• Home
  • Nachrichten
  • Mode
  • Textilinnovation schafft neue Kleidung aus 100 Prozent recyceltem Nylon

Textilinnovation schafft neue Kleidung aus 100 Prozent recyceltem Nylon

Der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF hat sich einem Problem der Textil- und Bekleidungsindustrie angenommen, nämlich dem wachsenden Altkleiderberg. Viele dieser Altkleider enthalten Chemie, das heißt künstlich erzeugte Fasern wie etwa vollsynthetische aus Erdöl oder Kohle – Polyester, Polyamid (auch Nylon genannt), Polyacryl und Elasthan. Als Chemiekonzern beliefert BASF die Textil- und Bekleidungsindustrie mit Polyamid und ist damit Teil des Problems.

BASFs Innovation Loopamid wurde am Donnerstag im Rahmen eines Forschungs-Briefings vorgestellt. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um recyceltes Polyamid, das den Kreislauf („Loop“) schließen soll und sowohl aus post-industriellen und post-Konsum Textilabfällen hergestellt werden kann.

BASFs Loopamid ist vollständig aus Textilabfällen hergestellt

„Loopamid ist das erste Polyamid 6, das vollständig aus Textilabfällen hergestellt wird – und der Fokus liegt hier ganz klar auf ‘vollständig’. Wir verwenden Textilabfälle ausschließlich als Rohmaterial, sonst nichts“, erklärt Dag Wiebelhaus, Head of Global Product Innovation Monomers bei BASF, in seinem Vortrag.

Dag Wiebelhaus, Head of Global Product Innovation Monomers bei BASF. Bild: BASF

Polyamide (PA) unterscheiden sich nach ihren Monomeren, das heißt den kleinen, reaktionsfähigen Molekülen, die die Grundbausteine für größere, komplexe Moleküle (Polymere) bilden. BASF entschied sich, sich auf Polyamid 6 zu konzentrieren, da dieses am häufigsten verwendet wird. 

„Wir dachten uns, dass es sich um ein wertvolles Material handelt, das im Abfall landet. Können wir es vielleicht irgendwie wieder in den Kreislauf zurückführen und so eine zirkuläre Lösung schaffen, bei der das Material in einem geschlossenen Kreislauf verbleibt? Dadurch würde die Abfallmenge tatsächlich sinken, außerdem würden natürliche Rohstoffe eingespart, die sonst verbraucht würden, und drittens würden wir dadurch auch CO₂-Emissionen reduzieren“, umreißt Wiebelhaus die Ausgangsüberlegungen vor circa zwei Jahren.

Loopamid. Bild: BASF

Fun Fact: Dies ist nichts Neues für BASF, hatte der Konzern doch bereits im letzten Jahrhundert Pionierarbeit beim Recycling von Polyamid 6 geleistet und die ersten Patente in den 1940er-Jahren angemeldet. Dabei handelte es sich jedoch um relativ unkomplizierte Abfallarten mit einem hohen Anteil an Polyamid 6, wie beispielsweise in Haushaltsabfällen, Teppichresten oder Fischernetzen.

Herausforderungen

Das Recycling von Textilabfällen ist jedoch komplexer und man benötigt sehr robuste Technologien, da Textilien typischerweise Farben, andere Fasern, Farbstoffe, Beschichtungen und im Fall von Polyamid sehr oft auch eine elastische Faser namens Elastan enthalten.

„Als wir uns den gesamten Kreislauf ansahen, wurde uns klar, dass wir drei Probleme gleichzeitig lösen mussten: Erstens mussten wir die Abfälle so aufbereiten, dass sie chemisch recycelt werden konnten. Zweitens mussten wir das chemische Recycling durchführen und drittens das Elastan reinigen, um es wieder in das farblose Material umzuwandeln, das unsere Kundschaft gewohnt ist“, berichtet Wiebelhaus.

Am Anfang stand also das Rohmaterial – Textilabfälle mit einem hohem Polyamid-6-Anteil wie etwa Dessous, Outdoor- oder Sportbekleidung. Dazu kooperiert BASF mit zahlreichen Sortierpartnern in ganz Europa, die diese Arbeit größtenteils noch manuell durchführen. „Und selbst wenn sie hervorragende Arbeit leisten, was sie tun, erhalten wir am Ende ein Ausgangsmaterial, das vielleicht 80 oder 90 Prozent Polyamid-6 enthält, der Rest aber aus anderen Stoffen besteht. Wir haben es also immer noch mit einem sehr komplexen Gemisch zu tun, das in den chemischen Recyclingprozess gelangt“, erklärt Wiebelhaus. [Die restlichen 20 Prozent werden verbrannt und so zur Energiegewinnung genutzt.]

Er führt weiter aus, dass diese Sortierung derzeit leider nicht in nennenswertem Umfang stattfindet. „Die entsprechenden Technologien sind zwar größtenteils entwickelt, es mangelt jedoch an Investitionen in großtechnische Anlagen. Dies stellt aktuell einen Engpass für die Skalierung der gesamten Branche dar“, betont er.

Die Frage, ob BASF eventuell eine eigene Sortieranlage betreiben wolle, verneint Wiebelhaus: „Wir haben uns für Kooperationen [mit Sortierbetrieben] entschieden, da es sich eher um einen physikalischen Arbeitsschritt handelt. Das ist nicht unsere Kernkompetenz. Wir möchten daher unsere Kernkompetenz, den chemischen Prozess, einbringen. Es gibt aber Partner, die für die Sortierung deutlich besser aufgestellt sind. Deshalb haben wir uns entschieden, eng mit ihnen zusammenzuarbeiten und sie bestmöglich zu unterstützen.“

Der Prozess: Zerkleinerte Textilabfällen (1. Flasche) werden depolymerisiert (2. Flasche), aufgereinigt (3.Flasche) und das erhaltene Caprolactam (4. Flasche) wird re-polymerisiert zu Loopamid (5. Flasche). Bild: BASF

Der Vorteil von Polyamid-6 ist, das es nur ein Monomer enthält, das sogenannte Caprolactam, was die Reinigung deutlich vereinfacht. Ein firmeneigenes Verfahren sorgt für die Gewinnung von Caprolactam in sehr hoher chemischen Ausbeute. Zudem nutzte BASF seine In-house-Expertise, um verschiedene Reinigungsverfahren zu testen. Letztendlich wurden fünf verschiedene Verfahren kombiniert, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

„Von Anfang an war es unser Ziel, unseren Kund:innen ein sofort einsetzbares Produkt anzubieten. Sie sollen keinen Unterschied zwischen herkömmlichem Polyamid 6 und unserem Loopamid feststellen. Es muss denselben Reinheitsgrad und dieselben Spezifikationen wie reines Polyamid 6 aufweisen. Die angestrebte Anwendung ist das Hochgeschwindigkeitsspinnen für die Bekleidungsproduktion“, erläutert Wiebelhaus.

Kollaborationen mit Zara und Adidas

Um zu zeigen, dass Loopamid nicht nur um Labor funktioniert, nannte der Chemiker zwei Kooperationen mit Bekleidungsmarken, die die innovative Faser bereits verwendet haben: Zum einen Zara für eine Jacke. Bei dieser handelt es sich um ein Monomaterial-Kleidungsstück, das heißt alle Teile wurden aus demselben Material gefertigt — nicht nur das Obermaterial sondern auch Knöpfe, Reißverschlüsse und Innenfutter.

Eine weitere Kooperation ist T-REX (kurz für Textile Recycling Excellence), ein von der EU gefördertes Projekt unter der Leitung von Adidas. Sein Ziel ist es, einen Entwurf für eine Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie Europas zu entwickeln. Für Wiebelhaus der Beweis, dass Textil-zu-Textilrecycling heute bereits eine Realität ist.

Kosten und Skalierung

Was die Kosten angeht, so sind diese im Laufe der Zeit gesunken, aber BASF steht noch am Anfang. „Wie bei allen neuen Technologien ist anfangs alles klein und teuer. Mit zunehmender Skalierung sinken dann die Kosten. Es ist also ein bisschen wie die Frage nach Henne und Ei, aber sobald die Kosten sinken, wird meiner Meinung nach auch die Nachfrage steigen“, sagt Wiebelhaus.

Für ihn ist die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher:innen ein entscheidender Faktor. „Es wäre hilfreich, wenn Verbraucher:innen beispielsweise ein oder zwei Euro mehr zahlen würden, um eine Kreislaufwirtschaft zu fördern.“

„Die Branche könnte deutlich schneller wachsen, wenn die Produkte wettbewerbsfähiger wären. Daher zögern Unternehmen, in Sortieranlagen zu investieren, weil sie nicht wissen, ob ihre Materialien tatsächlich recycelt werden. Und Recyclingunternehmen wachsen möglicherweise nicht, weil kein sortierter Abfall verfügbar ist. Und vielleicht kaufen die Verbraucher:innen auch noch nicht genug“, antwortet Wiebelhaus auf die Frage, wann die Textilrecyclingindustrie ein Niveau erreichen wird, auf dem einige der aktuellen Probleme, wie beispielsweise mangelnde Raffinesse und übermäßige Trennung, überwunden werden können und Techniken wie diese effizienter und kostengünstiger werden. „Ich persönlich bin überzeugt, dass es so weit kommen wird, denn die Technologien sind vorhanden. Es funktioniert“, fügt er hinzu.

Lösungen wie BASFs Loopamid sind ein Schritt in die richtige Richtung für die Bekleidungs- und Textilindustrie, da sie eine Chance haben, den Altkleiderberg mit seinem hohen Anteil an Chemiefasern abzuarbeiten. Gerade die Tatsache, dass Loopamid als reine Recyclingfaser ohne den Anteil von Neufasern auskommt, sollte die Nutzung neuer Rohmaterialien eindämmen. Der Vorteil chemischer Recyclingverfahren ist, dass sich die recycelte Faser mehrfach beziehungsweise theoretisch immer wieder recycelt werden kann. Die tatsächliche Nutzung wird zeigen, wie sich dies in der Praxis langfristig umsetzen lässt.

Lesen Sie auch:

ODER ANMELDEN MIT
BASF
Kreislaufwirtschaft
Recycling
Textilinnovationen
textilrecycling