Handelskonflikt und Wettbewerb: Wie Chinas Modeproduzent:innen um ihre Stellung kämpfen
Der steigende Druck rund um den Handelskonflikt zwischen China und den USA sowie die wachsende Konkurrenz im eigenen Land und in anderen asiatischen Ländern wie Vietnam und Bangladesh verlangen nach neuen Maßnahmen für Bekleidungsproduzent:innen der Volksrepublik.
Um zu verstehen, wie die Herstellenden mit der Situation umgehen, während steigende Kosten und Konsumzurückhaltung den globalen Markt prägen, haben wir uns bei der China International Fashion Fair (CHIC) in Shanghai umgehört.
Fokus auf Heimatmarkt
Während Chinas Staatschef Xi Jinping am vergangenen Mittwoch mit seinen hochrangigen Gästen in Peking den 80. Jahrestag, der das Ende des Zweiten Weltkrieges markiert, feiert, wird das Geschäft am am stärksten frequentierten Tag der Shanghaier Modemesse nicht vernachlässigt. Dennoch werden auch auf dem Messegelände die Geschehnisse um die Militärparade in der Hauptstadt verfolgt.
Die halbjährliche Modemesse findet im März und September statt. Während sich bei der Frühjahrsausgabe auch verschiedene Marken und Designer:innen mit ihren Kollektionen präsentieren, liegt im September ein klarer Fokus auf der Produktion.Die ausstellenden Fabrikbetreibenden sind meist sowohl als Original Equipment Manufacturer (OEM), bei dem das Design vollumfänglich von den Marken kommt, sowie als Original Design Manufacturer (ODM), bei der die Marken den Entwurf der Produzierenden nach ihren Vorstellungen anpassen, aktiv.
Der Großteil der Produzent:innen legt seinen Fokus auf den Heimatmarkt. Nur etwa 20 bis 30 Prozent der Ausstellenden exportieren die Ware ins Ausland, so CHIC-Präsident Chen Dapeng bei einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch. Dieser Anteil sei nach der Pandemie zurückgegangen, während die Anzahl der Besucher:innen und Ausstellenden in diesem Jahr gegenüber den Vorjahren weiter wachsen konnte.
Textil- und Bekleidungsexporte bleiben konstant
Der weltweite Markt sei von Herausforderungen geprägt, so Chen, des chinesischen Bekleidungsverbands (China National Garment Association). ist. Dazu gehört auch der Handelskonflikt zwischen China und den USA. Bislang seien die Auswirkungen für chinesische Produzent:innen aber noch nicht so stark. Laut Chen seien die Exporte in die USA zwischen Januar und Juni nur geringfügig zurückgegangen. Dafür seien die Lieferungen nach Europa jedoch angestiegen.
In den ersten sechs Monaten konnten Chinas kumulierte Exporte von Textilien, Bekleidung und Zubehör um 0,8 Prozent im Vorjahresvergleich wachsen, wie die Allgemeine Zollverwaltung Chinas (GAC) mitteilte. Der Warenwert lag in diesem Zeitraum bei 143 Milliarden US-Dollar (122 Milliarden Euro). Betrachtet man die einzelnen Segmente, so gingen die Bekleidungsexporte um 0,2 Prozent auf 73,5 Milliarden US-Dollar zurück. Die Textilexporte verbuchten derweil einen Anstieg um 1,8 Prozent auf 70,52 Milliarden US-Dollar.
Produzent:innen reagieren auf Handelskonflikt mit USA
Der Zollstreit zwischen den USA und China ist aktuell bis zum 10. November auf Eis gelegt. Damit werden auch die im April angekündigten Spitzensteuersätze – die Einfuhrzölle von bis zu 145 Prozent auf chinesische Produkte beziehungsweise 125 Prozent auf US-Produkte – vorerst ausgesetzt. Dennoch gelten mit 30 Prozent auf chinesische Importe in die USA und 10 Prozent auf US-Waren in China schon aktuell hohe Abgaben. Dazu kommt die Aufhebung der Zollfreigrenze für die Einfuhr von kommerziellen Paketen im Wert von unter 800 US-Dollar (688 Euro), die zuvor durch die sogenannten De-minimis-Regel von den Abgaben befreit gewesen ist. Seit Ende August gilt die Änderung für alle Länder, China ist davon aber bereits seit Mai betroffen.
Die Shanghai Dragon Corporation reagiert auf die Veränderungen im US-Markt und stellt das Sortiment für ihre Unterwäsche-Marke Threegund um. Die chinesische Textilproduzentin, die zur Shangtex Fashion Company gehört, verzichtet in ihrem Direktvertrieb über den US-amerikanischen Onlineriesen Amazon in den Vereinigten Staaten auf Produkte aus Baumwolle. Dadurch sollen Kosten eingespart werden, erklärte Samuel Feng, General Manager bei Dragon. Zuvor hatten die Produkte einen Baumwollanteil von 40 bis 50 Prozent.
Durch die Veränderungen im US-Markt hofft der Konzern, der mit 90 Prozent den Großteil seiner Einnahmen im Ausland als Produzent für andere Marken generiert, nun wieder mehr mit europäischen Kund:innen zu arbeiten. Aktuell arbeite man mit 15 größeren sowie mehreren kleinen Partner:innen in Europa. Auf der Messe habe man auch Gespräche mit Kundschaft aus Norwegen geführt. Gemeinsam baue man auf eine langfristige Zusammenarbeit und plane auch schon das kommende Jahr.
Neben Europa würde aber auch das Geschäft im Nahen Osten sowie in mehreren afrikanischen Ländern weiter wachsen. Die Zahlen sprechen für eine erfolgreiche Strategie. So soll der Konzern nach eigenen Angaben von Feng im vergangenen Jahr gegenüber 2023 ein Plus von fünf Prozent beim Umsatz und Gewinn erzielt haben.
Die Qingdao Qianfeng CapArt International Corporation hat die Preise je Produkt zwischen 0,1 bis 0,2 US-Dollar angehoben, erklärt ein Unternehmenssprecher. Der chinesische Schirmmützen-Spezialist zählt nach eigenen Angaben große US-Sportartikler wie New Era und Fanatics, aber auch Bekleidungsanbieter in Europa wie die deutschen Menswear-Marke Lerros und die Bestseller-Brand Jack & Jones zu seinen Kund:innen.
Der US-Markt ist mit bis zu 80 Prozent Umsatzanteil weiterhin der stärkste Markt für das Unternehmen. Die übrigen 20 Prozent fassen vor allem Europa und südostasiatische Länder wie den Heimatmarkt und Korea zusammen. Da der Schirmmützen-Spezialis allerdings auch insgesamt mit rückläufigen Zahlen zu kämpfen hat, suche man auch vermehrt nach Neukund:innen in Südamerika.
Im vergangenen Jahr sind die Produktionskosten um fünf bis zehn Prozent für das Unternehmen aus der ostchinesischen Stadt Qingdao angestiegen und das Ordervolumen um etwa zehn Prozent gesunken. Neben Neukund:innen baue man in dieser Zeit besonders auf langfristige Kooperationen wie mit New Era. „Die Kund:innen bleiben, nur das Volumen wird weniger“, fasst der Sprecher zusammen.
Der enge Austausch zwischen Produzent:innen und Marken ist in der aktuellen Zeit umso wichtiger. Nur so lassen sich auch Hindernisse wie höhere Importzölle gemeinsam lösen. Die beiden Parteien verhandeln über die zusätzlichen Kosten und teilen sie auf, so Chen Dapeng.
Outsourcing und Kosten senkenen
Um mit der steigenden Konkurrenz mitzuhalten und die Kosten zu reduzieren, investiert Qingdao Qianfeng CapArt seit Anfang des Jahres auch in eine Produktionsstätte in Ghana. Dort sollen langfristig etwa 30 Produzent der Produkte hergestellt werden. Der Fokus liegt dabei auf einfachen Modellen. Aufwändigere Modelle und Details wie Stickereien werden aber weiterhin im heimischen Werk produziert.
Auch der CHIC-Chef beobachtet einen solchen Wandel. Chinesische Produzent:innen setzen auf andere Länder wie Vietnam, Bangladesch, Myanmar und Ägypten, um einen Teil ihrer Produktion auszulagern. Aber auch Chen unterstreicht, dass es nur Produkte wie einfache Strickwaren und T-Shirt sind, die in diesen Ländern hergestellt werden. Für die hochwertige Fertigung, für die es mehr technisches Know-how benötigt, bleibe man in China.
Außerdem würden Unternehmen, die wegen ihrer Spezialisierung nicht auf andere Länder ausweichen können, auch immer mehr auf neue digitale Lösungen zurückgreifen. Unter anderem soll der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Produktion effizienter machen. Dadurch könne man auch auf die Veränderungen im US-Markt besser reagieren.
Midestlöhne
Eine weitere wichtige Rolle bei chinesischen Produzent:innen und ihrem Exportgeschäft spielt die Region, in der sie ansässig sind. Je nach Provinz gelten aufgrund von Faktoren wie dem minimalen Lebenshaltungskosten und wirtschaftlicher Entwicklung in der Region verschiedene Mindestlohn-Standards, die von der lokalen Regierung festgelegt werden, heißt es in den chinesischen Bestimmungen zum Mindestlohn.
Shanghai hat dabei nach aktuellem Stand den höchsten monatlichen Mindestlohn mit 2.740 Renminbi Yuan (etwa 327 Euro). Der Betrag wurde erst Anfang Juli von zuvor 2690 Yuan erhöht, wie damals verschiedene Medien wie Bloomberg berichteten. Dadurch tendieren besonders Marken aus den USA mehr zu Anbieter:innen aus anderen Provinzen, erklärt Annora Qin, Marketing Manager bei Shanghai Senfang Textile Apparel.
Die Jacken-Spezialistin sei erst kürzlich wieder mit einem Vertreter der Kidswear-Linie von Ralph Lauren ins Gespräch gekommen, habe aber keine Übereinstimmung treffen können, weil der Preis zu hoch sei. Der Fokus im Export liegt für das Unternehmen besonders auf Europa, wo man mit Marken wie Helly Hansen, Paul Smith, Pinko und Le Coq Sportif zusammenarbeitet. Auch Japan sei ein wichtiger Exportmarkt.
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