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Marken: Tradition ist Trend

Von Reinhold Koehler

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Mode |KOMMENTAR

Traditionsunternehmen lagen nicht immer hoch im Kurs. Noch vor wenigen Jahren interessierte sich kaum jemand für die Geschichte einer Marke, im Gegenteil: Je jünger das Label kommuniziert wurde, desto größer war der Erfolg. Denn nur was neu war, galt auch als zeitgemäß und trendy. Mittlerweile hat sich der Jugendwahn vor allem in der Mode jedoch weitgehend erledigt, denn die Verbraucher fordern wieder jene Normen und Werte, die sie in der Gesellschaft immer weniger finden: Qualität, Verlässlichkeit, Handwerkskunst und Authentizität.

Der Trend zur Tradition zeigt sich derzeit auch auf den Messen der Berliner Modewoche: Vorbei scheinen hier die Zeiten, in denen sich die Aussteller durch bunte, knallige und gigantomanische Standdesigns gegenseitig übertreffen wollten und jeder darauf setzte, sich als poppiger Eyecatcher von seinen Mitbewerbern abzuheben. Stattdessen sieht man im Standdesign viel Holz, alte Industrie-Einrichtungen und eine variantenreiche Auswahl von Opas alten Werkzeugen.

Vor allem Marken im mittel- und hochpreisigen Segment tun die Unternehmen aktuell alles dafür, als verlässliche Qualitätslieferanten zu erscheinen, die ihr Handwerk seit Generartionen beherrschen. Marken wie die US-Schuhanbieter G.H. Bass oder Red Wing stehen daher im Moment besonders hoch im Kurs, genauso wie Textilhersteller wie Schiesser, Fred Perry oder Lyle & Scott.

Großer Mythos, großer Umsatz

Will man den aktuellen Hype des Traditions-Trends live erleben, ist die Spartenmesse Seek die passende Plattform. Das einst als kleinste Orderplattform und Wurmfortsatz der Premium gestartete Konzept zählt mittlerweile zu den wichtigsten Messen der Modewoche. Hier präsentieren sich vor allem kleine, exklusive Streetwear-Labels mit großer Geschichte.

Hier erzählt jede Marke ihren eigenen Mythos. Wer nicht schon im Jahr 1830 gegründet wurde und seinen kompletten Stand mit Schwarz-Weiß-Bildern aus dieser Zeit tapeziert, war mindestens Mitbegründer sämtlicher Subkulturen des Planeten. Es gibt kaum einen Aussteller, der nicht darauf verweist, entweder einen bestimmten Kleidungsstil erfunden oder gar eine ganze kulturelle Ära mit eingeläutet zu haben.

Um Tradition und Werte authentisch verkaufen zu können, legen auch immer mehr Hersteller großen Wert auf den Ort und das Verfahren zur Herstellung seiner Produkte. Wer in Italien, Portugal oder der Türkei produzieren lässt, zeigt damit nicht nur seine besondere Affinität zum Qualitätsprodukt, sondern auch seine soziale Verantwortung, sein Umweltbewusstsein und seine Heimatverbundenheit. Attribute, die in einer kaum mehr durchschaubaren Welt aus Trends, Do’s & Dont’s, Eitelkeiten und Hysterien für Vertrauen und Sympathie sorgen.

Die Berliner Seek gibt mittlerweile sogar an, Tradition als „Herzensangelegenheit“ zu begreifen. Ein brillanter Schachzug, denn es scheint heutzutage nur noch sehr wenige Herzensangelegenheiten im Leben der Menschen zu geben. Für Messe-Gründer Oliver Saunders ist die Sache klar: „Die Heritage-Bewegung ist fantastisch. Sie hat dazu geführt, dass die Menschen Geschichten zur Brand hören und die Hintergründe kennenlernen wollen.“ Das Ergebnis sei mehr Qualität, so Saunders.

So kommt man durch ein traditionelles Erscheinungsbild von einem symbolischen zu einem faktischen Mehrwert. Denn wer den Faden der Geschichte spinnt, verbessert die Mode, so die Expertenmeinung. Modeunternehmen, die ihre Kunden nicht allein durch unschlagbare Preise überzeugen können, sollten sich also in der Kommunikation auf ihre Tradition besinnen. Aktuell ist das Modegeschäft jedenfalls ein einfaches Rechenmodell: der Umsatz steigt proportional zur Geschichte.

Fotos: G.H. Bass, Lyle & Scott

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