François-Henri Pinault: Der Erbe, der Stratege und seine Schattenseiten
„Erbe zu sein bedeutet nicht, ein Vermögen zu verwalten, sondern es zu transformieren.“
Dieser Satz stammt von François-Henri Pinault. Selbsterfüllende Prophezeiung oder Leitlinie, er fasst seinen Werdegang zusammen. Den eines Sohnes, der das Werk seines Vaters nicht nur fortgeführt, sondern grundlegend verändert hat, dass er dessen eigentliche Natur gewandelt hat. Während François Pinault ein Vertriebsimperium aufgebaut hatte, wählte sein Sohn den wohl schwierigsten Weg für dessen Zukunft: die geduldige Demontage der Säulen, um es rund um den Luxus neu zu errichten.
Diese Entscheidung war nicht selbstverständlich. Als François-Henri Pinault 2005 die Leitung von Pinault-Printemps-Redoute (PPR) übernahm, galt die Gruppe als solide, gestützt von bekannten und profitablen Marken wie Fnac, Conforama, Redcats oder Printemps. Doch hinter dieser prosperierenden Fassade waren die Margen gering, die Schulden hoch und der Vertrieb zeigte bereits seine Schwächen. Pinault Junior erkannte dies früh. Um zu bestehen, musste er das Unternehmen neu erfinden.
Vom Printemps zu Gucci: die geschickte Neugestaltung eines Imperiums
Die Entscheidung fiel: Es sollte ein Bruch sein, sowohl geschäftlich als auch familiär. Indem er sich schrittweise von Fnac, Conforama und La Redoute trennte, legte François-Henri Pinault das materielle Erbe seines Vaters ab – jene Marken, die das Familienvermögen begründet hatten. Er führte die Gruppe in einen enger abgesteckten, aber äußerst anspruchsvollen Bereich: den Luxus. „Ich stand vor einer Schlüsselfrage: Soll ich die Dinge so lassen, wie sie unter meinem Vater waren, oder ihnen eine neue Richtung geben? PPR besaß eine vielseitige Mischung von Unternehmen. Die Gruppe musste internationaler und profitabler werden“, sagte er 2014 gegenüber der Harvard Business Review.
Der Luxus bietet eine unvergleichliche Markenstärke, die der Vertrieb nicht erreichen kann. Pinault leitete daraufhin eine spektakuläre Umstrukturierung ein. Parallel zu den sukzessiven Veräußerungen konsolidierte er Marken wie Gucci, Balenciaga, Saint Laurent und Bottega Veneta. Um diesen Neuanfang zu markieren, wurde PPR 2013 zu Kering – ein Kofferwort, das das englische „Caring“ (Fürsorge) mit dem bretonischen „Ker“ (Haus) verbindet. Der Massenvertrieb wich einem selektiven Imperium, getragen von einigen wenigen Megamarken.
Wenn Wert über Volumen steht
Der Mut zahlte sich aus. Zwischen 2004 und 2014 halbierte sich der Umsatz der Gruppe, die Rentabilität verdreifachte sich jedoch. Weniger Volumen, mehr Wert – darin liegt das Markenzeichen von Pinault. Die Wette schien zunächst ein Widerspruch. Sich von Marken zu trennen, die noch als solide Vermögenswerte galten, und auf Gucci, Bottega Veneta oder Saint Laurent zu setzen? Viele Analyst:innen hielten dies für riskant, beinahe wahnsinnig. Dennoch offenbarte die Strategie eine klare Logik: Wert über Größe zu stellen.
Das erste Jahrzehnt gab ihm Recht. Es war das goldene Zeitalter und Kering erlebte seine besten Jahre. Gucci, getragen von der ästhetischen Revolution durch Alessandro Michele, explodierte und wurde zum Motor der Gruppe. Wachstum und Rentabilität erreichten ein Niveau, das mit dem von Rivale LVMH vergleichbar war. Saint Laurent und Bottega Veneta festigten das Portfolio, während die Schulden unter Kontrolle blieben. Das Pinault-Modell erreichte seinen Höhepunkt: weniger Marken, dafür Megamarken, die Margen und Cashflow in bislang unerreichtem Ausmaß generieren konnten.
Doch diese Vision birgt ihre eigene Zerbrechlichkeit. Während andere Luxuskonzerne ihre Wachstumstreiber diversifizieren – Schmuck, Parfüm, Hotellerie – konzentriert Pinault seine Kräfte nahezu ausschließlich auf Mode und Lederwaren. Solange Gucci Rekorde schreibt, funktioniert die Formel. Schwächelt das Haus, gerät die Gruppe ins Wanken.
Die Pandemie lieferte den ersten Beweis dafür, dass das Portfolio zu konzentriert ist. Ab 2022 verlor Gucci gegenüber den großen Luxusmodemarken Louis Vuitton, Dior oder Hermès an Boden. 2025 folgte der jähe Einbruch: rückläufige Umsätze, sinkende Gewinne, steigende Schulden.
Die zukünftige Richtung scheint aher nun klar, denn um wieder Dynamik zu gewinnen, muss Kering seine Kräfte neu ausbalancieren und sich von der Abhängigkeit von Gucci lösen.
Wer ist François-Henri Pinault? Was für ein Mann, was für ein Stratege?
Eine solche Konzentration ist nicht nur eine Unternehmensentscheidung – sie offenbart, wie Macht ausgeübt wird. Um die Stärken und Schwächen des Kering-Modells zu verstehen, muss man sich mit demjenigen befassen, der es verkörpert. Kering zu verstehen bedeutet zunächst, seinen Geschäftsführer zu verstehen. François-Henri Pinault wollte – oder konnte – sich nie auf die Rolle eines Bilanzmanagers beschränken. Wo andere Finanzrationalität zur Religion erheben, setzte er auf einen unsichereren, aber fruchtbareren Glauben: den an den Mut.
Als er gegenüber der Zeitung Le Monde sagte, dass „alle Funktionen des Unternehmens kreativ sein müssen“, formulierte er eine klare Managementphilosophie. Er fordert von jedem Bereich – vom Finanzwesen bis zur Lieferkette –, dass automatische Lösungen abgelehnt und unerwartete Blickwinkel gewagt werden. Mit anderen Worten, Wert zu schaffen, wo andere nur Einschränkungen sehen und sich in allgemein akzeptierten Vorgehensweisen verlieren. In dieser Vision entsteht Leistung nicht durch mechanische Optimierungen, sondern durch eine produktive Reibung zwischen Strenge und Vorstellungskraft.
Ein vom der Kunst geprägter Erbe
An François-Henri Pinault ist etwas Besonderes, fast im Gegensatz zur kühlen Rationalität seiner Rivalen. Man könnte darin eine Strategie sehen, doch es ist wohl tiefgründiger: eine innere Grammatik, eine Ursprache. Von Kindheit an geprägt durch die Kunstsammlung seines Vaters und früh vertraut gemacht mit den Ideen von Designer:innen, wuchs er mit der Überzeugung auf, dass „Kunst verstören muss“. Eine instinktive Haltung, die auch seinen Wagemut prägt.
Dieses Vertrauen in die Kreativität zeigt sich in der Art, wie er seinen künstlerischen Leitern Raum gibt – ein Vorgehen, das für Finanzanalysten manchmal verwirrend ist. Kreativdirektoren wie Alessandro Michele bei Gucci oder Demna bei Balenciaga konnten radikale Universen aufbauen, weil sie dieses Vertrauen genossen. Unbewusste Treue zum väterlichen Erbe oder bewusste strategische Entscheidung? Die Grenze ist fließend. Doch in dieser Mischung aus Erbe, Intuition und Wagemut liegt die „Pinault-Methode“.
Ein Manager der Talente
François-Henri Pinault bewegt sich in einer Balance zwischen Rationalität und Kreativität, so menschlich wie fehlbar sie sein mag. Ein Geschäftsführer, der Kreativität nie ohne Verantwortung zulässt. Lange bevor „Nachhaltigkeit“ zum Standard wurde, führte er die erste Umweltbilanz der Luxusindustrie ein. 2019 vereinte er zweiunddreißig Marken im Fashion Pact. Kritiker weisen auf die Kluft zwischen Worten und Taten hin, doch Pinault war einer der Ersten, die soziale und ökologische Verantwortung ernst nahmen.
Auch in der Personalpolitik zeigt sich diese Vision von sozialer Gerechtigkeit. Praktika, die „Kindern von Mitarbeitern“ vorbehalten waren, wurden durch eine Ausgleichsregel ergänzt: Für jedes durch Beziehungen vermittelte Praktikum wird eines für Jugendliche aus benachteiligten Vierteln geöffnet. Ein Akt der Gerechtigkeit – oder eine elegante Möglichkeit, ein ungleiches System auszugleichen.
Die Grauzonen: Steuern, Übernahmen und Unternehmensführung
Ein Porträt von François-Henri Pinault wäre ohne seine Schattenseiten unvollständig. Zwischen 2019 und 2023 musste Kering mehr als eine Milliarde Euro an Rechtsstreitigkeiten mit französischen und italienischen Behörden begleichen, die beanstandete Finanzkonstruktionen betrafen. Medienberichte zeigen, dass Pinault frühzeitig auf die Risiken hingewiesen wurde, ohne die Praktiken sofort zu beenden.
Auch seine Übernahmestrategie sorgt für Diskussionen. Während Creed (Parfüm) oder Kering Eyewear als kohärente Diversifizierung gelten, sorgte die Übernahme der amerikanischen Talentagentur Creative Artists Agency (CAA) für sieben Milliarden Euro 2023 für Verwunderung. Visionär für die einen, themenfremd für die anderen, zeigt diese Transaktion den Stil eines Chefs, der von Intuition und Vermögensstrategie geleitet wird.
Schließlich die Unternehmensführung: Zwischen 2018 und 2025 halbierte sich die Marktkapitalisierung von Kering infolge der Abschwächung von Gucci und des chinesischen Marktes. Viele meinen, Pinault habe zu lange gezögert, sich mit einem starken Geschäftsführer zu umgeben. Erst im September 2025 übergab er die Leitung an Luca de Meo, ehemals Renault, um eine Erholung einzuleiten.
Aus diesen Episoden zeichnet sich ein einzigartiger Stil ab. Während Rivalen auf Kontrolle und frühere Beamte setzen, priorisierte Pinault Kreativität und Vertrauen in seine Teams – zum Nachteil institutioneller Schutzmechanismen. Sind die steuerlichen und börsenbedingten Rückschläge die Folge oder der Preis eines instinktgeleiteten Managements? Die Geschichte wird sich an einen Chef erinnern, der im Luxus kreativen Wagemut verkörperte – auch wenn er damit Risiken einging.
Die Herausforderung der Weitergabe
2025 beginnt ein neues Kapitel. François-Henri Pinault bleibt Präsident von Kering, übergibt die Geschäftsführung jedoch an Luca de Meo. Mehr als ein Übergang ist dies die Anerkennung, dass ein Zyklus endet und neue Dynamik notwendig ist. „Wichtig für [meinen Vater] ist die Gewissheit, dass ich mich immer wieder selbst hinterfrage“, sagte er gegenüber Le Figaro. Diese Haltung wendet er nun auf sich selbst an, indem er akzeptiert, in den Hintergrund zu treten und die Zukunft von Kering vorzubereiten.
Sein Einfluss bleibt unvergessen: In zwanzig Jahren verwandelte er einen Vertriebskonzern in ein Luxusimperium, verdoppelte den Umsatz und verdreifachte die Rentabilität. Vor allem aber prägte er eine neue Auffassung von Management, bei der Kunst die Strategie beeinflusst und der Erbe nicht nur bewahrt, sondern neu erfunden wird. Während sein Vater den bretonischen Händler verkörperte, der zum Milliardär wurde, hat François-Henri Pinault sich als Vermittler zwischen Wirtschaft und Kultur etabliert. Diskret, aber wagemutig, hat er Kering für die kommenden Herausforderungen gerüstet. „Jeder hat das Recht, die größten Träume zu haben“, erinnert er gerne. Sein Traum war es, ein Familienerbe in ein globales Luxuskonglomerat zu verwandeln – und das hat er größtenteils erreicht.
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