Warum wir eine neue Generation von Farbstoffen brauchen
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Nach vier Jahren Forschung stellen die Designerin Heleen Sintobin und die Biowissenschaftlerin María Boto Ordóñez eine Übersicht von Farbstoffen in einer Ausstellung im Z33 vor, dem belgischen Hasselt Museum für zeitgenössische Kunst. Ihre Lösung für die umweltschädliche Farbenindustrie? Strukturfarben: keine Pigmente, sondern Strukturen, die sich je nach Lichteinfall verändern.
Im Gegensatz zu Pigmenten sind Strukturfarben keine physischen Farben, sondern optische Effekte. Sie entstehen, weil Licht mit den mikroskopischen Strukturen in einem Material interagiert. In der Natur kommen diese Strukturen in Vogelfedern oder Schmetterlingsflügeln vor.
Die Designerin Heleen Sintobin und die Biowissenschaftlerin María Boto Ordóñez bilden die Strukturen in Federn und Flügeln mithilfe einer synthetischen Form von Hautpigmenten nach, dem Melanin. In einem Labor stellen sie einen Farbfilm her, der auf Textilien, aber auch auf vielen anderen Oberflächen, von Papier bis Metall, aufgetragen werden kann.
Um zu erklären, was Strukturfarben genau sind, zeigen Sintobin und Boto Ordóñez ein Foto eines blauen Schmetterlings. Langsam zoomen sie hinein. In der mikroskopischen Ansicht des Flügels sieht man keine blaue Farbe, sondern eine Reihe winziger Formen, die miteinander verbunden sind. Mit etwas Fantasie erkennt man kleine Schrauben oder sogar Weihnachtsbäume, die unten miteinander verschmolzen sind. Die blaue Farbe ist nirgendwo in den Formen zu sehen: Sie liegt in der Struktur. „Ein Schmetterlingsflügel hat eine dreidimensionale Struktur“, erklärt Sintobin. „Je nachdem, wie das Licht auf diese Struktur fällt, erhält man eine andere Farbe.“
Ein Beispiel, das Sintobin gerne anführt, ist der Panzer eines Käfers. In der Vergangenheit wurden Fossilien von Käfern entdeckt, die 49 Millionen Jahre alt sind. Trotz dieses Alters blieb die Farbe der Käfer, wiederum blau, erhalten. „Die Struktur ist im Fossil enthalten. Man sieht immer noch die Farbe des Käfers“, sagt Sintobin.
Gemeinsam mit Boto Ordóñez hat Sintobin vier Jahre lang an der Genter Kunsthochschule KASK an möglichen Anwendungen geforscht. Die Ergebnisse der Forschung und die daraus entstandenen Kunstwerke werden bis zum Sommer im Z33, dem Haus für zeitgenössische Kunst, Design und Architektur in Hasselt, ausgestellt.
Eine neue Generation von Farbstoffen
In der Einführung zur Ausstellung wird der dringende Bedarf nach einer neuen Generation von Farbstoffen wie den Strukturfarben erklärt. Die Farbenindustrie hat nämlich enorme Auswirkungen auf die Umwelt.
Die natürlichen Farbstoffe der Vergangenheit, wie Waid, Krapp und das exotische Indigo, wurden während der industriellen Revolution durch synthetische Pigmente verdrängt. „Aber diese sind erdölbasiert und sehr umweltschädlich“, so Sintobin.
Die synthetischen Farbstoffe werden in der Ausstellung als die erste Generation neuer Farbstoffe bezeichnet. Damals lösten sie sowohl wissenschaftlich als auch ästhetisch eine enorme Revolution aus. Plötzlich konnten Herstellende leuchtende Farben entwickeln, von Mauve bis Fluorgrün. „Aus natürlichen Pigmenten kann man kaum leuchtende Farben herstellen. Dafür braucht man eine toxische Schicht“, erläutert Sintobin.
Im Jahr 2025 gibt sich die Designwelt damit nicht zufrieden. Schon seit längerem arbeiten Forscher:innen und Designer:innen an biologischen Alternativen für synthetische Farben, von Bakterien bis hin zu Algen. Boto Ordóñez hat selbst an Algen als Pigmenten geforscht. Diese biobasierten Farbstoffe werden in der Ausstellung als zweite Generation bezeichnet. „Das Interessante ist, dass man diese Pigmente in einer Laborumgebung züchtet und somit viel besser kontrollieren kann“, erklärt Sintobin. „Man ist nicht mehr von Wetterbedingungen abhängig, wie bei Pflanzen. Außerdem ist es uns gelungen, eine leuchtende Farbe, Fluorrosa, auf Algenbasis herzustellen.“
Boto Ordóñez begann ihre Forschung mit Algen im Jahr 2016, verlor aber mit der Zeit das Interesse daran. „Der Prozess war nicht skalierbar, wirtschaftlich ist es nicht rentabel“, erzählt die spanische Biowissenschaftlerin. Außerdem seien die Farbstoffe ziemlich instabil, räumt sie ein. UV-Strahlung und Oxidation greifen die Farben an. Mit der Zeit können die Pigmente verblassen oder sogar verschwinden. Dasselbe Problem haben die Pigmente, die wir aus traditionelleren Färberpflanzen gewinnen. Es ist also Zeit für eine dritte Generation neuer Farbstoffe, postulieren die Forscher:innen in ihrer Ausstellung.
Im Gegensatz zu natürlichen oder biobasierten Pigmenten erhalten Strukturfarben mit der Zeit einen interessanteren Farbton. Je nach Lichteinfall kann sich die Farbe zwar verändern, sie wird aber nicht verblassen. Wenn die Umgebung feuchter wird, stellten die Forscher:innen im Labor fest, kann die Farbe besser zur Geltung kommen, anstatt allmählich zu verschwinden. Einen „glücklichen Zufall“ nannte Sintobin diese Entdeckung. „Die Struktur kann sich verändern und somit auch die Farbe, da das Licht auf andere Weise auf die neue Struktur fällt“, ergänzt Boto Ordóñez.
Sind Strukturfarben und nicht Pigmente die Lösung, um die Branche wirklich nachhaltig zu gestalten? Die Kuratorin der Ausstellung im Z33, Annelies Thoelen, glaubt das jedenfalls. „Stellen Sie sich vor, dass man in Zukunft Strukturen auf Produkte aufbringen kann, anstatt sie färben zu müssen“, sagt sie. „Dann könnten wir diesen umweltschädlichen Schritt überspringen.“
Fragile Kunstwerke
Wie die Ausstellung zeigt, können Strukturfarben auf alle möglichen Materialien aufgebracht werden. Obwohl Pigmente aus der Bekleidungsbranche den Ausgangspunkt der Forschung von Boto Ordóñez und Sintobin bildeten, sieht man kaum Textilien in der Ausstellungshalle. Lediglich Fallschirmstoff aus 100 Prozent Polyester kommt in einem Werk des griechischen Künstlers Dimitris Theocharis zum Einsatz, der drei Monate lang im KASK-Keller an seiner Installation arbeitete.
Das Besondere: Die vorherigen Generationen natürlicher und biobasierter Pigmente haften in der Regel nicht auf Kunststoffen. „Außerdem funktionieren Strukturfarben am besten auf schwarzem Stoff“, erklärt Sintobin und zeigt auf die Farbe der Installation. „Je schwärzer der Untergrund, desto mehr Kontrast, desto leuchtender die Farben. Mit Pigmenten ist es viel schwieriger, schwarze Materialien zu färben.“
Sintobin selbst testete die Strukturfarben auf Seide, aber für die Ausstellung fertigte sie drei Werke aus Keramik, Papier und Titan an. Auf der Website von Ecology Of Colour präsentieren Sintobin und Boto Ordóñez die Ergebnisse und Farbpalette pro Material.
Auffällig ist, dass das eine Material besser für die Farbstruktur geeignet ist oder sie besser erhält als das andere. In den meisten Fällen ist die Struktur sehr empfindlich. Nehmen wir das Werk der Künstlerin Ann Veronica Janssens aus geriffeltem Glas. Ihre Reinigungskraft fand die Oberfläche staubig und wischte mit einem Staubtuch darüber. Dadurch ist eines ihrer Werke, das nicht im Z33 hängt, sondern bei ihr zu Hause aufgestellt ist, nun etwas matter.
„An der Berührungsstelle ist die Farbe verschwunden“, weiß Sintobin. „Es ist wie die Berührung eines Schmetterlingsflügels. Wenn man das tut, kommt schwarzes Pulver auf den Finger. In diesem Moment hat man die Struktur zerstört, und die Farbe ist zusammen mit der Struktur verschwunden.“
Die Stahlarbeiten von Tiina Pyykkinen, einer finnischen Künstlerin, die in einer frühen Phase der Forschung mit an Bord kam, sind ebenso empfindlich. „In jedem Kunstwerk stecken mehr als 50 Stunden Arbeit. Ein Fehler, und der ganze Prozess wäre ruiniert“, erzählt Sintobin.
Eine Aufsichtsperson erklärt, dass Sintobins größtes Kunstwerk, ein keramisches Federkleid, ebenso zerbrechlich sei. Beim Zusammennähen der Keramikplättchen mit Schnüren seien kleine Beschädigungen entstanden. Logistisch sei es zudem eine Herausforderung gewesen, das große Kunstwerk von Gent nach Hasselt zu transportieren, ohne es zu beschädigen. „Bei Keramik ist das aber einfacher als bei Glas oder Stahl“, relativiert Sintobin. „Keramik hat eine unregelmäßige Oberfläche, sodass man sie mit Handschuhen noch anfassen kann. Wenn ich darauf reibe, verschwindet die Struktur. Aber ich hatte mehr Bewegungsfreiheit als meine Kollegin Tiina.“
Das Werk aus Gummi der Modedesignerin Marlou Breuls und die metallenen Wandobjekte des Designers Bram Vanderbeke halten einer Berührung viel besser stand. Natürlich werden Besucher:innen gebeten, ihre Hände stets bei sich zu behalten. „Das ist das Schöne an der Zusammenarbeit mit Künstler:innen“, sagt Sintobin. „Jede:r hat Expertise in einem Material, und alle wollen experimentieren. So haben wir zufällig herausgefunden, dass bestimmte Materialien Berührungen standhalten. Bram hat die Aluminiumobjekte von Hand bearbeitet, dann den Film darauf wachsen lassen und ihn teilweise abgebürstet. Bestimmte Stellen blieben auf den Objekten erhalten, auch wenn er stärker bürstete.“
Gesucht: die richtige Beschichtung
Eine Lösung, um Strukturfarben länger zu erhalten, könnte eine Beschichtung sein, eine Schutzschicht, die man häufig in der Bekleidungsindustrie findet, zum Beispiel bei Funktionstextilien.
„Aber das Problem ist, dass die Struktur im Nanobereich liegt, daher müssten Beschichtungen auch im Nanobereich entwickelt werden“, sagt Sintobin dazu. „Da stoßen wir an die Grenzen einer Kunsthochschule. Eigentlich müsste hier eine Doktorarbeit in Chemie starten, mit Raum zum Experimentieren. Solche interdisziplinären Promotionen gibt es, wer weiß, was daraus in Zukunft wird.“
Nach vier Jahren ist die Forschung und damit der Vertrag von Sintobin und Boto Ordóñez abgeschlossen. Boto Ordóñez ist weiterhin mit KASK verbunden, und über die finnische Kulturinstitution Suomen Kulttuurirahasto arbeiten beide Forscherinnen weiterhin mit der Künstlerin Tiina Pyykkinen zusammen. Nach der Ausstellung im Z33 reist das Duo nach Helsinki. „Hoffentlich sind finnische Museen und Institutionen an unserem Projekt interessiert“, sagt Sintobin. „Es ist eine Nische, das haben wir im Laufe der Forschung festgestellt, aber es bietet so viele Möglichkeiten und Lösungen.“
Boto Ordóñez und Sintobin wurden bereits für ihren Einsatz zur Transformation der Farbenindustrie – und damit der gesamten Bekleidungs- und Designbranche – ausgezeichnet. Im Jahr 2022 gewannen sie dafür einen Henry van de Velde Award in der Kategorie Designforschung.
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