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Perclers Paris: Wie finden Trendforscher Trends, wenn die Welt stillsteht?

Von Julia Garel

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Mode

Um einen Blick auf die Zukunft zu erhaschen und die nächsten Trends vorauszusehen, fühlen Trendagenturen wie Nelly Rodi oder Peclers Paris den Puls der Zeit. Jenseits von Modenschauen und Messen bilden normalerweise informelle Gespräche, Ausstellungen und Reisen die Basis für ihre Arbeit. Heute schränken die Hygienemaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie die meisten Branchen ein, und die Modeindustrie ist davon nicht verschont geblieben. Modeschauen werden online gestreamt, Ausstellungen wurden in vielen Fällen abgesagt, und das Gleiche gilt für Messen. Wie geht ein Designbüro also vor, wenn es weiterhin gesellschaftliche Signale für Trends entdecken will? Was ändert sich dadurch in der Arbeitsweise? Elisabeth Prat, Managerin für Modetrends bei Peclers Paris, erklärt, wie die aktuelle Situation ihre Arbeit verändert hat.

„Heute Morgen hatten wir ein Meeting zu den vier großen Strömungen für Sommer 2023“, verrät Elisabeth Prat. Sie stellt klar: „Wir bauen diese Ideen mit dem Input von allen Mitarbeitern auf. Jeder in der Agentur, auf allen Ebenen, bringt sehr persönliche Ideen ein. Das hier ist ein wichtiger Moment.“ Diese demokratische Arbeitsweise ist nichts Neues, die Pariser Agentur führt fort, was sie bereits eingeführt hatte, mit dem Unterschied, dass jetzt alles online stattfindet, denn die Mitarbeiter von Peclers Paris arbeiten inzwischen zu 90 Prozent von zu Hause aus.

Die Meetings finden laut Elisabeth Prat sehr regelmäßig statt. „Bemerkenswert ist, dass trotz allem einige Leute auf Ideen gekommen sind“, sagt sie. „Ich interessiere mich sehr für Kunst, ich verpasse keine Ausstellung, die die Mode oder die Kultur im Allgemeinen beeinflussen könnte. Aber mit all diesen Schließungen mussten wir nach neuen Wegen suchen, um Trends zu identifizieren. Offensichtlich sind alle Erfahrungen, die man im Internet machen kann, noch präsenter als früher. Es sind das Kino, die Serien, die sich noch mehr entwickelt haben, und dann die sozialen Netzwerke mit Instagram an der Spitze.“

„Jetzt reden wir mehr über uns selbst“

Elisabeth Prat benennt ein besonderes Novum innerhalb der Pariser Agentur: „Kurz vor dem Lockdown haben wir Meetings abgehalten, erst physisch und dann hinter unseren Bildschirmen, und uns über die Beobachtung unseres jeweiligen Konsums ausgetauscht. Jeder musste darüber sprechen, wie er seinen eigenen Konsum empfindet. Das gab uns einen Hinweis auf die Bedürfnisse und Wünsche des jeweils anderen. Obwohl dieser Prozess schon vor dem Lockdown begann, bietet er dennoch eine Arbeits- und Ausdrucksweise, die der Zeit der Pandemie nicht unähnlich ist. Von nun an wenden sich die Mitarbeiter von Peclers Paris mehr der Selbstbeobachtung zu. „Normalerweise sprachen wir bei unseren Meetings über unsere Kunden oder Dinge, die wir gehört hatten, aber jetzt sprechen wir über uns selbst“, bemerkt Elisabeth Prat.

Eine weitere Neuheit: die Einführung einer neuen Art von Meeting, die informelle Gespräche und das traditionelle Geplauder um die Kaffeemaschine herum ersetzen soll. Sie erklärt: „Es ist ein Treffen, das ich jede Woche leite, bei dem alle Teams teilnehmen und Dinge einbringen, die sie gesehen und gehört haben. Man sieht etwas im Internet, auf der Straße, bei Modenschauen... Wir müssen mehr über die kleinsten aufkommenden Trends sprechen. Bei einem Treffen von Angesicht zu Angesicht würden wir natürlich mehr miteinander reden, aber jetzt sind wir räumlich getrennt und wir haben ein größeres Bedürfnis, zu erfahren was andere gesehen und gehört haben.“.

„Wir beobachten, was diese außergewöhnliche Situation in den Menschen auslöst“

Die Inhalte ihrer Beobachtungen nehmen die aktuelle, noch nie dagewesene Zeit auf und entwickeln sich entsprechend. Die Trendforscherin erklärt: „Das Spannende an dem, was wir erleben, ist zu sehen, was eine außergewöhnliche Situation in den Menschen auslöst. Das ist unsere Herangehensweise, wenn wir einen Trend identifizieren. Wir fragen uns immer: warum jemand das macht. Und oft ist es eine Reaktion auf etwas. Wir hatten zum Beispiel ein Thema namens „Lob des Schattens“. Wir haben es identifiziert, weil wir dachten: Es ist eine seltsame Situation, die Straßen sind menschenleer, es gibt eine unheimliche und fast gruselige Stille. Wir werden es zu etwas Kreativem machen, indem wir eine geheimnisvollere und geisterhafte Seite entwickeln.“

Es ist keine Überraschung: Elisabeth Prat ist der Meinung, dass Strick wichtiger wird, weil es viel mehr zu sagen gibt als zuvor. Sie zitiert die Trendforscherin Li Edelkoort mit der Aussage, dass in Krisenzeiten Strickwaren eine sehr wichtige Rolle einnehmen. „Strickwaren geben uns Komfort, sie sind wie ein Kokon, sehr weich und wärmend“, fügt sie hinzu.

Strick ist daher zu einem zentralen Trend geworden. Die Trendforscherin spricht aber auch über das neue Athleisure, Mode als Werkzeug, die neuen urbanen Garderoben und die Idee des „Verkleidet-Seins“. „Wir haben uns in der Agentur gefragt, wie es wohl wäre, den ganzen Tag T-Shirts und Kapuzenpullis zu tragen und dann ein Kleidungsstück anzuziehen, das eine Art Haltung hat“, sagt sie. „Ich mochte Demna Gvasalias Ansatz, mit dem er selbst experimentiert hat: indem er sich nicht mehr herausgeputzt hat und den ganzen Tag nur noch Shorts und Jogginganzüge trug, stellte er fest, dass er einen Motivationseinbruch hatte. Er fing an, sich wieder ‘richtig’ anzuziehen und stellte fest, dass es Wirkung zeigte.“

Was Peclers Paris betrifft, so scheint die Agentur angesichts der Schwierigkeiten, die die Lockdowns mit sich brachten, den Mut bewahrt zu haben. Wie der Rest der Modebranche, hat sich das Unternehmen angepasst. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Situation so bleiben kann, wie sie ist. Die physische Welt ist ein wichtiger Teil des Geschäfts einer Trendagentur. Elisabeth Prat erwähnt vor allem die Arbeit mit Farben, die eine greifbare Präsenz erfordert. Sie fügt hinzu: „Letzte Woche fand eine Stoffmesse statt. Es war sehr interessant, die Stoffe wieder anfassen zu können. Wenn man hinter dem Bildschirm sitzt, nutzt man nur das Visuelle, es gibt keinen taktilen Teil, der in unserem Job super wichtig ist. Stoffe wieder zu sehen war eine Freude”

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

Bild : Agence Peclers Paris

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