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Entschlüsselt: Wie interpretiert eine Trendforscherin die Mode von Ikea?

Von Julia Garel

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Mode

Vor drei Jahren machte Balenciaga die große blaue Plastiktragetasche von Ikea zu einem Modeartikel. Das Pariser Haus und sein Kreativdirektor Demna Gvasalia hatten die Silhouetten ihrer Frühjahr/Sommer-Modenschau 2017 mit großen blauen Taschen ausgestattet, ein offensichtlicher Verweis auf die "Frakta"-Tasche von Ikea. Dann folgte ein Zusammenarbeit mit dem Paten der Streetwear - Virgil Abloh. Nun ist Ikea endlich bereit, offiziell und im Alleingang den Bekleidungsmarkt zu erobern. Genau das hat das Unternehmen diesen Sommer in Japan getan.

Ein Kapuzenpulli, ein T-Shirt, zwei Modelle einer Wasserflasche und eines Handtuchs, ein Regenschirm und eine Tragetasche. Bei dieser ersten Kapselkollektion hielt sich die Marke an klassische Unisex-Produkte für jeden Tag. Jeder Artikel trägt die Strichcode-Referenz eines der meistverkauften Möbelstücke des Möbelhauses: den des Bücherregals Billy.

Aber was sagt uns dieses erste modische Wagnis der Schweden? Sind die Produkte so simpel, wie sie aussehen? Erobert das skandinavische Unternehmen wirklich die Mode?

« Der eigentliche Ansatz von Ikea besteht nicht darin, Möbel herzustellen", so Lucile de Goallec.

Ich war von dieser Kollektion nicht sonderlich überrascht", sagt Lucile de Goallec, Markenstrategin und Trendforscherin bei der Trendagentur Nelly Rodi in Paris. „Die Tatsache, dass Ikea nicht in Zusammenarbeit, sondern als eigene Marke eine Kollektion herausgebracht hat, ist ziemlich relevant, denn in Bezug auf die Positionierung ist Ikea eher eine Lifestyle-Marke, als eine Möbelmarke. Indem es die Ikea-Marke auf Kleidung anwendet, kann sich Ikea von seiner bisherigen Festlegung auf ein Produktsortiment befreien", fügt Lucile hinzu.

Nach ein wenig mehr Diskussion mit Lucile wird klar, dass die Kollektion "Efterträda", wie sie genannt wird, hilft, die Strategie des Möbelkaufhauses besser zu verstehen. „Der eigentliche Ansatz von Ikea besteht nicht darin, Möbel herzustellen, sondern über funktionale, alltägliche Produkte nachzudenken, die das Leben der Verbraucher verbessern", fährt Lucile fort. „Dieser Ansatz kann auch sehr gut bei Kleidung funktionieren. Denn wenn Sie nach einem Produkt suchen, das Freude macht, sich gut anfühlt und das man jeden Tag benutzen kann, dann passt Kleidung perfekt zu diesen Kriterien.“

Die Ästhetik der Produkte scheint jedoch fragwürdig. „Der Strichcode ist interessant im Hinblick auf die Verbindung mit dem Produkt, aber im Hinblick auf die kulturelle Symbolik ist das Bild des Strichcodes etwas schwierig“, sagt Lucile. „Aus europäischer und jüdisch-christlicher Sicht wird das immer noch sehr stark mit Auschwitz verbunden. Die Tatsache, auf eine solche Weise mit einem Produktcode markiert zu werden, standardisiert zu sein, erinnert an die Tätowierungen, wie sie in Konzentrationslagern eingesetzt wurden. Die Idee, dass ein einheitliches Produkt von der Person, die es trägt, neu interpretiert werden kann, ist spannend, aber die Strichcodesymbolik kann man kritisieren.“

Die dem japanischen Markt gewidmete Ikea-Kampagne scheint diese Interpretation völlig zu ignorieren. Die T-Shirts und Kapuzenpullover werden kreativen Persönlichkeiten aus dem Tokioter Stadtteil Harajuku getragen. Jedes Stück wird auf persönliche Weise gestylt und in einem intimen Rahmen in den Häusern und Wohnungen der Modelle präsentiert. Die Kampagne versucht nicht, sich vom gewohnten Ikea-Kosmos - Wohnen und Leben - zu befreien, sondern schreibt die Modekampagne im Gegenteil wieder in ihr eigenes Universum ein.

Werden noch mehr Modekollektionen folgen?

Mit der Eröffnung einer Pariser Filiale im kommenden Frühjahr, die ganz der Dekoration gewidmet ist (in der Rue de Rivoli 144), zeigt Ikea seine Entschlossenheit, das tägliche Leben der Verbraucher stärker zu prägen. „Schließlich gibt es bei Ikea viele Waren, die für Lebensmittel bestimmt sind, sodass Waren, die Kleidung betreffen, nicht komplett zusammenhangslos erscheinen“, sagt Lucile. „Ich glaube jedoch nicht, dass wir 2021 ein reines Ikea-Modegeschäft haben werden. Auf der anderen Seite erscheint es nicht absurd, Ikea-Kleidung in einer Ecke des Geschäfts zu sehen.“

Bild: Ikea.jp, Bild aus der Kollektion "Efterträda".

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

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