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Rot ist das neue Pink - warum der Barbiecore-Trend jetzt abgelöst wird

Von Barbara Russ

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Mode

Bild: Altuzarra H/W23, Area H/W23, Huishan Zhang H/W23 via Launchmetrics Spotlight

Nicht nur auf den Laufstegen – oder bei der jetzt schon ikonischen Halbzeit-Performance der Sängerin Rihanna beim Super Bowl – auch der rote Teppich macht in dieser Award-Saison seinem Namen alle Ehre. Wieso sieht die ganze Welt gerade rot?

Die Beispiele sind mannigfaltig: US-Raperin Doja Cat saß bei der Show des Modehauses Schiaparelli in einem in Blutrot gehaltenen Ensemble mit tausenden Kristallen in der ersten Reihe, die Künstler:innen Sam Smith und Kim Petras sorgten bei der Grammy-Verleihung mit einer Gruppenperformance komplett in Rot für Aufsehen; Rapper Lil Nas X zeigte sich bei der New York Fashion Week in einem Fake Fur in Rot.

Rot scheint derzeit überall zu sein.

Damit löst es den Farbton ab, der bis vor kurzem ubiquitär schien: Barbiecore-Pink. Und während die Welt noch immer gespannt auf den Barbie-Film der Regisseurin Greta Gerwig wartet, stellt sich die Frage: Ist Pink in der Zwischenzeit erwachsen geworden?

Die FW23-Laufstege sind unübersehbar rot

Auf dem Laufsteg für die HW23-Saison war Rot eine feste Konstante. Die Farbe zeigte sich prominent auf der New York Fashion Week und zuvor auf den Laufstegen von Kopenhagen. Bei Ganni kamen Handtaschen in zahlreichen Rotschattierungen zusammen mit Paillettenkleidern daher, Saks Potts hüllte Models von Kopf bis Fuß in rotes Leder und in New York experimentierten alle Kreativen und Labels, von Marc Jacobs bis Gabriela Hearst und Marni mit roten Schlangenlederoptiken, Paillettenkleidern und Fake-Fur-Mänteln.

Bild: Saks Potts H/W23, Laquan Smith H/W23, Ganni H/W23, Gabriela Hearst H/W23 via Launchmetrics Spotlight

„Mit dem Eintritt in eine rote Ära hat die Palette auf der New Yorker Modewoche die Barbiecore-Rosatöne überholt und ist nun eine der bestimmenden Farben der Stadt,“ stimmt Karis Munday zu, Analystin beim Anbieter für globale Einzelhandelsdaten Edited.

Und auch in Sachen Schuhe setzt sich Rot langsam durch: Nach Rihannas Super-Bowl-Moment beobachtete Munday via Google Trends, wie die Suchanfragen nach den roten MM6 Maison Margiela x Salomon Low Sneakers, die die Sängerin trug, um 4000 Prozent anstiegen. In Großbritannien, berichtet sie, war der Sneaker nur zwei Tage nach ihrem Auftritt ausverkauft – in den USA dauerte es vier Tage – und das, obwohl er seit November auf Lager war.

Und dann ist da natürlich noch der It-Schuh des Moments: Der ‚Big Red Boot‘ von MSCHF. Ein Grenzgänger, den das Künstlerkollektiv selbst als „Cartoon boots for a cool 3D world“ beschreibt. Wer diese 350 US-Dollar teuren Schuhe trägt, scheint wie aus einem Videospiel gefallen. Selbstredend sorgte er auf Instagram für einen Hype und ist auf der Website der Brand ausverkauft.

Burberrys Kollektion zum Jahr des Hasen. Bild: Burberry

Rot erobert die Luxusmode

Edited beobachtet auch einen Anstieg der Farbe Rot im Luxusmarkt. Rote Neuwaren legten in Sachen Bekleidung in den letzten drei Monaten geschlechterübergreifend deutlich zu: Hier ließe sich ein Anstieg um 34 Prozent bei Damenbekleidung und 55 Prozent bei der Herrenbekleidung im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres ausmachen. „Einen großen Beitrag dazu leisteten die ‚Year of the Rabbit‘-Kollektionen von Dior und Burberry“, ergänzt Munday.

Auch abseits des Luxusmodemarktes sind rote Artikel in der Damenmode in den letzten drei Monaten im Vergleich zum Vorjahr um 49 Prozent gestiegen. Die Farbe Rot hat in den ersten beiden Februarwochen gegenüber dem gleichen Zeitraum im Januar zu einem Anstieg der Verkäufe von Damenmode um 69 Prozent und bei Herrenmode um 210 Prozent geführt. Accessoires waren bei allen Geschlechtern ein wichtiger Faktor, insbesondere Herzmotive. So stiegen die Verkäufe von roten, herzförmigen Accessoires im Vergleich zu 2022 um 415 Prozent, vor allem bei Shein, wie Munday analysiert. Ob dieser Trend auch nach dem Valentinstag Bestand hat, dürfte sich in den kommenden Monaten zeigen.

Bild: Pantone; New York Fashion Week Colour Trend Report AW23

In ihrem ‚New York Fashion Week Colour Trend Report FW23‘ spricht Pantone von „fröhlichen Farben“. Doch das tiefe Rot mit dem Namen ‚Viva Magenta‘, das 2023 dominiert, ist nicht im strikten Sinne ein fröhliches. Dazu ist es zu reif, zu fleischlich, sein Blauanteil zu hoch. Ein ungetrübtes Rot, das würde auch nicht so richtig in die aktuelle Zeit passen, genauso wenig, wie eben ein strahlendes Barbie-Pink, das thematisch klar zum Dopamin-Dressing des vergangenen Jahres gehört.

Ein mutiges Magenta

„Viva Magenta bietet uns die Sicherheit und Motivation, die wir brauchen, um langfristige Disruptionen zu überstehen“ schreibt Pantone dazu, und weiter: „Drei Jahre mit einer Pandemie, im Angesicht eines Krieges, einer instabilen Wirtschaftslage, sozialer Unruhen, des Zusammenbruchs von Lieferketten und des zunehmenden Klimawandels müssen wir uns erholen. Und trotzdem müssen wir die Motivation finden, weiterzumachen. Hier hüllt uns Viva Magenta in Kraft und Elan und schickt uns mit der ersehnten Verve in die Welt hinaus.“ Verve, das ließe sich gut mit ‚Beherztheit‘ übersetzen, es erinnert an ein Herz, aber eben nicht an eine verkitschte, romantisierte Abstraktion (❤️), sondern an das echte Organ.

Bild: Viva Magenta, Pantone Color of the Year 2023. Pantone.

Dieses ‚Viva Magenta‘ ist ein Farbton, der zwischen organischer Fleischlichkeit und poppiger Virtualität changiert und auch auf der Pantone-Website ein ganzes ‚Magentaverse’ an Rotschattierungen zur Seite gestellt bekommt. Ein echter Rohrschachtest für das Auge, denn tatsächlich existiert die Farbe Magenta nicht auf dem Farbspektrum. Magenta ist eine Mischfarbe aus Rot und Blau. Da diese beiden Farben im Farbspektrum an verschiedenen Enden sitzen, mischen sie sich dort nicht (das tun sie nur, wenn man sie im Farbkreis darstellt) und so besitzt Magenta keine Wellenlänge. Um sich eine lange und sehr verwirrende Erklärung zu ersparen: Unser Gehirn ‚erschafft‘ Magenta, weil es schlecht mit Ambivalenzen klarkommt.

Das genau ist es, was die Farbe so wahnsinnig aktuell macht. Denn komplexe Probleme und Ambivalenzen bestimmen das heutige Leben, aber viele Menschen suchen dennoch nach schnellen, unkomplexen Lösungen. So ein Schwarz-Weiß-Denken war vielleicht früher, in einer bipolaren Welt, noch möglich. In der heutigen multipolaren Weltordnung, ist viel mehr geistige Agilität vonnöten. Dichotomien, wie die der Geschlechter mit ‚männlich‘ und ‚weiblich‘, oder der Realität in ‚virtuell‘ und ‚analog‘ einzuteilen, gehören der Vergangenheit an. Um heute die Welt zu verstehen, muss das Gehirn mit zahlreichen Ambivalenzen und Graubereichen klarkommen. Also der perfekte Moment für ein mutiges Magenta.

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