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Trendforscher: Warum der Barbiecore-Trend boomt

Von Eugenia Melissen Ferrer

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Mode |Interview

Bild: Valentino AW22

Rosa ist wohl eine der emotional beladensten und umstrittensten Farben der gesamten Farbpalette. Einerseits wird es mit Weiblichkeit assoziiert, gleichzeitig steht es für überholte Ideen dessen, was die Geschlechter vermeintlich ausmacht und trennt. Gleichzeitig wurde die Deutungshoheit über Pink und seine Assoziationen von Frauen zurückerobert, um patriarchalische Systeme zu hinterfragen. So spielte die Farbe beim Women's March, der Protestmarsch gegen Trump und alles, wofür seine Präsidentschaft stand, eine wichtige Rolle.

Die Rosa-Schattierung mit dem Namen ‚Shocking Pink‘ wurde von der italienischen Modeschöpferin Elsa Schiaparelli kreiert, die sich ab 1937 mit ihrem unverkennbaren Magenta von den strengen Farben der 1940er Jahre abhob. Obwohl Rosa jahrhundertelang mit Männlichkeit assoziiert wurde – ja, Sie lesen richtig! – bekam es in den 1950er Jahren einen femininen Stempel aufgedrückt, unter anderem als die First Lady der USA, Mamie Eisenhower, 1950 ein rosa Kleid zu ihrer Amtseinführung trug.

Heutzutage rücken viele Geschlechternormen in den Hintergrund und auch männliche Künstler wie Harry Styles und Sebastian Stan hüllen sich stolz in rosa Anzüge, Westen sowie Kleider. Letzterer erschien bei der Met Gala 2022 von Kopf bis Fuß in einem knallpinken Outfit.

2016 nutzte die Modejournalistin Véronique Hyland den Begriff ‚Millennial Pink‘, um einen bestimmten Rosaton zu beschreiben, den sie überall zu sehen begann. Diese Farbe, die unter anderem auf den Verpackungen der Make-up-Marke Glossier und der schwedischen Modemarke Acne Studios zu sehen war, war keine süße, mädchenhafte Variante, sondern ein in seiner Pudrigkeit fast neutraler Farbton. Hyland beschreibt es in einem Essay als ‚ironisches Rosa‘: „Es ist eine Farbe, die nicht bindet, deren Halbheit ein Beweis für ihre Raffinesse ist.“ Hyland zufolge sei die Vorliebe der Mode- und Beauty-Branche für diese Farbe auf eine gewisse, „zwiespältige Haltung gegenüber der Mädchenhaftigkeit“ zurückzuführen.

Als viele Menschen ihre Stimmung nach den Lockdowns mit Konsum aufhellen wollten, wichen neutrale Töne zunehmend kräftigen Farben. Laut der Suchplattform Lyst haben die Suchanfragen nach „bright pink“ seit Februar 2022 um mehr als 80 Prozent zugenommen. Diese Trendfarbe ist ein kräftiges, „barbiehaftes“ Rosa.

Courtesy of Mattel

Warum ist die Modeindustrie (und die Menschen) gerade jetzt so fasziniert von dem Barbiecore-Trend und dem damit einhergehenden leuchtenden Farbton? FashionUnited sprach darüber mit dem Trendforscher Jan Agelink in einem Telefoninterview.

Was steckt Ihrer Meinung nach hinter dem Barbiecore-Trend?

Ich wurde zum ersten Mal auf diesen Trend aufmerksam, als ich die ‘hot pink’-Kollektion von Valentino für H/W 22 sah. Kreativdirektor Pierpaolo Piccioli nutzte sie, um ein Statement zu setzen und auf die Details einzugehen. In den Shownotes der Kollektion erklärte er, dass die Fokussierung auf leuchtendes Pink den visuellen Schock der leuchtenden Farbe beseitigen könne, wodurch es einfacher werde, sich auf Silhouetten, Texturen und Details zu konzentrieren. Er glaubt, dass dies letztlich die Wirkung der Kleidung verstärke.

Die Kollektion von Piccioli besteht aus zwei Gegensätzen: leuchtendes Pink und Schwarz. Das bedeutet, dass wir entweder mit all dem Elend in der Welt untergehen oder etwas daraus machen können – es gibt fast kein Dazwischen. Die Farbe von Piccioli ist inzwischen eine Pantone-Farbe: ‚Pink PP‘. Damit ist Barbiecore eigentlich ein Trend, der sich wie eine Lawine verselbständigt und immer mehr Anhänger:innen hinzu gewinnt, die ihn größer machen.

Bild: via Valentino H/W 22

Was ist der Unterschied zwischen Barbiecore und Dopamin-Dressing?

Unsere Vorliebe für leuchtendes Pink sagt etwas über die Tatsache aus, dass wir aus einer Pandemie kommen und dass wir es vermisst haben, uns mit Kleidung auszudrücken und einen ‚Stimmungsaufheller‘ durch die Kleidung zu bekommen. Letztes Jahr wurde viel über ‚Dopamin-Dressing‘ geschrieben: die Tatsache, dass wir durch die Wahl unserer Kleidung Lust bekommen, wieder alles Mögliche zu tun und dies durch Kleidung zum Ausdruck bringen wollen. Das steht im Zusammenhang mit dem Barbiecore-Trend. Wir brauchen jetzt einen ‚Powerlift‘ und die leuchtend pinke Farbe tut genau das unglaublich gut.

Bild: Valentino H/W 22
Bild: Valentino AW22

Gibt es auch eine Kehrseite des Barbiecore Trends?

Es ist wichtig, sich zu fragen, welche Zutaten benötigt werden, um die leuchtend rosa Farbe herzustellen. Wenn diese sehr chemisch sind und der ganze Prozess dem Planeten viel abverlangt, ist das ein möglicher Nachteil.

Wie Valentino gezeigt hat, ist die Farbe energisch und kraftvoll, aber wir brauchen auch das Schwarz, um in der Mitte zu bleiben. Die Liebe zum leuchtenden Pink ist zum Teil einem eskapistischen Drang entsprungen und wir müssen von Zeit zu Zeit realistisch bleiben und erkennen, dass die Dinge nicht besonders gut laufen. Wir können uns ein wenig ablenken, aber wir können nicht ewig in dieser Scheinwelt bleiben.

Die Mikrotrends und Hashtags der Generation Z scheinen manchmal beliebter zu sein als bestimmte damit verbundene Artikel. Wie erklären Sie sich das?

‘Namecore‘ ist etwas, das mit der Zeit geht. Die Gen Z nutzt unter anderem Memes und Hashtags, um zu interpretieren, was in der Gesellschaft vor sich geht. Bei Barbiecore – wir können es auch ‚Hot Pink‘ nennen – geht es nicht nur um eine Sache oder einen Artikel. Barbiecore ist ein Name aus der Welt der sozialen Medien, aber es gibt viele andere Welten, in denen Sie ihm auch einen anderen Namen geben können, bei dem er dennoch relevant bleibt.

Bild: Valentino H/W 22

Hat Barbiecore etwas mit Weiblichkeit zu tun?

Ja, es kommt aus einem sehr weiblichen Blickwinkel, obwohl es, wie Valentino gezeigt hat, auch auf Männer anwendbar ist. Dennoch hat der Trend etwas mit Emanzipation und der weiblichen Rolle zu tun. Barbie ist eine Frau, die eine sichtbare Entwicklung durchmacht. Und bei der Gleichstellung der Geschlechter gibt es noch einiges zu tun.

Bildet über: Mattel

Barbie wird seit langem für ihr geschlechtsnormatives Aussehen kritisiert. Warum wird jetzt ausgerechnet sie zum Trend?

Zum Teil, weil sie sich selbst verändert. Ein Produkt wächst mit der Entwicklung der Gesellschaft, und Mattel legt großen Wert auf Inklusivität. Barbie wird also immer mehr zu einem Spiegelbild der Gesellschaft und das kann man nur begrüßen. Sie behält ihr symmetrisches Puppengesicht, aber es gibt immer mehr verschiedene Barbies mit unterschiedlichen Hautfarben und Behinderungen – zum Beispiel Barbies in Rollstühlen. Die Tatsache, dass ausgerechnet die feministische Regisseurin Greta Gerwig einen Film über eine stereotype weibliche Figur wie Barbie dreht, macht Barbie außerdem zu einer zunehmend vielschichtigen und interessanten Figur.

Ob die Menschen nun Hot Pink tragen, um aufzufallen, ihre Stimmung zu heben oder, unabhängig von ihrem Geschlecht, Macht auszustrahlen, der Barbiecore-Trend ist im Moment allgegenwärtig und macht die mittlerweile 63 Jahre alte Puppe wieder relevant. Die Zeit wird zeigen, ob die Modewelt die Welt noch lange durch eine rosarote Brille betrachten wird, oder ob sie sich bald doch für eine Dosis Realismus entscheidet.

Bildet über: Mattel

Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.nl veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ

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