewesen, erzählt der 1967 in Mailand geborene Luca de Meo gerne. Aber erst das Studium an der renommierten Mailänder Universität Bocconi öffnete dem Jungen mit Wurzeln in der süditalienischen Region Apulien “ohne viele Möglichkeiten” viele Türen, sagt er in einem im Mai veröffentlichten Podcast seiner Alma Mater.
Nach einer Abschlussarbeit über Wirtschaftsethik macht der BWL-Student seine Leidenschaft zum Job und beginnt 1992 seine mehr als dreißigjährige Karriere in der Autoindustrie – und zwar in der Marketing-Abteilung des französischen Autoherstellers Renault.
Dort hält es den umtriebigen Manager nicht lange, seine nächste Station führt ihn als Manager für Produkt und Planung zum japanischen Autokonzern Toyota. Danach geht er zum Autobauer Fiat Chrysler, wo er die Marken Fiat, Lancia und Alfa Romeo leitet und Marketing-Chef der Fiat Gruppe wird.
Über die Jahre wächst sein Image als Markenexperte und mit jedem weiteren Jobwechsel klettert er weiter die Karriereleiter hoch: Von 2009 bis 2012 arbeitet er als Chief Marketing Officer bei der deutschen Volkswagen-Gruppe und für Audi, ab 2015 als CEO bei Seat in Barcelona.
Erfolgreiche Wechsel
Seine beruflichen Wechsel scheinen mit seiner Vorliebe für Veränderungen zusammenzuhängen und den Chancen, die sie mit sich bringen. „Ich habe das auch immer versucht und es ist etwas, was ich jedem rate: Veränderungen bieten dir die richtigen Voraussetzungen, um dich immer weiter nach oben zu bewegen”, sagte der ehemalige Renault-CEO in einem Gespräch mit Influencer Romain Lanéry, das als Video vor fünf Jahren auf dem offiziellen Youtube-Kanal von Renault veröffentlicht wurde.
Ein Kreis schließt sich für den ehrgeizigen Manager, als er wieder zu seinem allerersten Arbeitgeber Renault zurückkehrt. Ab Juli 2020 wird er Chef des Autokonzerns mit einem jährlichen Umsatz von 55 Milliarden Euro und einer Produktion von 3,75 Millionen Fahrzeugen pro Jahr – aber auch einem Verlust von 141 Millionen Euro.
Der Zeitpunkt war ein brisanter – es kriselte im Konzern nicht nur geschäftlich schon länger, noch dazu war sein Vor-vorgänger Carlos Ghosn im Vorjahr in einer filmreifen Aktion von Japan in den Libanon geflohen, nachdem er gegen eine Kaution aus der Untersuchungshaft freikam. Die japanische Justiz hatte Ghosn wegen Untreue und anderen Delikten verhaftet, die Vorwürfe bestreitet dieser noch heute.
Marken-Retter
Nach seinem Antritt bei Renault beginnt Luca de Meo Kosten zu senken und lanciert neue Automodelle. Er erkennt auch die Zeichen der Zeit und entwirft eine Strategie für Elektrofahrzeuge, die die Gründung des eigenen Unternehmens Ampere beinhaltet. In seiner Amtsperiode schrieb Renault wieder schwarze Zahlen, der Aktienpreis verdoppelte sich.
Neben der erfolgreichen Wiedereinführung des Automodells Fiat 500 und des Cupra-Modells bei Seat festigt vor allem das jüngste Kapitel beim französischen Autokonzern die Reputation von Luca de Meo. Sein Ruf, Marken zu retten und zu lancieren, scheint nun auch weit über die Autobranche hinaus Anklang zu finden.
„Er hat seine Fähigkeiten bei der Leitung großer Transformationen in den von ihm geführten Unternehmen unter Beweis gestellt”, sagte Noch-Kering-Chef Francois-Henri Pinault während einer Analyst:innen-Konferenz nach der Berufung des künftigen CEOs. Er schätzt auch den Innovationswillen des Managers, der seines Erachtens hervorragend zu den Aufgaben bei Kering passt.
„Luca verfügt über eine 360-Grad-Strategie, die Kund:innenverständnis, Marketing, Markenbildung, Lieferketten-Finanzierung und Technologie umfasst”, schwärmt Pinault während des Calls.
Hochbezahlt
Diese Expertise lässt sich der angeschlagene Luxuskonzern Kering auch einiges kosten. Der neue Geschäftsführer Luca de Meo soll gleich zum Antritt eine Prämie von 20 Millionen Euro – 15 Millionen in bar und 5 Millionen Euro in Form von Kering-Aktien – bekommen. Diese sollen ihn für seine verlorenen Ansprüche auf langfristige variable Vergütungsbestandteile in Form von Aktien bei Renault kompensieren.
Sein jährliches Festgehalt liegt bei 2,2 Millionen Euro brutto. Hinzu kommt eine variable Vergütung, die 2026 beim Erreichen von Zielen 4,84 Millionen Euro betragen soll und wenn diese übertroffen werden, sogar auf 6,6 Millionen Euro ansteigen kann. Die Ziele, die Luca de Meo erfüllen muss, werden erst im ersten Quartal des kommenden Jahres festgelegt. Erst müssen die Kering-Aktionär:innen noch der Vergütung und Prämie am Dienstag zustimmen, sowie den neuen CEO bestätigen.
Ab dem 15. September muss der 58-jährige Mailänder dann unter Beweis stellen, ob sich seine bei der Transformation von Automarken gesammelte Erfolgsbilanz auf die Modeindustrie ummünzen lässt. Es kriselt beim französischen Luxuskonzern, Erlöse und Gewinn brachen im vergangenen Halbjahr weiter ein. Grund sind die Probleme des einstigen Zugpferdes Gucci.
Nach den Boomjahren, in denen der frühere Kreativchef Alessandro Michele einen Trend nach dem anderen setzte, verflog die Anziehungskraft der Marke. Ihr Umsatz sank von vier auf drei Milliarden Euro im vergangenen Halbjahr. Auch bei den anderen Konzernmarken wie Yves Saint Laurent gingen die Erlöse zuletzt zurück.
Eine neue Vision für die Luxusmode
Die Probleme von Kering sind nicht nur hausgemacht, nach Jahren des Wachstums und angesichts einer zurückhaltenden Konsumlaune befindet sich die Luxusindustrie in einer Selbstfindungsphase. In dieser Situation erhofft sich der Kering-Aufsichtsratschef Francois-Henri Pinault nicht nur, dass sich de Meo mit Kostensenkungen und Schuldenabbau beschäftigt.
Das seien nur kurzfristige Maßnahmen, vielmehr erhofft er sich von dem Automobilveteran eine Zukunftsvision für den Luxuskonzern und die Modebranche, sagte Pinault bei der Telefonkonferenz im Juni. Wie könnte das Profil von Kering in den nächsten zehn bis 15 Jahren aussehen? „Der Blick über die Grenzen der Branche hinaus war nicht nur für den Konzern wichtig, sondern auch für die aktuelle Situation dieser Branche”, sagte Pinault über die Wahl von de Meo.
Vor großen Visionen scheute sich dieser noch nie. Bei Renault präsentierte er in den vergangenen Jahren Pläne mit großen Namen wie "Renaulution" oder "Futurama". Vor der Europawahl im vergangenen Jahr verfasste er als damaliger Präsident der europäischen Automobil-Lobby ACEA einen Brief an Europa mit einem Plädoyer für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Automobilindustrie, übersetzt in zwölf Sprachen.
Brancheneuling als CEO
Auch wenn die Wahl eines Automobil-Managers zunächst ungewöhnlich erscheint, ist es nicht das erste Mal, dass sich ein Luxusmodehaus für eine Führungskraft von außen entscheidet. Vor vier Jahren wählte Chanel Leena Nair als Geschäftsführerin. Sie arbeitete zuvor fast 30 Jahre beim Konsumgüterkonzern Unilever mit einem Sortiment, das von Cornetto-Eiscreme bis zu Zahncreme von Pepsodent reicht. Pietro Beccari, derzeitiger Geschäftsführer der Luxusmarke Louis Vuitton, begann seine Karriere ebenfalls bei Konsumgüterunternehmen wie Benckiser und Henkel.
In der Autoindustrie galt de Meo immer als etwas bunter als die grauen Technokraten. Er war dort nicht nur für sein Feingefühl für Marken bekannt, sondern auch für ausgefallenere Präsentationen auf Branchenevents, schreiben Fachmedien. Es wird ihm nachgesagt, dass er eine Vorliebe für schicke Anzüge habe und de Meo soll sich verschiedenen Zeitungsberichten zufolge schon seit längerem für eine Position in der Luxusindustrie offen gezeigt haben. Vielleicht schlug neben seiner Leidenschaft für Autos, schon immer insgeheim ein Herz für die Mode?
Komplexe Aufgabe
Näheres über seine Pläne für Kering und über seine Visionen für die Modeindustrie sollte in den kommenden Monaten bekannt werden. Einer Präsentation von Kering zufolge soll er bald nach Amtsbeginn eine Organisationsstruktur mit der Besetzung von Schlüsselrollen vorstellen, gefolgt von einem langfristigen Strategieplan im Laufe des kommenden Jahres.
Die Renault-Aktie hat sich bisher von ihrem Tiefpunkt seit dem Bekanntwerden des Weggangs von de Meo am 16. Juni nicht erholt. Die Aktien von Kering stiegen seitdem um mehr als ein Drittel, trotz durchwachsener Halbjahreszahlen. Bekanntlich bilden Börsen die Werte der Zukunft nach. Und im Fall von Kering scheinen die Wertpapiere – ebenso wie der künftige Geschäftsführer – Zuversicht darin zu haben, dass dieser komplexe Aufgaben zu lösen vermag.
„Je komplizierter Probleme zu lösen sind, desto mehr Spaß habe ich”, sagt de Meo auf Renaults Youtube-Kanal. „Je mehr ich Dinge lernen kann, die ich noch nicht weiß, desto mehr Spaß macht es mir.“
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