Trends, die die deutsche Modebranche 2019 definieren werden
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Am Dienstag präsentierte der Fashion Council Germany (FCG) den „State of Fashion 2019“-Report im Hotel der Rome in Berlin. Die Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, Dorothee Bär, wies in ihrem Grußwort bei dem Event auf die Bedeutung der Mode im Zeitalter der Digitalisierung hin.
Dorothee Bär: „Passt schon ist zu wenig“
„Es ist uns als Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, Ihrer Branche zu zeigen, wie wichtig Sie uns sind und Sie zu unterstützen“, so die Ministerin in ihrer Rede. Doch bis dahin scheint es noch ein weiter Weg zu sein. Im Bezug auf die Mode sei es in Deutschland immer noch „verdächtig“ und man müsse sich rechtfertigen, wenn man sich mit diesem Thema beschäftige. So sei es zum Teil leichter, scherzte die Ministerin, Gespräche mit der Atomlobby zu führen, als mit der Modelobby — man müsse sich dafür weniger Kritik stellen.
Außerdem, so erzählte sie, war sie kürzlich auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. Dort habe sie festgestellt, „dass wir in Deutschland schon in vielen Dingen gut sind, aber wo wir wahnsinnig schlecht sind, ist das Verkaufen.“ Andere Länder, oft nicht so stark im eigentlichen Produkt, seien besser in der Kommunikation ihrer Stärken, so die Ministerin. Amerikaner sprächen oft in Superlativen von ihren Leistungen, Deutschland hingegen hielte es, wie sie in fränkischem Dialekt sagte, bescheiden. „Passt schon“, sagt sie, sei aber „zu wenig“. Ihr Fazit: man solle „größer werden, größer denken und auch größer sprechen“ - das gelte auch für die Mode.
State of Fashion: Was sich 2019 ändern wird
Dr. Achim Berg (McKinsey & Company) und Nick Blunden (BOF) präsentierten die Ergebnisse des gemeinsam publizierten Reports „The State of Fashion 2019“: Demnach soll das Jahr 2019 der Modeindustrie einschneidende Veränderungen bringen. China wird die USA, bisher der größte Modemarkt weltweit, zum ersten Mal seit Jahrhunderten überholen. Das Branchenwachstum wird sich voraussichtlich auf 3,5 bis 4,5 Prozent abkühlen, nachdem es 2018 noch 4 bis 5 Prozent betragen hatte.
Modeindustrie 2019: Changing, Digital, Fast
Der jährlich erscheinende Report „The State of Fashion 2019“, gemeinsam herausgegeben von McKinsey & Company und Business of Fashion (BOF) gibt einen Überblick zu den globalen Entwicklungen und Trends in der Modebranche. 2019 nennt der Bericht ein „Jahr des Erwachens“. Alte Regeln hätten ihre Gültigkeit verloren, Digital-First Denken sei gefragt und Speed-to-Market werde der alles entscheidende Parameter für kommerziellen Erfolg. Befragte Manager der Studie nannten 2018 am häufigsten die Schlagworte: Changing, Digital und Fast, um die Branche zu beschreiben. Weggefallen waren die Worte Uncertain und Optimistic, die in den Vorjahren unter den Top 3 gelandet waren.
Die Globale Wirtschaft 2019
Caution Ahead: Der Report identifizierte zehn Trends, die das Jahr 2019 definieren werde. Auf Ebene der globalen Wirtschaft prognostiziert er eine vorsichtigere Stimmung aufgrund einer Verlangsamung der Weltwirtschaft, die bis 2020 vorhergesagt wird.
Indian Ascent: Indien hingegen erlebt einen Anstieg der Kaufkraft seiner aufstrebenden Mittelschicht. Die vorhergesagte Anzahl an Smartphone-Nutzern in Indien soll bis 2020 690 Millionen betragen. Der indische Markt ist nicht einfach zu verstehen und stark segmentiert, kann sich aber für Marken lohnen.
Trade 2.0: Alle Unternehmen sollten sich laut des Reports auf eine mögliche Erschütterung bisheriger Lieferketten einstellen. Neue Handelsabkommen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern bieten aber auch Chancen.
Die Konsumenten ändern ihre Gewohnheiten
End of Ownership: Die Lebensspanne des Produkts wird durch Sharing und Weiterverkaufsplattformen verlängert. 44 Prozent der Befragten glauben daher, dass das Geschäft mit Pre-Owned Kleidung 2019 relevanter sein wird als noch 2018.
Getting Woke: Die jüngeren Generationen sind für ihre starke Meinung zu sozialen und Umweltthemen bekannt. 2019 wird eine kritische Masse erreicht sein, sodass Marken sich darauf einstellen müssen, ihren Konsumenten über die bloße Oberfläche hinaus Kaufgründe zu liefern. Das Wort „feminist“ soll 2019 etwa 6,3 mal häufiger auf Homepages von Händlern erscheinen als noch 2016.
Now or Never: Der Zeitraum zwischen Entdeckung eines Produkts und Kauf verringert sich. Die Konsumenten wollen nicht warten - 2018 erwarteten Kunden eine Lieferung innerhalb von 24 Stunden. 1995 waren es noch neun Tage.
Radical Transparency: Der gläserne Kunde erwartet im Gegenzug ebenso radikale Transparenz von den Unternehmen, bei denen er einkauft.
Das Modesystem selbst ändert sich
Self-Disrupt: Marken beginnen, sich selbst neu zu überdenken. Die Konkurrenz durch kleine Labels, die sich aufgrund von Neuheit und Authentizität durchsetzen, beflügelt.
Digital Landgrab: Einzelhandelsplattformen wie Zalando müssen, wenn sie Konsumenten und Marken weiterhin anziehen wollen, ihr Angebot breiter aufstellen. So hat das Berliner Unternehmen in den Ausbau seines Partnerprogramms sowie KI Start-Ups investiert und will so das „Spotify für Fashion“ werden.
On Demand: Erfolg werden die Unternehmen haben, die Made-to-Order Produktionszyklen und mehr Just-in-Time-Produktion etablieren können, geringere Lagerbestände, Nearshoring und mehrere kleine Kollektionen helfen, die Kosten niedrig zu halten. Durch eine sich verändernde Medienlandschaft ändert sich auch die Beziehung zwischen Nachfrage und Produktion. So werden Produkte zunehmend durch steigende Nachfrage auf den Markt „gepullt“ und nicht durch das Angebot „gepusht“.
The Superwinners take it all
Nach einen beständigen Rückgang in den Jahren 2012 bis 2016 war das Jahr 2017 ein Rekordumsatzjahr für die Gesamtwertschöpfung der gelisteten Modeunternehmen. Allerdings verteilte sich dies hauptsächlich auf die oberen 20 Prozent der Unternehmen - sie konnten 128 Prozent der wirtschaftlichen Profite 2017 einstecken. Die nächsten 21-80 Prozent teilten sich drei bis sechs Prozent der Umsätze und die unteren 20 Prozent verzeichneten Verluste.
Zu den Superwinners, die 97 Prozent aller wirtschaftlichen Profite unter sich aufteilen, zählen Inditex, Nike, LVMH, TJX Companies, Hermès, H&M, Richemont, Ross, Adidas, Kering, LBrands, Pandora, Fast Retailing, Next, VF Corporation, Luxottica, Michael Kors, Gap, Hanes Brands Inc. Und Burberry.
Modeland Deutschland
Christiane Arp (Präsidentin des FCG und Editor-in-Chief Vogue Germany) ergänzte: „Die jüngsten Analysen zeigen, dass sich der weltweite Wandel der Mode- und Luxusindustrie in naher Zukunft noch schneller vollziehen wird. Umso wichtiger ist es, dass der deutsche Markt eine Stimme hat, die auch international gehört und geschätzt wird und wir sehen, dass unsere noch relativ junge Arbeit mit dem FCG bereits Früchte trägt. Es ist uns gelungen, die richtigen Player an den Tisch zu holen – ein wichtiger Schritt, um der deutschen Modeindustrie im Global Play die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die sie verdient.“
Die Auswirkungen auf den deutschen Modemarkt schätzt Dr. Berg wie folgt ein: „Deutschland war in den vergangenen Jahren sehr attraktiv für ausländische Marken. Aber da der deutsche Modemarkt seit zehn Jahren stagniert, können ausländische Marken hierzulande nur auf Kosten anderer Marken wachsen. Der Verdrängungswettbewerb ist in Deutschland sehr groß. Deutschen Marken müssen sich sowohl gegen internationale Ketten und Online-Angreifer durchsetzen.“
Bilder: FCG