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Paris Fashion Week: Die Strategien der Superstar-Marken

Von Julia Garel

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Mode

Cher und Olivier Rousteing bei der Balmain-Show. Bild: Julien de Rosa /AFP

In Paris, in der letzten Woche der internationalen Modenschauen, trumpften die Luxusmodehäuser noch einmal spektakulär auf. Während die Branche nach der Pandemie insgesamt ein starkes Wachstum verzeichnete, demonstrierten die Modemarken ihre Stärke bei der Pariser Fashion Week, die am 4. Oktober zu Ende ging. Um die von der Modewoche gebotene Sichtbarkeit bestmöglich zu nutzen, setzten die Labels auf virale Momente.

Dior

Seit Maria Grazia Chiuri 2016 die kreative Leitung bei Dior übernahm, hat sich das Pariser Haus zu einem der erfolgreichsten der LVMH-Gruppe entwickelt: von einem Umsatz von 2,2 Milliarden Euro 2017 auf 6,6 Milliarden Euro 2021, wie Business of Fashion schätzt. Für seine Damenmodenschau Frühjahr/Sommer 2023 setzte Dior daher das Thema seines Erfolgsrezepts fort: die Erforschung weiblicher Macht.

Seit ihrem Amtsantritt setzt Chiuri auf Feminismus, eine Bewegung, die unter anderem von der #metoo-Bewegung nach dem Skandal um Harvey Weinstein 2017 neuen Antrieb erhielt.2 Gleich nach ihrer Ankunft präsentierte Maria Grazia Chiuri das T-Shirt mit dem Aufdruck ‚We Should All Be Feminists‘ (das im Onlineshop der Marke noch immer für 750 Euro erhältlich ist) und führte die Marke in die Sphäre des Pop-Feminismus ein, zu der Weltstars wie Beyoncé beitragen.

Dior SS23. Foto: Dior

In dieser Saison nahm die Frage des Feminismus in der Figur von Katharina von Medici Gestalt an. Die Inspiration dieser großen Dame des französischen Königreichs war die Gelegenheit für die künstlerische Leiterin, auf intelligente Weise den Trend des Korsetts in ihre Kollektion zu integrieren und eine modernisierte Version davon anzubieten.

Aber neben der feministischen Botschaft zeigte die Show auch das Know-how des Hauses. Die technischen Fähigkeiten der Dior-Werkstätten wurden durch die Verarbeitung von zarten Spitzen aus schwarzem Bast und durch die Suche nach der Struktur von Kleidern aus dem 16. Jahrhundert demonstriert. Zu diesen Meisterleistungen kamen die pragmatischen Stücke von Maria Grazia Chiuri und mehrere BHs hinzu, ein Produkt, das dem Trend der neuen Sexyness entspricht.

Zuletzt vergaß die Marke nicht ihre asiatischen und amerikanischen Kundinnen, die beiden größten Märkte der LVMH-Gruppe: Ein Motiv eines Stadtplans von Paris dürfte Tourist:innen online und beim Besuch der Stadt überzeugen. Die Modenschau wurde auch auf der Metaverse-Plattform Meta Ziwu übertragen, die von dem chinesischen Riesen Baidu gegründet wurde.

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Coperni

Durch die Live-Herstellung eines Spraydresses an dem Star-Model Bella Hadid am 30. September hat die französische Marke Coperni sich den beeindruckendsten MIV (Media Impact Value) des Monats gesichert. Das Video der Performance, die im Musée National des Arts et Métiers in Paris stattfand, ging viral und katapultierte den Namen Coperni weit über seinen üblichen Beknntheitsgrad hinaus.

Das Duo, bestehend aus Arnaud Vaillant und Sébastien Meyer, hatte jedoch nicht seine erste verrückte Idee. Ihr Label Coperni, das 2019 mit der Unterstützung von Tomorrow London Holdings (einer Beratungsagentur für junge Designer) wiederbelebt wurde, machte 2021 mit einer ‚Drive-in-Modenschau‘ von sich reden, bei der die Gäste von ihren Autos aus zusahen, während die Scheinwerfer den Laufsteg beleuchteten.

‚Soziale Netzwerke sind alles für uns‘, sagte Sebastien Meyer 2021 in einem Interview für die FHCM und erklärte, dass die Marke auf Instagram entstanden sei und ihren ersten Einzelhändler:innen über diese App gefunden habe. Heute wird die Marke über ihren eigenen Onlineshop vertrieben und verfügt über ein weltweites Wholesale-Netzwerk.

Mit diesem neuen Meisterstück gelang es Coperni, die Aufmerksamkeit der GenZ auf sich zu ziehen und gleichzeitig seine Identität und damit sein Image zu stärken: die einer futuristischen und innovativen Marke, die mit Industrieunternehmen - in dieser Saison Fabrican Ltd - zusammenarbeitet, um die Materialien von morgen anzubieten.

Coperni S/S23. Foto: Coperni

Auf der Produktseite setzt Coperni besonders auf Accessoires. Die Show beinhaltete ihren Bestseller, die Swipe Tasche (ab 390 Euro für die Mini-Version), in einer Version aus 18 Karat Gold, sowie neue Modelle: die Lady Bag und die Vanit-e Bag. Außerdem gibt es eine Brille in 90s-Ästhetik und eine Choker-Halskette im Stil eines Kopfhörers.

Die Silhouette ist ebenfalls sehr 90er - Der Trend des Augenblicks - und wird mit dem Look von Coperni kombiniert. Es gibt einige Lingeriekleider, Cut-outs an den Hüften, Cargohosen und Crop Tops. Eine einfache Garderobe für eine junge Kundschaft.

Balmain

Die Balmain Frühjahr/Sommer 2023 Festival Show im Stade Jean Bouin wurde von einer ‚Entertainment Marketing‘-Strategie geleitet. Zu diesem Anlass überraschten das Label und der künstlerische Leiter, Olivier Rousteing, indem sie die Show mit einem besonderen Gastauftritt beendeten: jener der Sängerin Cher. Sie wird Balmain auch bei der Einführung einer neuen Linie von Ledertaschen begleiten.

Balmain S/S23. Foto: Balmain

Die Veranstaltung des Pariser Hauses vereinte die Haute Couture- und Prêt-à-porter-Kollektion für Damen und Herren. Besonders auffällig waren die Stepp-, Drapier- und Flechtarbeiten, die skulpturalen Stücke, aber auch die Drucke, die von den Meisterwerken der Renaissance inspiriert wurden - wobei einige Trompe-l'oeil-Highlights an die Arbeit von Jean Paul Gaultier erinnerten, mit dem das Haus kürzlich zusammenarbeitete. Die für Balmain typische, kontrollierte Opulenz wurde hier und da durch fließende Stücke und Oversize-Schnitte ergänzt, die den Stil von Olivier Rousteing kennzeichnen.

Balmain, das sich im Besitz des katarischen Mayhoola-Fonds befindet, nutzt die weltweite Reichweite seiner Modenschauen, um sein Image als Superstar-Marke aufrechtzuerhalten und in andere Märkte zu expandieren. Das Unternehmen kündigte kürzlich seinen Eintritt in die Bereiche Beauty und Haute Joaillerie an.

Balenciaga

Getreu seiner Vorliebe für Provokation ließ Demna, der künstlerische Leiter von Balenciaga, seine 75 Models im Norden von Paris, in Villepinte, durch den Schlamm laufen. Die zerrissenen und fleckigen Looks folgten auf die Einführung von Modeaccessoires mit ähnlichen Merkmalen Anfang dieses Jahres. Dazu gehören der ‚Paris Sneaker‘, ein Sneaker mit abgenutztem Aussehen, der für mehr als 1.000 Euro verkauft wird, und die ‚Trash Bag‘, die, wie der Name schon sagt, einer Mülltüte ähnelt. Beide lösten eine Debatte aus und machten die Accessoires zu einem viralen Thema. Dieser kreative und strategische Akt ist typisch für den Demna, dessen Ruhm unter anderem auf seiner Fähigkeit beruht, Konventionen und die Vorstellung dessen, was guten Geschmack ausmacht, über Bord zu werfen.

Interessanterweise fällt die abgenutzte Ästhetik dieser Frühjahr/Sommerkollektion mit der Einführung der Marke der Kering-Gruppe in den Secondhand-Markt zusammen. Eine Art cleverer Unterton, der zeigt, dass auch Balenciaga-Artikel, die ihre besten Zeiten hinter sich haben, den Wert eines neuen Produkts haben können.

Balenciaga S/S23, Kanye West. Foto: Catwalkpictures.

Streetwear, Hoodies, Jogginganzüge, Bomberjacken und Baggy-Schnitte nahmen einen großen Teil der Kollektion ein, ebenso wie Tailoring-Pieces und die Oversized-Silhouetten, die das Markenzeichen der Marke sind. Elegant waren lange Abendkleider mit Plissee, Drapierungen oder Pailletten, die einen harten Kontrast zu der schlammigen Umgebung bildeten.

Balenciaga ist auf dem Markt für Accessoires in der Kategorie ‚It-Bags‘ stark, ähnlich wie Jacquemus, der jedoch niedrigere Preise hat. Auf dem Laufsteg waren zu sehen: die Cagole-Bag, der Bestseller der Marke (ab 1.950 Euro), Reisetaschen, Kuscheltier-Taschen und eine Handschuh-Umhängetasche.

Abgesehen von der Kollektion selbst, waren es auch die Models, die einen bleibenden Eindruck hinterließen. Ihre aufmüpfige und verärgerte Haltung floss schnell in Memes ein, während die Eröffnung der Show durch den Rapper Ye (ehemals Kanye West) für Überraschung und Aufsehen sorgte.

Im Gegensatz zu Balmain und anderen Schwergewichten der Luxusgüterbranche macht Balenciaga einen deutlichen Unterschied zwischen Prêt-à-porter- und Haute Couture-Schauen. Während bei der Haute Couture das Know-how in ultramodernen Stücken zum Ausdruck kommt, die sich auf die Archive des Labels beziehen, wird bei der Ready-to-Wear nicht besonders viel Wert auf die technischen Fähigkeiten der Werkstätten gelegt - mit Ausnahme des letzten Looks dieser Show, einem Patchworkkleid. Das Ziel schien eher in der Schaffung eindrucksvoller Bilder zu liegen, die von der Öffentlichkeit geteilt werden können. Für Demna ist Mode in erster Linie eine ‚visuelle Kunst‘, wie es in den Notizen zur Show heißt.

Der künstlerische Ansatz des Kreativdirektors passt zu der von der Kering-Gruppe (17,6 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2021) angestrebten Exklusivität. Laut Finanzbericht 2021 arbeite Balenciaga daran, “das Wholesale-Geschäft auf eine kleine und hochqualitative Anzahl von Partnernschaften zu konzentrieren”.

Zukünftige Superstars?

Aus der Fülle von aufstrebenden Talenten, die auf dem Kalender der Pariser Fashion Week standen, stachen drei von ihnen mit einem einzigartigen Angebot hervor: Ludovic de Saint Sernin, Ester Manas und Botter.

Von links nach rechts: Ester Manas, Ludovic de Saint Sernin, Botter SS23.

Ludovic de Saint Sernin: schick und sexy

Die junge, gleichnamige Marke Ludovic de Saint Sernin, die in einem Genderfluid-Diskurs verankert ist, hat ihre Identität auf sexy Kleidung und einem Signaturstück aufgebaut: einem Slip mit Schnürung. Fünf Jahre nach der Einführung erweiterte die Frühjahr/Sommer 2023 Modenschau das Angebot über Partykleidung hinaus und markierte den Eintritt der Marke in das Unterwäsche-Segment mit einer Linie aus Baumwolle mit Kristallen.

Ester Manas: Radikalität in Plus-Size

Obwohl das Label zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt im Jahr 2019, kurz vor der Pandemie, lanciert wurde, hat Ester Manas durchgehalten. Die Damenmodemarke, deren Identität sich durch ein Plus-Size-Angebot und das Konzept der Einheitsgröße definiert, kündigte über ihre Modenschau eine Zusammenarbeit mit dem erfolgreichen dänischen Label Ganni an. Das Projekt soll im Sommer 2023 enthüllt werden.

Ester Manas ist eine Ausnahme in einer Branche, in der die meisten Luxusmarken das Thema Body-Positivismus aus Marketinggründen nur streifen, wenn sie es nicht sogar völlig ignorieren. Das Casting für ihre Frühjahr/Sommer-Show 2023 umfasste alle Körpertypen und demonstrierte pragmatisch die Flexibilität ihrer Designs aus dehnbaren Materialien.

Botter: Schutz der Ozeane

Im Januar 2022 gaben Rushemy Botter und Lisi Herrebrugh ihre Positionen als künstlerische Direktoren im Hause Nina Ricci auf, um sich um die Marke, die sie 2017 ins Leben gerufen hatten, zu kümmern: Botter. Diese Frühjahr/Sommer 2023 Show bestätigte, wie ernst sie dies Aufgabe nehmen. Sie wollen ein innovatives Label entwickeln, das in der Lage ist, einen Impact im Bezug auf den Schutz der Umwelt und der Ozeane im Besonderen zu schaffen, wie es auf der Website heißt.

„Für diese Frühjahr/Sommer-Kollektion 2023 wollten wir die Idee erforschen, Wasser auf den Laufsteg zu bringen“, sagte das Duo in den Begleitnotizen zur Modenschau. Die Aufmerksamkeit wurde in überraschenden Details wie Aquarium-Handschuhen aus Kondomen und Eiswürfel-Taschen zum Ausdruck gebracht. Die Sommerkollektion umfasste auch Kleidungsstücke, die aus Algen und Plastikmüll aus dem Ozean hergestellt wurden. Die Marke arbeitet mit Biolog:innen zusammen, um die Möglichkeit zu untersuchen, Algen zu züchten, um daraus Garne herzustellen.

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Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ.

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